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„Und ER segnete den siebten Tag“

Weihnachten und die Coronapolitik

„Und ER segnete den siebten Tag und heiligte ihn, weil er am selben ruhte von allem seinem Werke, das GOtt schuf, um es zu machen“ (Gen 2,3)

GOtt vollendet Himmel und Erde „und all ihre Zier“ (Allioli) an sechs Tagen. Am siebten ruht GOtt aus und verordnet wie ein guter Arzt diese Ruhe auch allen, die ihrerseits schaffen sowie allen, über die sie bestimmen: Die Heiligung des Sabbat (oder – wie heute auch übertragen wird – des Feiertags) wird zum Dritten Gebot für alle Freien wie für deren Kinder, Bedienstete und das domestizierte Vieh (vgl. Ex 20,10 und Dtn 5,14).

Doch GOtt ist nicht ideologisch. Nicht mal in Bezug auf die Zehn Gebote. In Gestalt seines Sohnes bleibt er „Herr des Sabbats“ und stellt die akuten Bedürfnisse Hungernder und Leidender über sein Gebot: „Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen Willen gemacht, nicht der Mensch um des Sabbats Willen.“ (Mk 2,27)

GOtt macht Ausnahmen.

Die Coronapolitik nicht.

In einer ganzseitigen Anzeige wirbt die Bundesregierung für die Impfung auch an Sonn- und Feiertagen.

Impfwerbung der Bundesregierung, TLZ vom 31. Dezember 2021, S. 5 (eigenes Bild)

Die Bundesregierung wirbt für Impfung. Wo es hingehört: auf den Seiten „Ratgeber Gesundheit“? Nein. Sie wirbt auf S. 5 des politischen Teils.
Die Werbung ist eine Anzeige der Impfhersteller, finanziert aus deren Milliardengewinnen? Nein. Die Bundesregierung wirbt steuermittelfinanziert, d.h. auch mit dem Geld derer, die man als „Ungeimpfte“ am liebsten von etwa fälligen Krankenhausbehandlungen ausschließen, zumindest aber durch höhere Kassenbeiträge an den Behandlungskosten auch der Impfschäden beteiligen würde.
Die Bundesregierung bewirbt ihre Coronapolitik immer mal zwischendurch? Nein. Sie wirbt hier ganzseitig am letzten Tag des Jahres, der doch der Besinnung und der Rückschau gewidmet sein sollte. Besinnungslos geht es immer weiter, allen auch fachärztlichen Mahnungen zum Trotz.

Es gibt keine Pause mehr von der Coronapolitik. Das fiel mir schon im vorvergangenen Jahr auf, als die niedlichen Pausenfüller des Zweiten Deutschen Fernsehens, die „Mainzelmännchen“, zwischen den Werbefilmen um die Nachrichten herum nicht mehr in ihren wenige Sekunden kurzen Geschichten aus den Alltagssorgen entführten, indem sie lustige und harmlose Situationen des „Menschlichen, Allzumenschlichen“ vorführten. Nein. Die Mainzelmännchen sind seit 2020 so sehr Teil der nur noch Sorgen verbreitenden Medienlandschaft geworden, daß ihre Filmsequenzen phasenweise ausschließlich die Coronamaßnahmen bewarben und durch ihre eingeführten lachenden Gesichter verharmlosten: Das Maskentragen; das Alleinsein; das auch im Freien allein Sport treiben; das Abstand Halten vom Paketboten; das Einkaufen während der verordneten Quarantäne und so weiter und so weiter. Es gab kein Entkommen.

Im vergangenen Jahr (2021) fand sich die ganze Gesellschaft in der Umklammerung der Coronamaßnahmen; nicht nur im Alltag, sondern sogar über die Weihnachtsfeiertage. Die einen impften auch an Sonn- und Feiertagen scharenweise die an den restriktiven Maßnahmen Verzweifelnden und feierten medial als Erfolg einer verbalen Überzeugungsarbeit, wo in der weit überwiegenden Zahl der Fälle schlicht der Druck der Verbote die Menschen mürbe gemacht haben dürfte. Die anderen standen an den Testzentren Schlange, um zu Freunden oder doch auch zum Gottesdienst zu gehen, sofern sie dort allein aufgrund von Testung überhaupt noch zugelassen waren. Die dritten demonstrierten die Feiertage hindurch zu Hunderten und Tausenden und noch im kleinsten Dorf gegen die Coronapolitik. Und die vierten versuchten tapfer, sie dabei zu überwachen.

Diese Weihnachten wurde die Coronapolitik totalitär. Jetzt waren die Maßnahmen definitiv nicht mehr für den Menschen da, sondern der Mensch für die Maßnahmen. Und dennoch gibt es Leute, die sie nach wie vor, ja immer heftiger und den Kritikern gegenüber beleidigender bejahen. In Heft 1/2022 der Herderkorrespondenz ist ein Artikel zu lesen, dessen Überschrift denselben Aufhänger nutzt wie der vorliegende Text: Jesu Heilung am Sabbat. Da er sich hinter einer Bezahlschranke befindet, konnte ich die Zeilen von Johannes Klösges nicht zur Kenntnis nehmen, doch die Überschrift läßt der Hoffnung wenig Raum, dort könnte im selben Sinne wie hier argumentiert werden: „Covid-19-Impfaktionen an heiligen Orten: Am Sabbat heilen. An Impfaktionen in Kirchen gibt es Kritik. Aus christlicher Sicht ist hier allerdings eine eindeutige Position geboten.“ Christus segnet den Bruch der Sabbatruhe ab, wenn akut Kranke zu heilen und Hungrige zu speisen sind. Bekanntlich ist eine Maßnahme wie eine Vorsorgeimpfung von diesen Aspekten nicht mit abgedeckt: Impfen tut man eben gerade nicht in eine bestehende Infektion hinein. Vielleicht kann der eine oder die andere PuLa-Leserin den Text der Herderkorrespondenz lesen und via Kommentar oder Email berichten, wie ein Kirchenrechtler hier Stellung nimmt.

Lassen Sie uns einstweilen ausruhen von der in Deutschland bei Jung und Alt derzeit leider einzigen omnipräsenten Thematik und uns auf das wirklich und bleibend Wesentliche besinnen, das auch die Knechtschaft einer profitgesteuerten „Gesundheits“kampagne nicht annullieren kann: das ewige Seelenheil. Wenn Sie mögen, schauen Sie die Predigt von Pater Isaak Maria aus Neuzelle vom 30. November 2021 an. Seine Worte sind wohltuend anders als vieles, was man derzeit auch in Kirchen zu hören bekommt.

 

PuLa wünscht allen Leserinnen und Lesern ein gesundes
und glückliches Jahr 2022!

 

Cornelie Becker-Lamers

 

(Anmerkung der Redaktion: Leider konnten wir das Video nicht einbetten, wie sonst immer, denn:

Da wurde offenbar die tadellose und wirklich lohnende Predigt ein paar mal für politische Zwecke mißbraucht, schade; folgen Sie doch einfach dem Link oben, oder nochmal hier, es lohnt sich sehr!

Gereon Lamers

 

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 24

Übrigens habe ich jetzt meinen Propheten in Israel gefunden, dessen Abwesenheit ich im letzten Brief belamentierte: Joseph Ratzinger! Seine “Einführung in das Christentum“ […] über das Credo (das Apost.) hat mich hochbegeistert. DAS ist genau das Ersehnte: echte Fülle des Wissens, unbestechliche scharfe Denkkraft, lauterste Wahrhaftigkeit und dabei selber einer der Jungen, der mit brüderlicher Sympathie die ganzen neuen Strömungen kennt, bis auf den Grund mit durchdenkt und unbestechlich, aber liebevoll durchschaut und ablehnt, wo es schief geht. [E]r könnte das ,,theologische Gewissen der deutschen Kirche“ werden, wie […] Augustin[us] das theol. Gewissen der abendländischen Kirche (zu seiner Lebzeit) […]. Dass es sowas im Nachwuchs gibt, ist doch HÖCHST erfreulich. Und das neben Küng, ausgerechnet in Tübingen!! Dabei fehlt JEDE Polemik bei ihm, alles ist klare positive Aussage. Möge Gott uns diesen Vorkämpfer der alten und neuen Kirche erhalten.
(28.11.1968)

 

Übrigens, wir meinen, es gibt Zeiten, da ist ein wenig “Eskapismus” kein Vorwurf, sondern geradezu Christenpflicht!
Vor allem: Es kommt halt immer darauf an, wohin man “flieht”!
Wenn Sie ein paar Tage nicht an “Maßnahmen”, nicht an “Politiker” (außer- wie innerhalb der Kirche!) denken, sondern an das Kind in der Krippe, den inkarnierten Logos und seine grenzenlose Liebe zu uns, dann, ja dann werden Sie auch in die Zumutungen der Welt gestärkt zurückkehren.
PuLa wünscht all seinen Leserinnen und Lesern ein segensreiches, frohes und friedliches Weihnachtsfest!

Gereon Lamers 

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 23

[…] ich würde keine Zeile mehr schreiben. Wozu, wozu noch?- Ich bin doch ein Teil dessen, was heute stirbt.
DAGEGEN steht mir eigentlich nur noch Mutter Teresas Abschiedswort: ,,Schreiben Sie für die ganz einfachen Menschen, sagen Sie ihnen, was das Konzil wirklich wollte. Das Konzil muss schon eine sehr grosse Sache sein, dass der Teufel sich so grosse Mühe gibt, seinen Sinn zu verwischen und zu verwirren, man muss den Leuten dagegen helfen“ […]
Wir sind wirklich bereits ein Schauspiel für Engel und Menschen, ein Gelächter der Welt.
(27.7.1968)

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 22

Der Herr hat doch offenbar ein sehr lebhaftes Gefühl für die Heiligkeit des Hauses Seines Vaters gehabt. Und was dem Tempel als „Haus Gottes“ recht wahr, ist doch wohl den katholischen Kirchenraum als „Haus Gottes und Christi“ erst recht billig — nicht als abzustossendes ,levitisches” Relikt, sondern als spontaner Ausdruck der Anbetung, der ehrfürchtigen Liebe und liebenden Ehrfurcht. – Ach, ich weiss, Sie wollen wie Karl Rahner dem, der den Mantel verlangt, noch den Rock nachwerfen und statt der zwei Meilen vier mitgehen, nur um keinen zu entmutigen – das ist schön und ergreifend, aber mir scheint es halt leider doch falsch, denn ich glaube einfach, dass auch der heutige Mensch sich nur auf das stützen kann, was ihm widersteht, und dass Reinhold Schneider richtig gesehen hat, wenn er immer wiederholt, dass die „Welt“ unsern Widerspruch erwartet und heimlich ersehnt und nicht bloss, dass wir ihre Irrtümer entschuldigen und ihre Schwächen rechtfertigen und kopieren und so.
(14.6.1968)

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 21

Einer der seltsamsten und bedenklichsten Züge der Gegenwart ist mir ja die Wut gegen das „Sakrale“ in allen Bereichen. Kein Missbrauch kann diese Wut wirklich erklären, ich spüre da so sehr die dämonische Offensive dahinter. Rehabilitierung des „Profanen“ gewiss, wo das Wort nur negativ, gar feindselig gebraucht wurde – aber gerade das ist ja schon Missverständnis. Sakrales und Profanes können, sollen doch in gegenseitiger Ehrfurcht und Liebe nebeneinander, miteinander bestehen, aber als zweierlei – warum mit Gewalt den Unterschied verwischen und ableugnen wollen?
Es darf nicht nur verwechselt werden mit Gut und Böse — aber die Gegenwart verträgt eben schon die Begriffe Hoch und Nieder nicht mehr, betrachtet sie – auch das ist ja ein Charakteristikum!! schon an sich als „undemokratisch“, kann sie nur von unten her, in der Haltung des „Beleidigtseins“ verstehen.. Aber warum MUSS man denn das? Es ist doch herrlich, wenn es, dass es Grösseres, Höheres, Schöneres gibt als man selber, dass man in einer gestuften und vielfarbenen Welt leben darf – warum immer deutscher Eintopf?
Der Priester ist, für mich, der hauptamtlich “die Sache Gottes“ zu verwalten hat – sowohl in der Kirche als auch “vor der Welt“ – gerade das Andre, gerade das Sich-Abhebende, gerade das Überstrahlende – und ALS alle angehend; der uns keinen Augenblick vergessen lässt, dass es dieses Andre gibt, dass es das Wichtigste und das Wesentliche ist, dass es alles, alles andre sowohl überragt als durchdringt, entschlüsselt und interpretiert.
(7.3.1968)

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 20

Ich werde ja auch nicht an der Liturgie-Reform irre durch ihre tägliche Karikatur, die wir schmerzlich-wütend herunterschlucken müssen — z.B. die, wie ich vermute, noch keineswegs auch nur legitime „Abschaffung“ aller Toten-Liturgie – – dass für eine Verstorbene nicht einmal an ihrem Begräbnistag das Requiem gelesen wird ich meine ja nicht schwarz, von mir aus lila oder sonst was, und das Dies Irae kann ja ruhig weglassen, wem es zu mittelalterlich ist. Aber dass den Angehörigen – und ich finde in gewissem Sinn sogar: dem Toten selbst, soweit seine Angehörigen seine Persona noch bewahren – diese wunderschönen, auf den Toten, auf sein Schicksal bezogenen Texte mit der Auferstehungsperikope und der herrlichen Präfation einfach vorenthalten werden, und der Priester statt dessen in Rot eine Heilig-Geist-Messe liest und bloss als dritte Oration und ohne Namen sogar (,,Deine Dienerin“, weil er offenbar zu faul war, nur nach ihrem Vornamen zu fragen) die Verstorbene erwähnt — das finde ich für die Zurückbleibenden geradezu beleidigend lieblos, herzlos. MUSS denn das sein, bloss um sich „modern“ zu präsentieren?
(15.2.1968)

Das Reservat 4/4

Ein Sketch zum Vierten Advent für zwei Schafe, zwei Lämmchen, zehn bis elf Personen und beliebig viele Statisten unter den Schafen und unter den Menschen

Wundersdorf, die allseits bekannte Schafweide. Sie ist bei der Schaffung des Reservats für Ungeimpfte, zu dem man Wundersdorf und Umland ja gemacht hat, zwar natürlich innerhalb der Grenzen, aber direkt am Zaun zum Draußen zu liegen gekommen. Dennoch herrscht – Sie erraten es? Genau: reges Treiben. Wie immer. Aber auch die ganze Gemeinde scheint auf den Füßen zu sein. Himmel und Menschen drängen sich am Gatter und möchten auf die Weide. Die Schafe haben alle Hufe voll zu tun, um des Andrangs Herr zu werden.

Unterhalb der Tanne ist ein großes Podest aufgebaut, auf dem sich schon allerlei Tiere tummeln. Auf der Weide sieht man schon Menschen auf Klappstühlen und Sitzkissen, Picknickdecken, Isomatten und Holzklötzen sitzen. Hier und da sind kleine freie Flächen, auf denen Papier liegt … hm! Sieht aus wie Liedzettel … Am Zaun lehnen vier oder fünf Jugendliche und schauen von der Parallelwelt im Draußen aus zu.

Also wir sollten versuchen herauszubekommen, was hier los ist. Ich glaube, es könnte lohnend sein.

 

Flocke (zu Fixi): Die Leute dürfen nur dort sitzen, wo Liedzettel liegen – sag das bitte allen!

Fixi: Aber Tante Flocke! Das klappt niemals! Schau doch mal, wie viele das sind.

Flocke: Aber es sind die Auflagen.

Fixi: Was soll denn passieren? Im Freien? Beim CSD neulich draußen ist doch auch nichts passiert – und da quatschen die Leute mehr als wenn wir hier singen!

Flocke (nach kurzem Überlegen, seufzend): Hast Recht! Dann leg noch mehr Zettel in die Zwischenräume. (Fixi stürmt mit einem Stapel Liedzettel los und streut sie auf der Wiese aus.)

Wolle (am Einlaß, zu Huf): Huf, lauf zum Unterstand und hol ein paar Pötte heißen Tee für die Gegendemonstranten da am Zaun. (Huf trabt los.)

Edith: Hallo, Wolle!

Wolle: Ach! Edith! Richard! Teresa! Emily! Seid gegrüßt!

Edith und Richard: Hallo Wolle! Hallo Schafe! (Teresa und Emily krächzen auch irgendetwas wie „Hallo“).

Wolle: Um Himmels Willen – was ist denn mit euch los?

Edith (zuckt die Schultern): Die beiden haben sich gestern auf einer Demo draußen heiser geschrien …

Wolle: Oh je! Aber tapfer! (Sie lächelt die Mädchen an) Na, dann sucht euch mal einen Platz auf der Weide und laßt es euch gut gehen! Habt ihr Hocker mit?

Richard (hebt einen Klapphocker hoch): Na klar! Die vom Papstbesuch damals!

Wolle: Sehr gut!

Edith: Aber sag mal – wieso Gegendemonstranten?

Wolle: Ach! Die JuSos rufen doch immer mal zu Demonstrationen hier am Zaun auf. Da steht dann eine Handvoll bibbernder Jugendlicher mit dem Transparent „Geht euch impfen“, liefern ein paar mal ihre Sprüche ab und trollen sich wieder. Das dort scheinen auch welche zu sein …

Emily (heiser): Mhm! Gestern bei uns stand da auch irgendwo so ein winziges Grüppchen rum … (sie lacht.)

Edith: Ich seh‘ jetzt gar kein Transparent … (Sie geht mit Richard und ihren Töchtern los, um sich einen Platz im Publikum zu suchen) Dann jedenfalls gutes Gelingen gleich!

Wolle (fertigt schon die nächsten Gäste ab): Danke!

Huf (kommt vom Zaun zurück): Sie haben sich über den Tee gefreut, aber es sind gar keine Demonstranten. Sie wollen zuhören.

Wolle: Ah! Schööön! Dann merk dir mal ihre Gesichter, wenn sie öfter kommen, können wir ihnen ja sagen, wo der Tunneleingang ist, der in Fischers Garten rauskommt.

Hanna (am Gatter, sie ist mit Karl durch den Tunnel von draußen gekommen): Hallo Wolle!

Wolle: Seid gegrüßt – schön euch zu sehen! Sucht euch einen Platz!

Hanna: Danke! Also ich find‘ das ja toll, was ihr hier macht! Aber es ist schon auch komisch … draußen im Pflegeheim sind gestern wieder drei Menschen gestorben, und ihr macht hier in der Kirche einen auf Krippenspiel und führt den Messias auf!

Wolle: Nimmst du deinem Kind das Laufrad weg, weil auf der A10 ein Unfall war? – Nein, oder?! Die Kinder brauchen ihr Krippenspiel, ihre Feste, ihren Kindergarten und ihre Freunde! Kein Siecher lebt einen Tag länger, wenn wir hier die Lämmchen einsperren! Aber er stirbt in Trauer. Die Alten können nur dann beruhigt gehen, wenn sie wissen, das Leben geht in den jungen Menschen weiter! Das ist doch das Entscheidende!

(Hanna murmelt irgendwas und mischt sich mit Karl wieder unters Publikum. Langsam finden alle ihre Plätze und als die Schafe sich in Reih und Glied auf dem Podest sammeln und Flocke mit ihrem Taktstock nach vorne tritt, beginnt ein großes Zischeln und „Pscht“-Tuscheln. Dann beginnt die Musik).

 

ENDE

 

Cornelie Becker-Lamers

 

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 19

Ach ja, Dostojewski — ich find ja überhaupt, dass die Kirche (insgesamt) – grad wieder alle DREI Versuchungen geradezu klassisch repetieren muss — jetzt ist sie beim „Brot für die Welt“, aber die andre steht schon daneben und steckt drin, ebenfalls Gross-Inquisitor, sich durch diese Popolaritätshascherei das entgleitende Scheibchen Macht an und in den Reichen dieser Welt zu sichern… und drittens noch mal durch den ,,Sprung in die Tiefe“: aus dem „sakralen“ Bereich, Tempel und Zinnen, aus der Höhe“ sich hinabzuwerfen in das „gemeine“ Leben, sich der Welt und der Masse zu konformieren, vor lauter ,,Brüderlichkeit“ jeden ,,Rang der Werte“ zu vermischen – Zölibat! Orden! und auch noch zu glauben, dies könnte niemand schaden, denn „Er hat seine Engel beauftragt, dass Du Deinen Fuss nicht stossest an einen Stein..“
(8.5.1967)

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 18

Meine liebe verstorbene Freundin Esther von Kirchbach, eine heiligmässige Lutheranerin, uns im Glauben sehr nahe, tröstete mich im Krieg einmal mit der Geschichte von dem Mönch, der, während das Haus brennt, in seiner Zelle an der Initiale weitermalt, weil er zum Löschen zu schwach ist – immer wieder kommt mir das Bild jetzt.

Nur mit gewalttätigem „voluntaristischen“ Anlauf kann ich mich zwingen, an die diversen neuen Frühlinge in Kirche, Kultur etc – nein, „glauben“ wäre eine glatte Übertreibung, also: sie auch noch für möglich zu halten.. Aber doch mit dem Zusatz: Gott sei Dank, dass ich sie nicht mehr erlebe — diese Welt, deren ,,utopische“ Schilderungen mir als wahre Albdruck-Träume erscheinen, eine lemurische, des Humanen bare Welt voll zynischer Roboter. […]
Ich finde nicht, dass ich ein laudator acti temporis* bin – dazu bin ich viel zu skeptisch. Ich seh auch den Greuel und Horror der diversen Vergangenheiten. Aber ich kann nicht finden, dass der Teufel nun anders als durch Beelzebub zum Quadrat ausgetrieben wird. Und jene Greuel haben sich doch, scheint mir, innerhalb eines Rahmens “richtiger“ Normen abgespielt und gegen sie verstossen, während jetzt Greuel zur Norm wird und Greuliches ihre offizielle Ausführung. 
(14.3.1967)

*Eigentlich laudator temporis acti, ”Lobredner vergangener Zeit” (Horaz)

Der Adventskalender mit Briefen Ida Fr. Görres’, Tag 17

Denn wirklich: wir müssen der Kirche, unsrer Kirche, vieles echt und redlich verzeihen lernen, was sie uns in ihrer Zeitbedingtheit angetan hat. Wie man ja auch lernen muss, seinen Eltern zu verzeihen, indem man ihre Entwicklung, so gut es geht, nachtastend begreift. Vielleicht klingt das horrend eingebildet und überheblich, aber ich meine es nicht so. Ich finde ja, wie ich Ihnen am Samstag auch sagte, mit das Schlimmste unsrer gegenwärtigen Entwicklung ist die unendliche Erbitterung, mit der ganze Generationen heute der Kirche gegenüber stehen – mit dem Gefühl, betrogen, düpiert, an der Nase herumgeführt worden zu sein unter den höchsten und heiligsten Vorwänden – und sich nun fortwährend dafür rächen zu müssen.
Dem entgegen versuche ich, die Linie einer Entwicklung nachzutasten, die ich trotz aller Irrungen und Wirrungen als eine notwendige, in ihrem Grundzug unvermeidliche empfinde – die man innen und aussen überwinden muss, statt sie zu verachten und zu verspotten. Aber das geht doch nur OHNE Ressentiment*??

(14.3.1967)

*Offenbar hatte der mönchische Briefpartner einem unlängst übersandten Manuskript gegenüber den Vorwurf erhoben, es sei ‘ressentimentgeladen’, was I.F. Görres energisch und begründet bestreitet. Mich beschlich bei der (allerdings eben nur einseitigen) Lektüre der Briefe ohnehin immer mehr das Gefühl, P. Paulus Gordan könne die Görres nicht wirklich verstanden haben. Ihre offenbar erhebliche und andauernde Zuneigung ihm gegenüber erstaunt mich daher doch. 

Gereon Lamers