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Der Adventskalender von Konversionen, Tag 5, Hermann von Pückler-Muskau

Überall in der katholischen Kirche ist das Menschliche berücksichtigt, der Schwäche mit Milde und Vergebung aufhelfend, die Stärke mit noch gewaltiger Hand leitend, und in wahrhaft liberalem Sinne Kirche und Staat gänzlich scheidend.

Hermann Ludwig Heinrich Graf von Pückler-Muskau, ab 1822 Fürst von Pückler-Muskau, geboren am 30. Oktober 1785, in die Kirche aufgenommen am 30. Oktober 1839, gestorben am 4. Februar 1871

Was würden Sie sagen: Steht ein Mensch, der schließlich 86 Jahre alt wird, an seinem 54. Geburtstag “im hohen Alter”?
Wohl kaum, nicht wahr? Und doch steht es so in der deutschen Wikipedia über die in Budapest an diesem (Geburts-!) Tag vollzogene Konversion Hermann v. Pücklers, womit die ‘Freie Enzyklopädie’ nun im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts die sattsam bekannten Abwertungsstrategien der letzten Jahrhunderte, in diesem Fall des 19. Jahrhunderts, unbewußt (?) perpetuiert.
Wobei man sagen muß: Sie erwähnt das Faktum immerhin, was in so manchem Web-Eintrag über den “Grünen Fürsten” nicht einmal der Fall ist, darunter kein geringerer, als die offizielle Seite der Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz! Allerdings, die Ausstellung vor Ort tut es, und in nicht schlechter Art und Weise.

Verbreitete Ablehnung hat der Fürst damals auch erfahren, allein, teils konnte er es sich einfach leisten, teils leistete er es sich einfach, denn sein Leben war schon zu diesem Zeitpunkt eines, das sich mit dem alten Diktum vom ‘Ungenierten Leben nachdem der Ruf erst ruiniert ist’, nicht schlecht beschreiben ließe.

Schier unmöglich ist es, in diesem Rahmen die zahllosen Facetten dieses langen und vielfältigen Lebens auch nur anzureißen, wenn wir auch sogar auf PuLa schon einmal seiner Erwähnung getan haben, hier

Weiterhin mag man mit Fug und Recht an Pücklers Rechtgläubigkeit zweifeln, befand er sich  doch just zum Zeitpunkt der Konversion gerade auf dem Rückweg von einer Orientreise, von der er im Begriff war, eine junge Abessinierin mit Namen Machbuba mit sich zurück nach Muskau zu bringen, in der erklärten Absicht, künftig eine Doppelehe zu führen! Die arme junge Frau ‘von den Ufern des Nils’ sollte allerdings das Leben an denen der Oder nicht lange überstehen und starb im folgenden Jahr. 

Pückler in orientalischer Tracht (Bild Wikicommons)

Aber all das ändert nichts daran, daß sorgfältige biographische Arbeit, egal wo, sich nicht von antikatholischem Ressentiment leiten lassen darf! 🙁 

Nun wollen wir aber diesen Beitrag im Advent nicht auf dieser häßlichen Note enden lassen und weisen stattdessen darauf hin, daß es da noch etwas gibt, das sich mit dem Fürsten verbindet und ebenfalls aus dem Jahr 1839 stammt: Das nach ihm benannte Eis! 

Sog. „Fürst-Pückler-Eis“ (Bild: Wikicommons, User: Pschemp)

Ja, dieses ist in dem nämlichen Jahr für ihn von seinem Leibkoch erfunden worden, ob damals bereits mit Schokolade, oder aber mit Pistazien, da recherchieren wir noch, ebenso, wie Cornelie schon seit langem die feste Absicht verfolgt über Machbuba und den Komplex der Doppelehe etwas zu schreiben.

Gereon Lamers

Das Ersatz-Aggregat – Sketchlet zum Zweiten Advent

Ein Sketchlet für ein Schaf, zwei Lämmchen und
beliebig viele Schafstatisten

Wundersdorf, die allseits bekannte Schafweide. Wie immer im Advent erstrahlt die hohe Tanne in der Mitte der Weide – da, wo einmal sogar ein PokéStop gewesen war – in hellem Lichterglanz. Beglückt und stolz blicken Fixi und Huf an dem prächtigen Baum hinauf. Denn in diesem Jahr haben besonders die beiden sich in Sachen Beleuchtung engagiert. Leise beginnt Fixi „Am Weihnachtsbaume die Lichter brennen“ zu summen. Huf schließt die Augen und fängt an, sich im Takt dazu hin- und herzuwiegen. Ein Bild für die Götter!

Da unterbricht plötzlich ein lautes „Fixi! Huf!“ den süßen Frieden und reißt die Lämmchen jäh aus ihrer meditativen Hingabe.

Kohle (kommt atemlos zur Tanne galoppiert): Fixi! Huf!

Huf (aufgeschreckt): Um Himmels Willen, Kohle! Was ist los! Warum mußt du uns so erschrecken?

Kohle: Ich finde es wunderschön, was ihr hier gemacht habt, mit der Tanne, aber wir müssen es leider wieder abbauen!

Fixi (reißt die Augen auf): Wieder abbauen? Warum das denn?

Kohle (schluchzt auf): Wir haben ein Schreiben vom Pfarrer bekommen, daß die Energiekrise auch vor unserer Weide nicht halt macht.

Huf (gelassen): Und?

Kohle: Und daß wir die Tanne in diesem Jahr nicht beleuchten dürfen! (Er unterdrückt mit Mühe ein Jammern.)

Fixi (ebenfalls erstaunlich ruhig): Lies mal vor, was da genau steht.

Kohle (mit zitternder Stimme)

Liebe Schafe, ihr habt unsere Weide ‚An der Schaftrift‘ gepachtet. Wir wollen im Vorfeld Klarheit schaffen und euch mitteilen, daß die Energiekrise auch auf uns als Kirchgemeinde Auswirkungen hat. Wir werden die Pacht nicht erhöhen und belassen sie auf der vereinbarten Höhe. Anders aber als die letzten Jahre müssen wir die adventliche Beleuchtung weideeigener Gewächse, namentlich der großen Tanne in der Mitte der Weide, in diesem Jahr untersagen. Das beeinträchtigt sicherlich eure Festtagsstimmung wie die eurer Besucherinnen und Besucher. Daher möchten wir euch die Möglichkeit geben, alle rechtzeitig darauf hinzuweisen. Wenn ihr unter diesen Umständen euren Pachtvertrag auflösen möchtet, haben wir dafür Verständnis.
Mit freundlichen Grüßen euer Pfarrer.

Huf (schaut geflissentlich auf seine Vorderläufe): Ich glaube, das betrifft uns nicht.

Kohle (rastet aus): Das betrifft uns nicht? Was denkt ihr euch denn? Daran müssen wir uns doch halten! Glaubst du, ich möchte …

Fixi (freundlich): Ich glaube ganz andere Sachen, lieber Kohle. Komm mal mit …

Huf: … wir zeigen dir was.

Fixi und Huf schlagen den Weg zum Bach ein, der nach Osten zu die Weide begrenzt und mit für diese Gegend erstaunlichem Gefälle dem Stobber zueilt. 

Huf: Also die paar Watt, die diese LED-Birnchen heutzutage brauchen – die schafft ja fast ein Fahrraddynamo.

Kohle (grummelt): Schon. Und? „Ich wollt ich wär ein Huhn“?  (Insider)

Huf (lacht): So etwa.

Sie gelangen an den Bach, der sich, an einer Engstelle aufgestaut, zu einem beachtlichen Tümpel verbreitert hat. Aus der Mitte des Staudamms ragen handfeste angespitzte Äste hervor. Zur Weide zu dreht sich ein Wasserrad, neben dem es am Ufer aus einem kleinen Häuschen vernehmlich summt.

Kohle: Was ist das denn? Das – das ist ja …

Huf: … ein kleines Wasserkraftwerk (er grinst). Genau!

Kohle (kann es kaum glauben): Wie – wie habt ihr das gemacht?

Fixi: Wir gar nicht.

Huf: Wir haben Bix und seine Truppe beschäftigt.

Kohle: Ihr habt die Biber ans Arbeiten gekriegt?

Fixi: Wir fanden, sie bauen sowieso ständig Dämme …

Huf: … da konnten sie uns auch mal einen kleinen Gefallen tun.

Kohle (nachdem er seine Sprachlosigkeit überwunden hat): Und – und – und das Kabel?

Fixi: Hatte Richard noch.

Kohle: Und warum brummt das Häuschen?

Huf: Na, da ist der Generator drin.

Kohle (fassungslos): … der Generator …

Fixi: … hatte auch Richard.

Huf (obenhin): Eine alte Lichtmaschine, wie er sagte.

Fixi (altklug): Die bringt genug Leistung für die Tanne.

Kohle (anerkennend): Das bedeutet, ihr stellt euren eigenen Ökostrom für die Lichterkette her?

Huf: So ist es!

Fixi: Wenn dieser Tage die Journalistin von EWTN kommt, muß unsere Weide doch im besten Licht erscheinen.

Huf: Festlich geschmückt!

Kohle: Das ist aber auch wahr! Ihr seid großartig!

Fixi: Dürfen wir dann jetzt wieder singen gehen?

Kohle: Klar, ihr beiden! Das muß ich jetzt sowieso erstmal den anderen erzählen.

 

ENDE

 

Cornelie Becker-Lamers

 

Ja, so geht’s zu in Wundersdorf. Immer auf alles vorbereitetBloß gut, daß sich das Energiesparen in unserer Pfarrei lediglich auf reduzierte Temperaturen bezieht. Denn die zwölfeinhalb Grad hält man schon aus, wenn man bedenkt, daß im Dom zu Erfurt in so manchem Winter das Weihwasser gefriert.

Aber daß die Biber so hilfsbereit sind, das finden wir toll! Da bringen wir ihnen zu Ehren gern ein passendes Stück schöner Musik.

Enjoy 😉 

Ach ja – was die Schafe da zuletzt von EWTN erzählt haben – haben Sie das verstanden? Also wir nicht. Wir sind gespannt, wie es weitergeht!

 

Der Adventskalender von Konversionen, Tag 4, Erik Peterson

Soll ich noch hinzufügen, daß mir dieser Schritt schrecklich schwer geworden ist? […] Wer mich nur ein wenig gekannt hat, der weiß, daß die Verzweiflung der letzten Jahre in dem hoffnungslosen Bemühen ihren Grund hatte, der Wahrheit Gottes, die von mir Gehorsam forderte, auszuweichen … Was ich getan habe, das habe ich von meinem Gewissen gezwungen – um nicht von Gott verworfen zu werden – getan.

 

Erik Peterson Grandjean, geboren am 7. Juni 1890 in Hamburg, aufgenommen in die Kirche am 22./23. Dezember 1930, gestorben am 26. Oktober 1960.

E. Peterson, Rom 1938 (Bild: Wikicommons, Familie Peterson)

Dem aus Hamburg von schwedisch-französischen Vorfahren stammenden Peterson war im Elternhaus eine im engeren Sinne christliche Prägung nicht zuteil geworden, doch begann er unter dem Einfluß pietistischer Strömungen im Jahr 1910 das Studium der Evangelischen Theologie. Noch in diesem Sommer wurde ihm ein intensives Erweckungserlebnis zuteil, daß ihn wohl für den Rest seines Lebens vor rationalistischem Glaubenszweifel bewahrte. 

Der nicht sehr zielstrebige Aufbau seines Studiums und ein schon zu diesem Zeitpunkt auftretendes “Nicht-hinein-passen” in herkömmliche evangelisch-theologische Tätigkeitsfelder hinderten nicht, daß Peterson sich 1920 habilitierte, mit einer Arbeit, die sich bewußt auf die “aus den Quellen geschöpfte Kenntnis des Stoffs selbst” bemühte, und mit der er sich aus den Fesseln der ‘religionsgeschichtlichen Schule’ löste. 

Ein höchst anspruchsvolles Lehrprogramm (u.a. über Th. v. Aquin) und intensive Kontakte zu den theologischen Größen der Zeit folgten und 1925 trat Peterson in einer aufsehenerregenden Streitschrift hervor: „Was ist Theologie?“, in der er sich gegen die Dialektische Theologie und besonders die Positionen R. Bultmanns wandte.

Mit der Annahme des Rufs an die Theologische Fakultät der Universität Bonn erhielt Peterson nun auch konkreten Einblick in katholisches und monastisches (Maria Laach) Leben. Die hierher rührende Bekanntschaft mit Carl Schmitt führte Jahre später, 1935, zu der Studie: „Monotheismus als politisches Problem“, denn Schmitt hatte 1922 den Begriff der „politischen Theologie“ erneut in die Diskussion eingeführt. Peterson wandte sich darin gegen jeden Versuch, den Glauben zur Rechtfertigung einer politischen Situation zu mißbrauchen. 

 Ende der 1920er Jahre verstärkten sich in Bonn die schon einige Zeit andauernden Vorwürfe des “Kryptokatholizismus”, die Peterson, der seine  Zugehörigkeit zum Protestantismus als “Treueverhältnis” auffaßte, immer aus Überzeugung zurückgewiesen hatte, auch wenn sein inneres Ringen wohl schon etliche Jahre andauerte. Sein 1928/29 publizierter “Traktat über die Kirche” baute auf den Ergebnissen anderer protestantischer Historiker wie Karl Holl auf, nach denen es schon in der Jerusalemer Urgemeinde göttliches Recht und apostolische Sukzession gab, diese also nicht Produkte einer imaginierten “frühkatholischen” Entwicklung waren, sondern letztlich in der Reich-Gottes-Verkündigung Jesu wurzelten.
Die Reaktion seiner Kollegen in der evangelischen Theologie war, das Werk totzuschweigen. Peterson resignierte und gab, auch unter dem Eindruck der Aussichtslosigkeit seines Weiterkommens an der Uni  Bonn, die Lehrtätigkeit dort auf.
Im Lauf der ersten von vier Romreisen erfolgte zu Weihnachten 1930 die Konversion.

Jahre unsteten Aufenthalts und höchst prekärer wirtschaftlicher Verhältnisse schlossen sich an, denn leider Gottes blieb Peterson, obwohl nun heimgekehrt, und an der Richtigkeit dieses Schritts niemals zweifelnd, ein kritisch beäugter Außenseiter, von einigen positiven Ausnahmen aus dem Bereich der römischen Hierarchie und des deutschen Klerus in Rom  einmal abgesehen. Seiner im Juni 1933 mit der Römerin Matilde Bertini geschlossenen Ehe wurden 5 Kinder geschenkt und die Nachkriegszeit sah eine maßvolle “Rehabilitierung” im deutschen akademischen Bereich. Petersons theologisches Werk gilt bis heute als unausgeschöpft, wird aber immerhin, und zwar in Mainz, angemessen editorisch betreut, ein Verdienst von Karl Kardinal Lehmann! 

Das Ehepaar Matilde (geb. Bertini) und Erik Peterson (Bild: Peterson-Forschungsstelle)

Im Rahmen eines vatikanischen Symposiums zu Petersons 50ten Todestag (und der 80ten Wiederkehr seiner Konversion!) im Jahr 2010 nannte Papst Benedikt seine Werke einen Geheimtip“ und fuhr fort: 

“Ich bin auf die Figur von Erik Peterson erstmals 1951 gestoßen; damals war ich Kaplan in Bogenhausen, und ich habe ihn mit wachsender Begier gelesen und mich von ihm ergreifen lassen. Denn hier war die Theologie, nach der ich suchte. So habe ich an ihm wesentlich und tiefer gelernt, was eigentlich Theologie ist, und auch die Bewunderung dafür gehabt, daß hier nicht nur Gedachtes gesagt wird, sondern daß dieses Buch Ausdruck eines Weges, die Passion seines eigenen Lebens war.“

Gereon Lamers 

Der Adventskalender von Konversionen, Tag 3, Johann Christian Bach

Johann Christian Bach, geboren am 5. September 1735, aufgenommen in die Kirche ca. 1760, gestorben am 1. Januar 1782.

Der jüngste Sohn seines Vaters Johann Sebastian Bach mit dessen zweiter Frau Anna Magdalena und, wie man vermuten darf, ein “Lieblingssohn”, wird auch der Mailänder oder Londoner Bach genannt, womit die zwei Schwerpunkte seines künstlerischen Wirkens beschrieben sind, das allerdings bei seinem Halbbruder C.P.E. Bach in Berlin begonnen hatte.

Wie auch bereits in der Generation seines Vaters (und früher) selbstverständlich, war Italien der Ort, wo Tonkünstler Inspiration schöpften, Stil und Handwerk erlernten, den Stil, der für den (wirtschaftlichen) Erfolg unumgänglich war.

J.Chr. Bach reiste so 1754 nach Mailand, trat zunächst in adelige Dienste und studierte bei Padre Giovanni Battista Martini (OFM) an dem von diesem begründeten Liceo Musicale di Bologna. 

Seine Konversion um das Jahr 1760 wird regelmäßig mit der Tatsache in Verbindung gebracht, daß er ab diesem Jahr die Stelle des zweiten Domorganisten in Mailand antrat, ein Muster, das uns immer wieder begegnet – und dem es ebenso regelmäßig an Belegen mangelt! Nicht weniger wahrscheinlich ist, daß er in der Person von Padre Martini die Verbindung von Glauben und künstlerischem Leben vorbildhaft erlebt hat.

Außerdem spricht die Tatsache seines sehr bald, nun allerdings in London, einsetzenden großen (wirtschaftlichen) Erfolgs, dagegen, daß er es nötig gehabt hätte, für eine Anstellung noch bestehende Überzeugungen zu verraten, die sich vielmehr eben verändert hatten.

Inwiefern die mangelnde Berücksichtigung, die er namentlich in der deutschen Musikgeschichtsschreibung erfahren hat,  mit deren protestantischer Prägung zusammenhängt, ist schwer zu sagen, klar ist aber heute, wie bedeutend er für die Herausbildung dessen, was wir “Die Klassik” nennen war! Und Zeuge dafür ist niemand geringeres als W.A. Mozart, mit dem ihn auch persönlich ein ausgezeichnetes Verhältnis verband, und der ihn und seine Werke zeitlebens verteidigt hat! 

Johann Christian Bach, porträtiert von Th. Gainsborough (Bild Wikicommons, National Portrait Gallery)

Hier ein ganz zauberhaftes und sehr typisches Magnificat, vermutlich aus seiner italienischen Zeit, für den mitteldeutschen Komponisten aufgeführt u.a. von einem hiesigen Klangkörper, dem Dresdner Kammerchor! 

Gereon Lamers  

Der Adventskalender von Konversionen, Tag 2, Julie und Ferdinand von Anhalt-Köthen

Julie von Anhalt-Köthen, geboren am 4. Januar 1793, gestorben am 27. Januar 1848 und ihr Mann, Herzog Ferdinand von Anhalt-Köthen, geboren am  25. Juni 1769, gestorben am  23. August 1830 wurden am 24. Oktober 1825 in Paris gemeinsam in die Kirche aufgenommen. 

Julie und Ferdinand von Anhalt Köthen (Bilder Wikicommons, Peter Geymayer)

Das Herzogspaar, dessen Ehe leider kinderlos blieb, begründete de facto das katholische Leben im Herzogtum neu. Zwar hatte es auch vorher schon vereinzelt für die unter 50 Katholikinnen und Katholiken seltene Gottesdienste gegeben, jedoch immer sozusagen unter Sondergenehmigung und unter prekären räumlichen Umständen (wer hier an die aktuelle Situation derjenigen denkt, die der hergebrachten Form des Römischen Ritus [vg. “Alte Messe”] anhängen, liegt sicher nicht falsch). 

Nun wurde, nachdem die Konversion mit Genehmigung des Papstes fast ein dreiviertel Jahr geheim gehalten worden war (sie erregte namentlich den Furor von Julies Herkunftsfamilie, des preußischen Königshauses, auch wenn die Herzogin bloß eine illegitime Tochter Königs Fr. Wilhelms II. war), die Pfarrei St. Maria Köthen kanonisch errichtet, die das Gebiet des ganzen Herzogtums umfaßte, und, wenn ich das richtig sehe, dann nicht wieder aufgehoben wurde, sondern später, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, durch weitere (Tochter-) Pfarreien ergänzt wurde. 

Vornehmstes Zeugnis der regen Bautätigkeit, die das Herzogspaar entfaltete, wurde natürlich die große, klassizistische Pfarrkirche St. Maria Himmelfahrt, die wir auch persönlich gut kennen, und Ihrer Aufmerksamkeit sehr empfehlen! Man reibt sich recht die Augen, wenn man in dem doch sehr ruhigen und überschaubaren Köthen dieses Gebäudes angesichtig wird. 

St. Maria Himmelfahrt, Köthen (Bild: Wikicommons, Matthias Alfa)

Wir haben mit der dortigen Gemeinde nur gute Erfahrungen gemacht (einmal haben wir sogar zwei große Eimer Äpfel geschenkt gekriegt 🙂 ) und es ist sehr schön zu sehen, wie man dort der Wiedergründung durch unser heutige Konvertitenpaar gedenkt, hier

O, ja, und seit 2015 verfügt die Kirche über eine weitere Besonderheit: Glasfenster von Michael Triegel! (die Schafe waren übrigens schon da, ob sie jetzt nochmal nach Köthen fahren? 😉 ) 

Köthen, Katholische Kirche, Fenster Pietà von Michael Triegel, 2015 (eigenes Bild)

Köthen, Katholische Kirche, Fenster Mariä Krönung von Michael Triegel, 2015 (eigenes Bild)

 

Ps:  Eine lästige Erkältung ist für die uhrzeitmäßige Verzögerung in der Einstellung der Beiträge gestern und heute verantwortlich, wird hoffentlich bald besser! 

Gereon Lamers 

Der Adventskalender von Konversionen, Tag 1, Sir Alec Guinnes

If I have one regret, it would be that I didn’t take the decision to become a Catholic in my early twenties.

Tatsächlich aber wurde Sir Alec Guinness, geboren am 2. April 1914, gestorben am 5. August 2000 erst mit 42 Jahren, im Jahr 1956 in die Kirche aufgenommen (zu meinem großen Bedauern habe ich das präzise Datum nicht ermitteln können 🙁 ).

Er folgt heute auf Chesterton, weil Chesterton auf eine sehr schöne Weise den Anstoß zu dem Prozeß lieferte, der zu Guinness’ Konversion führte.

Der zu diesem Zeitpunkt nach Phasen des Agnostizismus und Aberglaubens (“Tarot-Karten”) zum, für Briten, “normalen”, d.h. anglikanischen Bekenntnis zurückgekehrte Guinness drehte nämlich in Frankreich eine Episode aus der Verfilmung der berühmten Father Brown Krimis aus der Feder von – G.K. Chesterton!

Hier, so wird berichtet, spazierte er eines Tages noch im Kostüm, also der Soutane, vom Drehort weg, als ein kleiner Junge auf ihn zukam und ihn bei der Hand nahm, um ihn zu begleiten. Guinness konnte kein französisch, so daß er den Irrtum nicht aufklären konnte. Er sagte später selbst dazu:

Als ich meinen Spaziergang fortsetzte, dachte ich darüber nach, daß eine Kirche, die einem Kind ein solches Vertrauen einflößen kann, und Priester, selbst wenn sie unbekannt sind, so leicht zugänglich macht, nicht so intrigant oder so unheimlich sein kann, wie so oft behauptet wird. Ich begann, meine Vorurteile, lange gelehrt und lange verinnerlicht, abzuschütteln.

Was darauf folgte ist eine geradezu klassische Geschichte, Guinness Sohn wurde schwer krank und der Schauspieler legte ein Gelübde ab, jedenfalls ihn katholisch werden zu lassen, was, nach dessen Heilung auch geschah, und einige Zeit später brach sich die richtige Erkenntnis dann auch bei ihm selbst und wenig später bei seiner Frau Bahn.

Alec Guinness blieb bis zum Ende seines Lebens ein frommer, praktizierender Katholik, der. so heißt es, allmorgendlich Psalm 142,8 zitierte, mit dem er den Tag begann:

Auditam fac mihi mane misericordiam tuam, quia in te speravi * Notam fac mihi viam in qua ambulem, quia ad te levavi animam meam.

Und ja, es ist sehr wahrscheinlich, daß er das auf Latein tat, denn ca. aus dem Jahr 1990 berichtet ein Freund von ihm folgende Worte:

Warum nur, warum haben wir jemals die lateinische Liturgie aufgegeben? Sie enthielt Worte, voll des Gewichts von 2.000 Jahren christlicher Theologie, persönlicher Hingabe und täglichen Gebrauchs.

Leider habe ich kein gutes Video gefunden, das Sir Alec als Father Brown zeigt, daher hier eines, das ihn in seiner legendären Rolle als Obi Wan Kenobi zeigt.

Gereon Lamers

Der Adventskalender von Konversionen, Vorabend

Die Winckelmann-Ausstellung in Weimars “Neuem Museum” mag mit beigetragen haben zum Thema des diesjährigen Adventskalenders, aber die endete schon im Jahr 2017…

Da begann nun allerdings weder unsere Faszination mit dem Phänomen, noch endete damals das Interesse daran (wie man sieht 😉 ), aber es war insofern ein typischer Moment, als wir damals wie aus einem Munde in den Ausruf ausbrachen: “Der auch!” 

Ja, ‘der auch’, auch Johann Joachim Winckelmann, “Archäologe, Bibliothekar, Antiquar und Kunstschriftsteller […] Begründer der wissenschaftlichen Archäologie und Kunstgeschichte und […] geistiger Begründer des Klassizismus im deutschsprachigen Raum” (Wikipedia) war – Konvertit.
Und, sehr typisch, wie wir sehen werden, ein höchst umstrittener dazu. 

Nun ist es so, daß, abgesehen davon, daß wir einige Konvertitinnen und Konvertiten persönlich kennen, sie ‘einfach auftauchen’! Immer wieder. Aber nicht ‘einfach so’, sondern regelmäßig in den spannendsten Zusammenhängen, seien diese literarischer, theologischer, kunstwissenschaftlicher oder philosophischer Natur. Und gerade letzteres führt ja obendrein ganz in unsere Nähe, denn wer hätte noch nicht gehört von dem faszinierenden Gedankenlabor der deutschen Frühromantik, das sich Ende des 18. Jahrhunderts in Jena zusammenfand und aus dem so etliche Wege im Schoße der Kirche endeten? 

Umso unverständlicher, daß eine (wenn auch informelle) Institution wie die deutsche Wikipedia in ihrer Personenkategorisierung  (“Mann, Geboren 17xx, Deutscher etc.”) derart entscheidende Informationen unterschlägt, wie ja auch überhaupt häufig die Religions-, bzw. Konfessionszugehörigkeit! Dabei gehört ja nun wirklich nicht viel historische Kenntnis dazu, um schon einmal gehört zu haben, diese Faktoren waren historisch erheblich wichtiger, als sie heute erscheinen (denn ob sie es tatsächlich nicht mehr sind, das steht auf einem ganz anderen Blatt). Jedenfalls müßte aber im Grunde offenkundig sein, eine solch grundstürzende Umorientierung kann schlechterdings nicht ohne Auswirkungen bleiben auf die geistige oder künstlerische “Produktion”, oder? 

Wie dem auch sei, wir werden uns weder von dieser spezifisch modernen Form der Beschränktheit, noch auch von den zahlreichen anderen Vorurteilen über Konversion und Konvertiten von der Beschäftigung mit ihnen abhalten lassen! Wir haben Konvertitinnen und Konvertiten nämlich nicht als “nervige 150%ige” erlebt, die von nichts mehr anderem reden können, (es ist dies vielmehr meist bloß die gereizte Indolenz von Gewohnheits- und bloßen “Sozialchristen”) und schon gar nichts geben wir auf die vom stets sprungbereiten antikatholischen Ressentiment gespeisten Vorwürfe der Irrationalität/Gefühligkeit (diese besonders gern in misogyner Ausprägung), der Anpasserei oder des schieren Karrierismus!

Nein, wir haben, historisch wie zeitgenössisch, eine solche Fülle von verschiedenen und faszinierenden Persönlichkeiten angetroffen, daß wir vielmehr meinen, dies allein sei schon ein Indiz dafür, daß was dran sein muß, an dem, was all diese Menschen, Frauen und Männer, Künstlerinnen und Wissenschaftler, Junge und Alte ihr Heil in “Rom” erkennen ließ um sich, wie der schöne englische Ausdruck sagt, daran zu machen, ‘den Tiber zu durchqueren’. 

Aus dem vorangegangen sollte schon deutlich geworden sein, “Konversion” ist auf PuLa natürlich nicht irgendein beliebiger Wechsel der Glaubensrichtung. Con-versio, Umwendung, Umkehr, Be-kehrung ist die Hinwendung zur Kirche; im Singular. Es ist die, wie es zahllose Konvertiten immer wieder geschildert haben und schildern, Heim-kehr, die Ankunft am Ursprung. Alles andere dagegen ist eine, wenn auch im einzelnen natürlich stark unterschiedlich zu wertende, ‘Entfernung’ davon, schlimmstenfalls ein Abfall. 

An den kommenden 24 Tagen wollen wir hoffentlich sprechende Beispiele bringen für das gerade gesagte und setzen dabei nicht nur auf große und bekannte Namen, sondern auch auf Menschen, von denen Sie eher noch nichts gehört haben dürften. Und wir versuchen erneut einen mitteldeutschen Schwerpunkt, kennt doch das ‘Kernland der Reformation’ das Phänomen sehr wohl auch! 

Wie immer gehe ich auch dieses Jahr in das Vorhaben und bin dabei selber mehr als neugierig auf die Ergebnisse im einzelnen, denn es gibt wieder nicht den fertigen Plan (ob sich das in meiner Pension wohl mal ändern wird? 😉 ) Aber eine wahrhafte, authentische Weihnachtsgeschichte aus unseren Tagen kann ich Ihnen schon heute für den Heiligabend versprechen (danke, A.D.!)! 

Heute aber beginnen wir im Sinne der obligatorischen Kostprobe mit einem „alten Bekannten”, dem großen Gilbert Keith Chesterton, dem der allererste Adventskalender hier auf PuLa gewidmet war – und dies ist nun schon der zwölfte. 

Chesterton bei der Arbeit (Wikicommons)

Was ich damals über Gilbert Keith Chesterton, geboren am 29. Mai 1874, am 30. Juli 1922 in die Kirche aufgenommen, gestorben am 14. Juni 1936, geschrieben habe, vor allem, daß Sie für „intelligentes Lob über ihn” nicht auf PuLa angewiesen sind, das können Sie hier nachlesen.

Heute von ihm daher “nur” das Gedicht, das er aus Anlaß seiner Konversion geschrieben hat.

Viel Vergnügen und eine gesegnete Adventszeit!

 

The Convert

After one moment when I bowed my head
And the whole world turned over and came upright,
And I came out where the old road shone white.
I walked the ways and heard what all men said,
Forests of tongues, like autumn leaves unshed,
Being not unlovable but strange and light;
Old riddles and new creeds, not in despite
But softly, as men smile about the dead

The sages have a hundred maps to give
That trace their crawling cosmos like a tree,
They rattle reason out through many a sieve
That stores the sand and lets the gold go free:
And all these things are less than dust to me
Because my name is Lazarus and I live.

 

(Ohne Anspruch auf literarische Qualität, nur zur groben Orientierung!

Nach dem einen Augenblick, in dem ich meinen Kopf beugte
Und sich die ganze Welt drehte und jetzt aufrecht dastand,
Und ich herauskam, wo die alte Straße weiß leuchtete.
Ging ich die Wege und lauschte, was sie alle sagten,
Wälder von Zungen, wie Blätter im Herbst, nicht abgeworfen,
Nicht unliebenswert, aber seltsam und leichtgewichtig;
Alte Rätsel und neue Glaubensbekenntnisse, hörte ich, nicht in Abwehr
Aber leise, wie man über die Toten lächelt

Die Schlauen haben hundert Landkarten, zu vergeben,
die ihren krabbelnden Kosmos wie einen Baum nachzeichnen,
Sie schütteln Vernunft heraus durch so manch ein Sieb
Das den Sand bewahrt und das Gold durchfallen läßt:
Und all diese Dinge sind mir weniger als Staub
Denn mein Name ist Lazarus und ich lebe.)

 

Gereon Lamers 

Gott (m/w/d)?

Oder „Wie spricht man einen Stern aus?“
Wie Pfarrer Gothe
den Gottesnamen rettete

 

Eigentlich habe ich momentan überhaupt keine Zeit, über anderes als meine ganz direkte Arbeit nachzudenken. Aber der diesjährige Weihnachtspfarrbrief rückt die gleichermaßen drängende Arbeit an einem Vortrag, einer Singspielkomposition und einem Förderantrag für Kinderchorprojekte denn doch für eine Stunde in den Hintergrund. Denn so sieht er aus:

Weihnachtspfarrbrief, Herz Jesu Weimar 2022

Ein Stich von Gustave Doré, auf dem Josef und der Jesusknabe sich voller Sorge nach möglichen Verfolgern umzuschauen scheinen, während Maria erkennbar sehnsuchtsvoll in eine sichere Zukunft im ägyptischen Exil blickt, macht den zweiten Schritt vor dem ersten. Zur Zeit warten wir ja noch auf die Ankunft dessen, der hier schon das erste Mal vor den Menschen fliehen muß. Überlagert hier eine Verbeugung vor den Themen der Tagespolitik einmal wieder die Verkündigung des Überzeitlichen? Das wäre ja leider nicht das erste Mal.

Aber „verstörender“, wie Pfarrer Gothe in seinem einleitenden Geistlichen Wort auf Seite 3 des Briefes zu Recht schreibt, ist – auf den zweiten Blick – der Schriftzug „G*tt“. Auf den zweiten Blick. Denn die erste Assoziation wird sicherlich bei vielen von uns der Nachahmung einer jüdischen Tradition gelten. Das Hebräische schreibt nur Konsonanten und erst masoretische Autoren des Mittelalters haben das Tetragramm vokalisiert.

Zudem beachtet das Judentum eine „vermeidende Schreibweise“ des göttlichen Namens, um Mißbrauch, Beschmutzung und Zerstörung dieses Namens unmöglich zu machen.

Das Lateinische allerdings schreibt Vokale. Und die Vermeidung des Gottesnamens (zumal man sich gerade in der jüdischen Theologie offenbar einig ist, den Begriff ‚Gott‘ nicht als Eigennamen vergleichbar JHWH, sondern als Gattungsbezeichnung anzusehen) ist meines Erachtens für uns Christen ebensowenig bindend vorgeschrieben wie das Schächten für koscheres Fleisch. Die Schreibweisen G’tt/ G“tt/ G-tt/ G!tt oder G+tt sind daher meines Erachtens irgendwo zwischen woker cultural appropiation und falsch verstandener Toleranz (Toleranz nämlich als Nachahmung, nicht Respektieren eines Andern) zu verorten. Weswegen ein jüdisches Publikationsorgan denn auch Rabbi Alfred J. Kolatch zitiert, der „diese Schreibung ‚für nichts weiter als eine vorübergehende Mode‘“ hält. 

Aber:

Die Katholische Studierende Jugend (KSJ) hat 2020 beschlossen, nicht mehr ‚Gott‘, sondern ‚Gott*‘ zu schreiben. Die Katholische Junge Gemeinde macht es ihr nach und verwendet ‚Gott+‘.“
(Pfr. Gothe im Pfarrbrief 2022, S. 3)

Tja. Das ist zugegebenermaßen beides noch schlimmer als das oben bereits Zitierte, wenn man davon absieht, daß ich bei der Schreibung „G!tt“ an das Wort „Igitt“ denken mußte. Mit Zeichen ist halt nicht zu spaßen …

Der Begriff Gott mit Gendersternchen … Das legt ihn erst noch einmal so richtig auf das männliche Geschlecht fest. Denn wenn Gott alles umfaßt, insbesondere eine väterliche und eine mütterliche Seite – was könnte aus unserer beschränkten menschlichen Sicht hinzuzufügen bleiben? Gott+ schließlich ruft eine womöglich noch unpassendere Assoziation ab. Der Begriff „Freundschaft plus“ („F+“) bezeichnet seit einigen Jahren ja die Konstruktion einer geplanten Unverbindlichkeit im sexuellen Umgang zweier Menschen. Und Gott mag ja alles mögliche sein – unverbindlich ist Er/Sie/Es nicht! Oder haben Sie je Sorge gehabt, daß eines Morgens irgendwo hinter den Kulissen die Idee aufkommen könnte, heute die Sonne mal nicht aufgehen zu lassen? In den Mythen der Azteken werden solche Ängste formuliert. Hierzulande sind sie eher unüblich. Und auch wenn Pfr. Gothe uns in seinem Geistlichen Wort zu Recht ermahnt, Gott (ich ergänze mal: obwohl Grundlage allen Lebens, ja überhaupt all dessen, was uns vorstellbar ist) vielleicht als selbstverständlich zu nehmen, nicht aber zu selbstverständlich von Ihm/Ihr zu reden, ist Seine Treue doch etwas, worauf wir uns unbedingt verlassen können.

Und so präferiert Pfr. Gothe denn auch die Schreibung „G*tt“:

G*TT gefällt mir noch besser, denn die provozierende Schriftzeichenfolge hat etwas Weihnachtliches.

Das nun, liebe PuLa-Leser, ist brillant! Das ist wirklich schlechterdings genial. Mit diesem – und ich formuliere das folgende voller Hochachtung und Sympathie – semantischen Taschenspielertrick knüpft unser Pfarrer, man kann es nicht anders sagen, an seine besseren Zeiten zu Beginn seiner hiesigen Amtszeit, konkret an den Herbst 2015 an. Gastierte am 20. November 2015 doch der Thüringer Landesjugendchor unter Nikolaus Müller in Herz Jesu Weimar und hatte sich den Nexus „Mensch und Gott“ zum Motto der Werkauswahl gesetzt. In einer Ansprache im Verlauf des Konzertes machte unser damals noch in jeder Hinsicht frische und erfrischende Pfarrer Gothe (noch kein Vierteljahr im Amt) aus der im Motto insinuierten Begegnung zweier Wesen schlicht eine kleine Predigt über die Doppelnatur Jesu: Mensch und Gott? (Nur) Christus ist MenschundGott! (Nebenbei: Zur ebenso verbindenden wie trennenden Funktion des „Wörtchens ‚und‘“ vgl. übrigens das sehr philosophische Liebesduett im zweiten Akt von Tristan und Isolde 😉 . Klammer zu.). Das war genial. Wir waren im Wortsinne begeistert.

Ein ebenso brillanter Schachzug gelingt Pfr. Gothe nun im diesjährigen Pfarrbrief wieder. In schlichter und scheinbar völlig naiver Übergehung sämtlicher intendierten zeitgebundenen Assoziationen gibt er in der Lesart des Gendersternchens als Stern von Betlehem dem Namen Gottes alle Reinheit und Unschuld wieder, die modische Schreibexperimente ihm nehmen (wollen). Und es kommt noch besser. Sogar die vieldiskutierte Genderpause – das Moderatoren derzeit verordnete Stocken vor jedem „–innen“ – wird thematisiert und ebenfalls dem Anlaß entsprechend neu gedeutet:

Wie spricht man einen Stern aus? Die Zunge stolpert und stockt. Uns fehlen die Worte, angemessen von Gott, seinem Wesen und Wirken zu sprechen. Und das muß uns bewußt bleiben, um nicht zu selbstverständlich von dem zu reden, was nicht selbstverständlich ist: Gott.

Wie heißt es in einer „vermeidenden Sprechweise“ des Jüdischen so schön? Ha-Kadósch, ba-rúch hú! – Der Heilige, gepriesen sei er!

 

Cornelie Becker-Lamers

 

PS: Hm! Also, mir einfachem Menschen stellt sich ja bei allem Einverständnis mit diesen Beobachtungen doch die Frage: Was hat denn diese schlaue Dekonstruktion, dieses pfiffige Unterlaufen intendierter Pseudo-Bedeutsamkeit überhaupt erst erforderlich gemacht? Anders gesagt: Warum überhaupt diese überflüssige Zeichenspielerei auf dem Cover des Pfarrbriefs? Aber vermutlich muß die Frage ja eher lauten: Wer hat sie erforderlich gemacht? Und dann schließe ich mich dem ‘Chapeau, Herr Pfarrer’ natürlich nur umso lieber an. 😉 

Gereon Lamers 

Der Ersatzaltar, Ein Sketchlet zum ersten Advent

Ein Sketchlet für fünf Schafe, zwei Lämmchen und so viele Schafstatisten, wie auf die Ladefläche des Pritschenwagens passen

Brandenburg, auf der Bundesautobahn 10. Schon mächtig im Verlauf der nautischen Dämmerung – mit anderen Worten: es ist, obwohl gerade später Nachmittag, bereits stockfinster – umfährt der uns bekannte Pritschenwagen Berlin in östlicher Richtung. Wie immer, ist die Ladefläche im Winter durch eine Plane abgedeckt. Und wie immerhört man es darunter lebhaft diskutieren. Wir wissen, was das bedeutet: Die Schafe waren wieder einmal unterwegs. Wenigstens hört man auf diesem Wege endlich einmal wieder von ihnen. Wo ging es denn diesmal hin? Hm. Wir schnappen Stichworte auf wie Weltkulturerbe, UNESCO, Stifterfiguren und Triegel. Sie werden doch nicht im Naumburger Dom gewesen sein? 

Flocke: Aber was dieser eine Herr da meinte: Man kann ja den Altar zuklappen. Es ist schließlich ein Flügelaltar. Und dann sieht man alle Figuren wieder.

Wolle: Und außerdem: Wenn da mal ein Altar gestanden hat … die Hochaltäre verdecken doch immer was, Fenster und so …

Kohle: Es geht ja auch um Prächtigkeit und Verschwendung.

Grauchen: … ging … Das ist lange her …

Blütenweiß: Jedenfalls guckt die Uta jetzt genau auf den Altar … ist doch auch eine Sichtachse …

Kohle: Wer weiß, was sich im Kölner Dom für Sichtachsen ergäben, wenn man ihn halb leer räumt … (Die Schafe lachen.)

Flocke: Also paßt schon!

Wolle: Um Altäre in die Kirchen zu bringen, muß man ja nicht immer warten, bis sie Museen geworden sind

Fixi (hat die ganze Zeit mit Huf geflüstert): Dürfen wir mal was ganz Dummes fragen?

Flocke (mütterlich): Es gibt keine dummen Fragen, Fixi und Huf! Was möchtet ihr denn wissen?

Huf: Was wollte Triegel eigentlich darstellen?

Flocke (lächelt milde): Na, die Mutter Maria mit dem Jesuskind.

Huf: Und die ganzen Figuren um sie rum?

Wolle: Du meinst, die hinter ihr stehen?

Blütenweiß: Vielleicht stellte das zerstörte Bild die Heilige Sippe dar?

Grauchen: Das wird es sein! Deshalb hat Triegel auch seine Frau hinter seine Tochter gemalt, die die Maria darstellt.

Huf: Das Bildmotiv der Heiligen Sippe hat doch aber paradoxerweise den Bildersturm überstanden  … Da gab es doch mal diesen Vortrag bei unseren Senioren …

Die Schafe blicken sich betroffen an.

Kohle: Da hast du recht. Na dann vielleicht … die Vierzehn Nothelfer?!

Flocke: Genau! Wie auf der berühmten Einhornverkündigung im Erfurter Dom.

Wolle (setzt die Mosaiksteine zusammen, zufrieden): Triegel ist ja gebürtiger Erfurter!

Fixi: Es sind aber nur zehn Erwachsene hinter der Maria.

Huf: Und nur eine hat ein Attribut … das Lamm … das wäre eigentlich Agnes.

Fixi: Aber da sie die einzige ist, wissen wir nicht, ob sie überhaupt die Agnes darstellen soll. Ist das Bildmotiv überhaupt eine ‚Sacra Conversazione‘? 

Grauchen: Einer hat einen Schlüssel …

Fixi: Das ist aber doch der Venezianische Obdachlose mit der Basecap … stellt man so heutzutage Petrus dar?

Die Schafe grübeln.

Huf (in die Stille hinein, in der man nur den Motor des Pritschenwagens tuckern hört): Und die drei Frauen hinten links sind Stifterinnen … die malt man eigentlich in den Vordergrund unten hin, ein bißchen kleiner als die Heiligen …

Fixi: … wie auf den Seitenflügeln …

Huf: Und die Musikerinnen sind keine Engel …

Fixi: Und das eigentlich sehr korrekte Spruchband gehört zur Heimsuchung.

Flocke: Spruchband? Hilf mir noch mal!

Huf: Da steht Magnificat anima mea

Kohle (nach einer Schrecksekunde): Najaaaa … so genau …

Fixi (altklug): Ikonographie ist immer genau! Sonst funktioniert sie nämlich nicht.

Huf: Und Triegel stellt hier so vieles nicht dar, daß wir uns fragen, was er eigentlich darstellt … außer mal wieder seiner Frau …

Die Schafe schweigen betreten.

Blütenweiß (etwas hilflos): Aber der Goldgrund … Und der Faltenwurf!

Kohle (beifällig!): Der Faltenwurf!!!

Wolle (erleichtert): Der Faaaaltenwurf!!!

Blütenweiß: Und dieser Brokathintergrund … Das ist doch auch sehr eingeführt …

Fixi: Hm. Ist normalerweise kein Tuch …

Flocke (rasch): Die Brokatfläche soll übrigens ein Schutzmantel sein.

Grauchen (erleichtert): Na bitte! Da haben wir es doch! Eine Schutzmantelmadonna.

Fixi: Bei der die Menschen nicht unter den Mantel fliehen, sondern ihn selber aufspannen …?

Huf (platzt heraus): Nach dem Motto: „Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner!“

Fixi: Menschen bauen den göttlichen Schutz auf?

Huf: Also ich weiß ja nicht …

Fixi: Da sind wir bald bei Sartre … Gott als Gedankenkonstrukt des Menschen …

Kohle: Neineineineinein!!! Das würde Triegel völlig verfehlen!

Grauchen: Ihr müßt bedenken, daß er durch seine Arbeit an den christlichen Motiven ja wirklich zum Glauben gefunden hat! Ist seit acht Jahren katholisch.

Blütenweiß: Und da haben wir eben auch endlich mal einen Maler, der so perfekt malen kann und einen zerstörten Mittelteil eines Cranach-Altars ersetzen!

Kohle (brummt): Maler, die berückende Physiognomien aufs Papier zaubern, gibt’s allerdings schon noch paar mehr. Die Frage ist, wie Triegel es geschafft hat, von den kirchlichen Kunstkommissionen nicht gerade wegen seiner Gegenständlichkeit aussortiert zu werden …

Fixi: Mir ist es eigentlich auch zu perfekt.

Wolle (platzt heraus): Na, was denn nun noch?!

Huf: Doch, doch. Ich finde, Fixi hat recht. Irgendwas fehlt.

Fixi: Der Funke springt nicht über.

Huf: Das Bild wirkt flächig, wie plastisch er auch malt …

Fixi: Die Figuren und Attribute wirken wie additiv nebeneinander gesetzt …

Huf: Der Bildraum kriegt keine Tiefe …

Fixi: Seine Perspektive hat was von M.C.Escher …

Blütenweiß (nachdenklich): Hm! Er malt ja auch oft die Figuren wie auf einer Bühne …

Wolle: Ausgestellt …

Grauchen (ebenso): Vor schwarzem Hintergrund …

Kohle: Na, der ist immerhin in Naumburg golden.

Flocke: Kommt! Laßt uns nochmal ein paar Fotos vom Altar anschauen. Ihr habt mich jetzt ganz verunsichert. Huf, hast du unser Tablet greifbar?

Der Pritschenwagen bremst.

Huf: Ich glaub, das lohnt nicht mehr …

Fixi (steckt die Schnauze unter der Plane hervor, freudig): Wir sind zuhause!

 

ENDE

 

Cornelie Becker-Lamers

 

PS: Diese Schafe! Bloß gut, daß sich in Naumburg noch eine Woche lang jeder selbst ein Bild vom Bild machen kann. Und auch dann ist der Altar nicht von der Bildfläche verschwunden, sondern kommt erstmal nach Paderborn.

Hier zur Gedächtnisstütze für die Ausführungen der beiden Lämmchen noch einige Aufnahmen der Schafe von ihrem Naumburg-Ausflug:

So sieht der Westchor des Naumburger Doms gerade aus

 

Das ist der Altar von etwas näher dran

 

Aus diesem Blickwinkel sieht man sehr schön, daß Michael Triegel seinen Christus (Altarrückseite) vor genau der Architektur des Naumburger Lettners gemalt hat.

 

Hier wollen die Schafe vermutlich zeigen, daß Uta wirklich genau auf den Altar schaut, nämlich auf die Rückseite des rechten Flügels mit der Gestalt der Barbara.

 

Hier sieht man tatsächlich sehr gut, daß sich bei aller Plastizität der Darstellung und dem tiefen Griff in die Trickkiste perspektivischer Darstellung eine wirkliche Raumwirkung auf den Bildern Michael Triegels nicht einstellen will.

 

(Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von Fixi und Huf)

Rabumm!

Was für ein wunderbarer Anblick, gestern bei schönstem Abendsonnenschein, als der Pfarrhof bis auf die Straße überlief vor Menschen mit Kindern und Laternen. Denn so schwer sich unsere Pfarrei inzwischen wieder tut, eigene Kinder- und Jugendarbeit auf die Beine zu stellen, so sicher profitieren wir auch in Weimar von den über Jahrhunderte gewachsenen Bräuchen und Feiern der Kirche.

So auch zu Sankt Martin, das allerdings hier, im „Kernland der Reformation“, zu Luthers Geburtstag begangen wird. Aber das Martinsspiel auf dem katholischen Pfarrhof stellt wie eh und je die Mantelteilung vor den Toren Amiens im Jahre 334 nach Christus nach, bevor es zünftig in einem, von einem (diesmal von einem Mädchen gerittenen) Roß angeführten Zug mit Laternen (und hoffentlich Gesang) zur Lutherfeier auf dem Herderplatz vor die evangelische Stadtkirche geht.

Aber wenn wir heute, heimgekehrt vom Hörnchenteilen auf dem Herderplatz, die Martinsgans essen – zu wessen Ehre wird es eigentlich sein? Ist es ein getaufter Brauch und die Gans ist Wotans Gans? Wotans, dem die Gänse heilig waren? Oder beziehen Protestanten das Gänseessen zu Recht auf Jan Hus, weil der Name Hus im Tschechischen ja die Gans bedeutet? Essen wir aus Rache oder zum Dank eine Gans, weil Gänse als die besseren Wachhunde den Heiligen Martin verraten haben sollen, als er sich im Jahr 370 im Gänsestall vor dem Bischofsamt versteckte?

Oder hat sich das Gänseessen irgendwann eingebürgert, weil man nicht alle Tiere über den Winter bringen konnte, sondern die Zahl der Gänse dezimieren mußte? Erinnert es daran, wie der Bauer früher die Gans aufteilte und Knecht und Magd die Keulen bekamen, damit sie auch im folgenden Jahr immer tüchtig möchten laufen können? (Der Hausherr selber nagte übrigens das Brustbein ab, um aus der Farbe des Knochens das Wetter des kommenden Jahres herauszulesen.) Ißt man noch heute eine Gans, weil die Landarbeiter, die zu Sankt Martin entlohnt und über den Winter nach Hause entlassen wurden, mit Naturalien bezahlt wurden? Oder ist es, weil der Festtag des Sankt Martin ein zweiter „mardi gras“ – ein „Martin gras“ sozusagen –, also ein zweiter Faschingsdienstag ist, an dem man sich vor dem Beginn der sechswöchigen Fastenzeit in Vorbereitung auf Weihnachten noch einmal richtig den Bauch vollschlug?

Denn von Martin sind es genau sechs Wochen bis Weihnachten. Zuzeiten markierte dieses Datum auch den Winteranfang. Die zeitliche Relation zur Heiligen Nacht wird gerne erwähnt, wenn man hervorhebt, daß bei Sankt Martin nicht der Todestag, sondern der Tag der Beisetzung begangen wird. Gestorben ist Martin (übrigens der erste Heilige, der nicht als Blutzeuge – Märtyrer – sterben mußte, sondern seine Heiligkeit aus einem Leben als Bekenner und Nachfolger Christi ableiten kann) nämlich zufällig auf einer Reise in Candes.

Natürlich haben die Leute aus dem 50 km entfernten Tours die Leiche geraubt. So weit käme es noch, daß ihr Heiliger, ihr Bischof, dessen Reliquien Ruhm und Prosperität der Stadt versprachen, nicht zuhause beerdigt werden sollte … Da die Bewohner von Candes die in jedem Sinne teuren und wertvollen Überreste, die ihnen da so unverhofft zuteil geworden waren, allerdings bewachten, wurde die Leiche durchs Fenster hinaustransportiert.

Viele Geschichten gibt es zu erzählen rund um den Heiligen Martin. Ich tue das gerade in der Erwachsenenbildung, wo ich einigen wißbegierigen Menschen das Kirchenjahr mit Festen und Bräuchen nahebringe. Macht allen Beteiligten unglaublich viel Spaß – doch wie immer hat die vorbereitende Person vermutlich selber am meisten davon.

 

Cornelie Becker-Lamers

 

Der Heilige Martin, erkennbar an seinem Attribut, der Gans zu seinen Füßen (Pfarrkirche in St. Michael im Lungau; eigenes Bild)