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Das Nikolausrätsel 1/2

Wundersdorf, Oderbruch. Die allseits bekannte Schafweide. Trotz der Eiseskälte stehen die Schafe dicht gedrängt am Gatter und drücken sich die Schnauzen platt. Auf irgend etwas scheinen sie zu warten …

Ein Schaf: Warum kommt er nicht?

Ein anderes Schaf: Vorhin dachte ich, ich hätte etwas Rotes durch die Luft fliegen sehen. Aber dann war er es doch nicht …

Ein drittes Schaf: Warten wir noch ein bißchen!

Ein viertes Schaf: Das wird schon!

Die armen Schafe! Offenbar war der Nikolaus noch nicht da und scheint auch nicht in Sicht zu sein. Ob ihm etwas zugestoßen ist? – Naja, in den nächsten Tagen werden wir es sicherlich erfahren.

Der Adventskalender mit der Droste, Tag 6

Heute mit Video, siehe unten!

Am dritten Sonntage nach Ostern

»Über ein kleines werdet ihr mich sehen.« [Joh. 16, 16]

Ich seh dich nicht!
Wo bist du denn, o Hort, o Lebenshauch?
Kannst du nicht wehen, daß mein Ohr es hört?
Was nebelst, was verflatterst du wie Rauch,
Wenn sich das Aug‘ nach deinen Zeichen kehrt?
Mein Wüstenlicht,
Mein Aaronsstab, der lieblich könnte grünen,
Du tust es nicht;
So muß ich eigne Schuld und Torheit sühnen!

Heiß ist der Tag;
Die Sonne prallt von meiner Zelle Wand,
Ein traulich Vöglein flattert ein und aus;
Sein glänzend Auge fragt mich unverwandt:
Schaut nicht der Herr zu diesen Fenstern aus?
Was fragst du nach?
Die Stirne muß ich senken und erröten.
O bittre Schmach!
Mein Wissen mußte meinen Glauben töten.

Die Wolke steigt,
Und langsam über den azurnen Bau
Hat eine Schwefelhülle sich gelegt.
Die Lüfte wehn so seufzervoll und lau
Und Angstgestöhn sich in den Zweigen regt;
Die Herde keucht.
Was fühlt das stumpfe Tier, ist’s deine Schwüle?
Ich steh gebeugt;
Mein Herr berühre mich, daß ich dich fühle!

Ein Donnerschlag!
Entsetzen hat den kranken Wald gepackt.
Ich sehe, wie im Nest mein Vogel duckt,
Wie Ast an Ast sich ächzend reibt und knackt,
Wie Blitz an Blitz durch Schwefelgassen zuckt;
Ich schau ihm nach.
Ist’s deine Leuchte nicht, gewaltig Wesen?
Warum denn, ach!
Warum nur fällt mir ein was ich gelesen?

Das Dunkel weicht;
Und wie ein leises Weinen fällt herab
Der Wolkentau; Geflüster fern und nah.
Die Sonne senkt den goldnen Gnadenstab,
Und plötzlich steht der Friedensbogen da.
Wie? wird denn feucht
Mein Auge, ist nicht Dunstgebild der Regen?
Mir wird so leicht!
Wie? kann denn Halmes Reibung mich bewegen?

Auf Bergeshöhn
Stand ein Prophet und suchte dich wie ich:
Da brach ein Sturm der Riesenfichte Ast,
Da fraß ein Feuer durch die Wipfel sich;
Doch unerschüttert stand der Wüste Gast.
Da kam ein Wehn
Wie Gnadenhauch und zitternd überwunden
Sank der Prophet,
Und weinte laut und hatte dich gefunden.

Hat denn dein Hauch
Verkündet mir, was sich im Sturme barg,
Was nicht im Blitze sich enträtselt hat?
So will ich harren auch, schon wächst mein Sarg,
Der Regen fällt auf meine Schlummerstatt.
Dann wird wie Rauch
Entschwinden eitler Weisheit Nebelschemen,
Dann schau ich auch,
»Und meine Freude wird mir niemand nehmen.«


Annette von Droste-Hülshoff

Der große mitteldeutsche 😉 Komponist Händel hat mit dem folgenden Duett aus dem Oratorium L’Allegro, il Penseroso ed il Moderato (Premiere im Februar 1740) nicht nur Musik geschaffen, so schön, daß sie vielleicht erreicht, aber m.E. nicht übertroffen werden konnte, nein, er hat, recht betrachtet, auch echt adventliche Musik geschrieben! Hören Sie nur:

 

Der Text:

As steals the morn upon the night,
And melts the shades away:
So Truth does Fancy’s charm dissolve,
And rising Reason puts to flight
The fumes that did the mind involve,
Restoring intellectual day.

basierend auf William Shakespeares „Tempest“ (Akt 5, Szene 1) aufgegriffen von John Milton und dann verarbeitet von Händels Librettisten Charles Jennens wird gerne als „aufklärerisch“ verstanden, immer nach dem Motto: Wo „Verstand“ (Reason) draufsteht, da kann „natürlich“ nur Weltliches gemeint sein, die „Wissenschaft“.

Und in der Tat, das ist eine der größten und unseligsten Propagandaleistungen der „Aufklärer“ und ihrer Nachbeter bis heute, die es geschafft haben, daß die so verstandene „Wahrheit“ (Truth) in einen Gegensatz gerückt wird zum (trügerischen) „Zauber“ (charm) bloßer „Neigung“ (fancy), der seinerseits identifiziert wird mit der als Aberglauben verunglimpften Religion.
Seufz! 🙁
Aber das ist natürlich alles Unsinn. Zunächst ist schon rein historisch darauf hinzuweisen, daß wir es hier nicht mit dem zu tun haben, was gemeinhin mit „Aufklärung“ assoziiert wird, nämlich deren vorwiegend französisch dominierte Spätphase, 30, 40 Jahre später, mit ihrer ausgeprägt antichristlichen Tendenz. Haltungen, die den Freunden Händel und Jennens, der einer besonders strengen Richtung des Anglikanismus anhing, völlig fremd waren.
Weiterhin ist ja inzwischen nun wirklich jedermann klar und über-deutlich geworden, daß der Versuch auf der Basis der „Aufklärung“ eine in sich schlüssige und tragfähige Begründung allgemein verbindlichen moralischen Wertens und Verhaltens zu finden, die in der Lage wäre, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gewährleisten, als gescheitert gelten muß. Seit langem. Was letztlich genau daran liegt, daß diese Versuche an der epistemologischen Frage, was denn „Wahrheit“ wirklich sei, scheitern müssen.

Dieses Ungenügen an dem vermeintlichen (Bücher-) Wissen, das die Wahrheit nicht erschöpfend umfaßt, hat die Droste auch bereits schmerzlich empfunden:

Die Stirne muß ich senken und erröten.
O bittre Schmach!
Mein Wissen mußte meinen Glauben töten.

Und:

Ist’s deine Leuchte nicht, gewaltig Wesen?
Warum denn, ach!
Warum nur fällt mir ein was ich gelesen?
(Hervorhebung von mir)

Nun, sie wußte es letztlich dank göttlicher Gnade, wie auch dieses Gedicht zeigt, besser und wir wissen es auch: Die Wahrheit, das ist eine Person und Er hat es uns selbst gesagt: „Ich bin die Wahrheit“. Und er ist der Logos und so muß man folglich diesen Text lesen:

So heißt der HErr unseliger Neigung Zauber sich zu heben,
Und der aufgehende Logos macht fliehen
Die Dünste, die den Geist verstrickten

Oder mit den Worten Annettes:

Dann wird wie Rauch
Entschwinden eitler Weisheit Nebelschemen

Und im Advent hoffen und warten wir genau darauf, auf den „Aufgang“, Seinen Aufgang , den des Logos, den „Ortus“ der Sonne der Gerechtigkeit (Mal 4,2), Christus, den HErrn.

Und deshalb haben Händel&Jennens mit diesem Stück adventliche Musik par excellence geschaffen, die mir bei eben diesem Gedicht einfallen mußte! 🙂

Gereon Lamers

 

 

Der Adventskalender mit der Droste, Tag 5

Am zehnten Sonntage nach Pfingsten

Evangelium: Vom ungerechtem Haushalter

»Darum sage ich euch, machet euch Freunde mit dem ungetreuen Mammon, damit, wenn ihr Mangel leidet, sie euch in die ewigen Wohnungen aufnehmen.« [Lk 16,9]

 

Warum den eitlen Mammon mir
Hast du gesellt nach deinem Willen?
Nicht daß er, eine blanke Zier,
Soll eingefreßne Schäden hüllen;
Auch nicht die flücht’gen Stunden hier
Mit frischem Erdenreiz zu füllen,
Nein, anders wohl;
O was du gibst ist nicht so leer und hohl!

Ich soll mit seinem bunten Strahl
In deinem Segen Wucher treiben;
Für meinen Hunger soll ein Mahl
Ich in die ew’ge Rechnung schreiben;
Und meiner Blöße, matt und fahl,
Soll er ein warmer Mantel bleiben,
Wenn bricht herein
Die Zeit, wo stäubt und rostet, was nicht mein.

Dann bin ich krank und ganz verarmt,
Dann wird der bittre Mangel kommen,
Wo starrt, woran mein Herz erwarmt,
Zerstäubt, woher ich Trost genommen;
Wenn deine Hand sich nicht erbarmt
Und zeichnet noch zu meinem Frommen
In Mildigkeit
Den Heller heimgelegt für jene Zeit.

Laß, Herr, in jener Stunde Macht
Mich nicht so hülfeweinend fallen!
Die vor mir steht wie Chaos‘ Nacht,
Wie Dunkel über Dunkel wallen.
Weh mir, ich hab‘ es nicht bedacht!
So laß es mir fortan vor allen
Gewärtig sein;
O rege mich durch Milde oder Pein!

Laß mich hinfort der Worte Gold
Ausgeben mit des Wuchrers Sorgen,
Daß, wenn das Heute nun entrollt,
Mir nicht verloren ist das Morgen;
Laß mich bedenken, daß der Sold,
Den eitlem Ruhm ich mußte borgen,
Genommen ward
Dem goldnen Hort für einst und Gegenwart!

Und eine Feder laß mich nur
Betrachten mit geheimem Beben,
Bedenkend, daß der schwarzen Spur
Folgt leise schleichend Tod und Leben.
Den Pfunden, so mir gab Natur,
O Herr laß Zinsen mich entheben;
Ich bin so arm,
So nur in dem geborgten Pelze warm!

Ach Gott, wie wird mein Herz so schwer,
Gepreßt vom dämmernden Verstande!
Ob es gelingt die Gaben hehr
Zu legen mir auf edle Pfande?
O nur aus deiner Weisheit Meer
Ein einzig Tröpflein mir vom Rande!
Durch des Genuß
Die Galle selbst zu Honig werden muß!

Annette von Droste-Hülshoff

 

Der Adventskalender mit der Droste, Tag 4

Am achten Sonntage nach Pfingsten

Evangelium: Jesus speist 4000 Menschen

Und er sprach zu seinen Jüngern: »Ich habe Mitleiden mit dem Volke, denn seht, sie harren schon drei Tage bei mir, und haben nichts zu essen, und wenn ich sie ungespeiset von mir nach Hause gehen lasse, so werden sie auf dem Wege verschmachten, denn einige aus ihnen sind von ferne gekommen.« Und seine Jünger antworteten: »Wie wird sie jemand hier in der Wüste mit Brod sättigen können?« – Und sie aßen und wurden satt, und huben auf, was von den Brocken übriggeblieben war, sieben Körbe. [Mt 15, 32-39]

 

Wohl sehr erschöpft die Menge war
Und wohl der Hunger nagte sehr,
Da nahmst du treulich ihrer wahr.
Ach, für die Seele matt und leer,
Nach jahrelanger Dürr‘ und Schwüle,

Hast du nicht einen Bissen auch,
Nicht einen Labetrunk für sie,
Nicht einen frischen Gnadenhauch,
Der in der Wüste Brand und Müh‘
Das siedende Gehirne kühle?

Denn sieh, von ferne kam ich ja,
Und ob ich selber mich verbannt:
Du stehst mir drum nicht minder nah.
Wer einmal sich zu dir gewandt
Mit neu erwachendem Gefühle,

Wer einmal aus des Treibers Joch
Sich flüchtete zu deinem Ohr,
Und sei er so verkümmert noch,
Du bist so mild, hältst ihm nicht vor
Der Sklavenpeitsche harte Schwiele.

O rette mich, daß nicht der Trug
Des Hungers mich bezwingen kann,
Daß ich nicht unter Wahnsinns Fluch
Die Hände strecke, greife an
Die gift’ge Frucht am welken Stiele,

So aus dem Paradiese trieb
Und die Erkenntnis wird genannt!
Stiehlt sie das Leben wie ein Dieb:
So lockt sie doch des Gaumens Brand
Mit scheinbar frischen Saftes Spiele.

Ach, nicht die Wüste neben mir,
Die Wüste mir im Busen liegt!
Wo find‘ ich denn, wo find‘ ich hier
Was meinen Hunger nicht betrügt,
Was meine dürre Kehle spüle?

So sprachen deine Jünger auch;
Du Gnäd’ger fandest doch ein Brod,
Wo sengenden Samumes Hauch
Dir keine fromme Ähre bot,
Nur Sand und stäubendes Gewühle.

»Da aßen sie und wurden satt,
Und sammelten was übrigblieb«;
War keiner krank mehr, keiner matt
Und der Genesne ward dir lieb,
So lieb als der Gesunden viele.

Annette von Droste-Hülshoff

Der Adventskalender mit der Droste, Tag 3

Am Christihimmelfahrtstage 

[Hinweis: Annette v. Droste Hülshoff hat nicht zu allen Gedichten die Perikope des Tages (hier wäre sie aus Mk 16) vermerkt. Wo sie das nicht getan hat, wie z.B. zu diesem Festtag, nehmen die Verse auch nicht explizit auf das Tagesevangelium Bezug, und ich lasse es daher selbstverständlich ebenfalls weg]


Er war ihr eigen drei und dreißig Jahr.
Die Zeit ist hin, ist hin!
Wie ist sie doch nun alles Glanzes bar,
Die öde Erd‘, auf der ich atm‘ und bin!
Warum durft‘ ich nicht leben, als sein Hauch
Die Luft versüßte, als sein reines Aug‘
Gesegnet jedes Kraut und jeden Stein?
Warum nicht mich? Warum nicht mich allein
O Herr, du hättest mich gesegnet auch!

Dir nachgeschlichen wär‘ ich überall
Und hätte ganz von fern,
Verborgen von gebüschesgrünem Wall,
Geheim betrachtet meinen liebsten Herrn.
Zu Martha hätt‘ ich bittend mich gewandt
Um einen kleinen Dienst für meine Hand:
Vielleicht den Herd zu schüren dir zum Mahl,
Zum Quell zu gehn, zu lüften dir den Saal –
Du hättest meine Liebe wohl erkannt.

Und draußen in des Volkes dichtem Schwarm
Hätt‘ ich versteckt gelauscht,
Und deine Worte, lebensreich und warm,
So gern um jede andre Lust getauscht;
Mit Magdalena hätt‘ ich wollen knien,
Auch meine Träne hätte sollen glühn
Auf deinem Fuß; vielleicht dann, ach, vielleicht
Wohl hätte mich dein selig Wort erreicht:
„Geh hin, auch deine Sünden sind verziehn!“

Umsonst! Und zwei Jahrtausende nun fast
Sind ihrem Schlusse nah‘,
Seitdem die Erde ihren süßen Gast
Zuletzt getragen in Bethania.
Schon längst sind deine Märtyrer erhöht,
Und lange Unkraut hat der Feind gesät;
Gespalten längst ist deiner Kirche Reich,
Und trauernd hängt der mühbeladne Zweig
An deinem Baume; doch die Wurzel steht.

Geboren bin ich in bedrängter Zeit;
Nach langer Glaubensrast
Hat nun verschollner Frevel sich erneut;
Wir tragen wieder eine fast vergeßne Last,
Und wieder deine Opfer stehn geweiht.
Ach, ist nicht Lieben seliger im Leid?
Bist du nicht näher, wenn die Trauer weint.
Wo Drei in deinem Namen sind vereint,
Als Tausenden in Schmuck und Feierkleid?

‚S ist sichtbar, wie die Glaubensflamme reich
Empor im Sturme schlägt,
Wie Mancher, der zuvor Nachtwandlern gleich,
Jetzt frisch und kräftig seine Glieder regt.
Gesundet sind die Kranken; wer da lag
Und träumte, ward vom Stundenschlage wach;
Was sonst zerstreut, verflattert in der Welt,
Das hat um deine Fahne sich gestellt,
Und jeder alte, zähe Firnis brach.

Was will ich mehr? Ist es vergönnt dem Knecht,
Die Gabe seines Herrn
Zu meistern? Was du tust, das sei ihm recht!
Und ist dein Lieben auch ein Flammenstern,
Willst läutern du durch Glut, wie den Asbest,
Dein Eigentum von fauler Flecken Pest:
Wir sehen deine Hand und sind getrost,
Ob über uns die Wetterwolke tost,
Wir sehen deine Hand und stehen fest.

Annette von Droste-Hülshoff

Der Adventskalender mit der Droste, Tag 2

Am zweiundzwanzigsten Sonntage nach Pfingsten

Evangelium: Vom kranken Sohn des Königleins [Joh 4, 49f.]

Das Königlein sprach: Herr! komm doch hinab, ehe denn mein Sohn stirbt!“ Jesus sprach: “ Gehe hin, dein Sohn lebt.“ Und der Mensch glaubte dem Worte, und ging hin.

Der Sonnenstrahl, ein goldner Spieß,
Prallt von des Sees kristallnen Flächen
Und fahrend gen den Marmorflies
Palastes Mauern will durchstechen.
Auf seidnen Polstern windet sich,
Die magern Ärmchen ringt das Kind,
Und eine Träne bitterlich
Noch möchte aus dem Auge lind,
Dem halberstarrten, brechen.

Schon hat der Tod die Hand gelegt
Auf seine Beute ohn‘ Erbarmen;
Doch ob er Eis zum Herzen trägt,
Noch schmilzt im Blutstrom es, dem warmen.
O Jugend, Jugend, wie so fest
Hast du verstrickt das Leben dir,
Wie sich das Schlinggewächse preßt
Mit Wurzeln dort und Fasern hier
Als vielen tausend Armen.

O Anblick, stärker als ein Weib,
Das Wachen, Angst und Kummer nagen!
Betäubt und schwer, gleich totem Leib,
Hat man die Fürstin fortgetragen.
Noch weilt der Vater; wenn ein Sklav‘
Des Bornes frische Labung reicht,
Mit zitternd kalter Hand den Schlaf
Des Kindes netzt er sacht gebeugt
Und flüstert leise Fragen.

Wer regt sich an des Fürsten Ohr?
Menipp, der Jüngling aus Euböa.
»Herr«, keucht er, »hebt den Blick empor!
Herr, der Prophete aus Judäa,
Von dem das ganze Land erfüllt,
Er kömmt, er naht Capharnaum,
Und wie aus hundert Adern quillt
Entgegen ihm und nach und um
Ein Glutstrom Galiläa.«

»Sind denn die alten Götter tot,
So müssen wir die neuen wahren.
Es sei, es sei, und meine Not
Mag sich dem Volke offenbaren!«
Die Rosse stampfen. Einmal schaut
Der Vater auf sein sterbend Kind,
Und nun voran! – »Was rauscht so laut?
Was streicht am Berge wie ein Wind?«
»Herr, des Propheten Scharen!«

O, wie die Angst den Stolz zerbricht!
Demütig, zitternd, als zur Frohne,
Er weiß es nicht, zu wem er spricht,
Doch wie der Sklave vor dem Throne,
Gebrochen steht der reiche Mann.
Die bleiche Lippe zuckt vor Schmerz,
Und heißer, als das Wort es kann,
Viel heißer fleht das bange Herz:
»Hilf, Rabbi, meinem Sohne!«

Ein Murmeln durch die Masse geht,
Erwartend sich die Wangen färben.
»Wenn ihr nicht Wunderzeichen seht,
Dann muß der Zweifel euch verderben!«
So spricht der Heiland abgewandt.
Unwillig rauscht es in dem Kreis;
Doch angstvoll hebt sich eine Hand,
Und wie ein Seufzer quillt es leis:
»Rabbi, mein Sohn will sterben!«

Du hast geglaubt, und wärst du arm
Wie Irus, was dich immer quäle,
Du wahrhaft Reicher, liebewarm
Hast einen Schatz, den Keiner zähle!
O der in dir, als Alles brach,
Es machen konnte froh und still,
Hat er gehört mich, als ich sprach:
Herr, meine Seele sterben will;
O Herr, hilf meiner Seele!

Annette von Droste-Hülshoff

Der Meßbesuch 1/4

Ein Sketchlet zum Ersten Advent für fünf Schafe
und zwei Lämmchen

 

Irgendwo am Stadtrand von Berlin. Der uns wohlbekannte Pritschenwagen tuckert im Sonntagsfahrertempo die B 1 entlang Richtung Osten und biegt soeben auf die Landstraße nach Wundersdorf ein. Nanu? Was gibt es denn am ersten Advent zu transportieren? Schauen wir mal auf die Ladefläche. Oh! Sie ist wegen der Kälte mit einer Plane überspannt. Darunter hört man aber den eifrigen Disput uns wohlbekannter Stimmen: Die Schafe! Na endlich! Das wurde aber auch Zeit, daß sie mal wieder von sich hören lassen. Sie sind also unterwegs. Ok. Wo mögen sie sich herumgetrieben haben? Moment … irgendwie scheinen sie … kann das sein? Sie kommen aus einem lateinischen Hochamt?

 

Huf: Wie der Priester sich immer herumgedreht hat bei der Feier Eucharistie. Immer von Gott zu den Menschen und wieder zurück. Wie ein Vermittler zwischen den Welten.

Kohle: Das hast du gut beobachtet, Huf!

Fixi: Die eine Sache hast du aber falsch mitgebetet, Tante Flocke!

Flocke: Ich? Kann nicht sein! Ich hab doch alles abgelesen – wie alle andern Neulinge auch!

Fixi: Aber alle anderen haben es anders gesagt!

Huf: Genau. Du warst die einzige.

Flocke: Und wann soll das bitte schön gewesen sein?

Fixi: Das direkt vor der Kommunion.

Huf: Wenn man normalerweise betet „Herr ich bin nicht würdig…“

Blütenweiß: Was heißt hier: Normalerweise? Im novus ordo halt.

Wolle: Ich hab’s auch gehört: „Domine, non sum digna“, hast du gesagt. Dreimal.

Fixi: Statt dignus!

Kohle: Na, das dreimal ist ja nicht ihre Schuld – das ist im vetus ordo einfach so! Aber stimmt: warum „digna“?

Flocke (nicht ohne Stolz): Natürlich habe ich „digna“ gebetet. Ich bin doch weiblich! (zu Fixi und Huf) Habt ihr nicht aufgepaßt in Latein? Die Adjektive werden doch an das genus angepaßt! Dignus – digna – dignum.

Kohle: Ja … aber … Moment! Das ist doch ein Zitat aus der Bibel, vom Hauptmann von Kafarnaum …

Grauchen: … wo der Knecht krank ist …

Blütenweiß: … oder der Sohn …

Kohle: …und wo der Hauptmann dann sagt: „Herr, ich bin nicht würdig, daß du eingehst unter mein Dach“…

Flocke (angriffslustig): Ja? Und dann? Dann geht es weiter: „Aber sprich nur ein Wort, so wird mein Diener gesund“.

Wolle: Flocke hat Recht! In der Messe beten wir was anderes. Das ist kein reines Bibelzitat!

Flocke: Das ist auf die einzelnen Gläubigen zugeschnitten: „sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund“! Also – das kann ich nicht beten, als wäre ich ein Schafbock wie du, Kohle!

Kohle: Hm … Vielleicht hast du Recht …

Huf (zu Fixi): Dann mußt du das auch anders lernen!

Fixi: „Domine, non sum digna, ut intres sub tectum meum.

Alle Schafe (fallen ein): Sed tantum dic verbo, et sanabitur anima mea“!

Grauchen: Das ist schön!

Blütenweiß: Mir hat das auch alles gleich gut gefallen.

Kohle: Eine Liturgiesprache hebt alles eben automatisch aus dem Alltag heraus!

Die Schafe: So ist es!

 

ENDE

 

Cornelie Becker-Lamers

 

Diese Schafe! Da machen sie sich auf den Weg und organisieren sich auf eigene Faust einen Meßbesuch im vetus ordo. Tja – wenn diese Messen nicht zu den Schäfchen kommen, müssen die Schäfchen eben irgendwie zu dieser Messe kommen. Von Wundersdorf aus … mal überlegen. Ach ja! In St. Afra werden sie gewesen sein, im Institut Philip Neri, der Gesellschaft päpstlichen Rechts, die Benedikt XVI. ausgestattet und gefördert hat. Na – da bin ich ja mal gespannt, was ihnen sonst noch dazu einfällt … außer Flockes gegendertes, aber eben darum völlig korrektes Domine, non sum digna …

Wir werden sehen! Und das mit dem Hauptmann aus Kafarnaum … dazu geht’s gleich morgen bei Annette von Droste-Hülshoff weiter – wenn auch mit der Parallelstelle bei Joh 4.

 

Fortsetzung folgt am zweiten Advent

 

Der Adventskalender mit der Droste, Tag 1

Am ersten Sonntage im Advent

Evangelium: Eintritt Jesu in Jerusalem [Mt 21, 1-9]

Du bist so mild,
So reich an Duldung, liebster Hort,
Und mußt so wilde Streiter haben;
Dein heilig Bild
Ragt überm stolzen Banner fort,
Und deine Zeichen will man graben
In Speer und funkensprüh’nden Schild.

Mit Spott und Hohn
Gewaffnet hat Parteienwut,
Was deinen sanften Namen träget,
Und klirrend schon
Hat in des frömmsten Lammes Blut
Den Fehdehandschuh man geleget,
Den Zepter auf die Dornenkron‘.

So bleibt es wahr,
Was wandelt durch des Volkes Mund:
Daß, wo man deinen Tempel schauet
So mild und klar,
Dicht neben den geweihten Grund
Der Teufel seine Zelle bauet,
Sich wärmt die Schlange am Altar.

Wenn Stirn an Stirn
Sich drängen mit verwirrtem Schrei
Die Kämpfer um geweihte Sache,
Wenn in dem Hirn
Mehr schwindelt von der Welt Gebräu,
Von Siegesjubel, Ehr und Rache
Mehr zähe Spinngewebe schwirr’n,

Als stark und rein
Der Treue Nothhemd weben sich
Sollt‘, von des Herzens Schlag gerötet:
Wer denkt der Pein,
Durchzuckend wie mit Messern dich,
Als für die Kreuz’ger du gebetet! –
O Herr, sind dies die Diener dein?

Wie liegt der Fluch
Doch über Alle, deren Hand
Noch rührt die Sündenmutter Erde!
Ist’s nicht genug,
Daß sich der Flüchtling wärmt am Brand
Der Hütte? Muß auf deinem Herde
Die Flamme schür’n unsel’ger Trug?

Wer um ein Gut
Der Welt die Sehnsucht sich verdarb,
Den muß der finstre Geist umfahren;
Doch was dein Blut,
Dein heilig Dulden uns erwarb,
Das sollten kniend wir bewahren
Mit starkem aber reinem Mut,

Allmächt’ger du,
In dieser Zeit, wo dringend Not,
Daß rein dein Heiligtum sich zeige,
O, laß nicht zu,
Daß Lästerung, die lauernd droht,
Verschütten darf des Hefens Neige
Und, ach, den klaren Trank dazu!

Laß alle Treu‘
Und allen standhaft echten Mut
Aufflammen immer licht und lichter!
Kein Opfer sei
Zu groß für ein unschätzbar Gut,
Und deine Scharen mögen dichter
Und dichter treten Reih an Reih.

Doch ihr Gewand
Sei weiß, und auf der Stirne wert
Soll keine Falte düster ragen;
In ihrer Hand,
Und faßt die Linke auch das Schwert,
Die Rechte soll den Ölzweig tragen,
Und aufwärts sei der Blick gewandt.

So wirst du früh
Und spät, so wirst du einst und heut‘
Als deine Streiter sie erkennen:
Voll Schweiß und Müh‘,
Demütig, standhaft, friedbereit;
So wirst du deine Scharen nennen
Und Segen strömen über sie.

Annette von Droste-Hülshoff

„Der Ton der sterbenden Löwin“

 Der Adventskalender mit Annette von Droste-Hülshoff, Vorabend

‚Nach dem Adventskalender ist vor dem Adventskalender‘, soll heißen, die Überlegung, was zu Beginn eines jeden neuen Kirchenjahres hier auf PuLa erscheinen soll, begleitet mich, jetzt im neunten Jahr, in unterschiedlicher Intensität durch das ganze Jahr.
Ende Oktober wurde ich daher ein bißchen unruhig. Denn Ideen gab es, Ideen gibt es immer, aber „Ideen“, das sind nicht auch schon „Pläne“, die sich im je konkreten Jahr auch ausführen lassen, in diesem Jahr besonders wenig, das von einer außergewöhnlich hohen und noch anhaltenden dienstlichen Beanspruchung, gepaart mit allerlei politisch-psychologischer Aufregung hier in Thüringen 😉 gekennzeichnet war, die sich erst jetzt gerade immerhin für das Landes-Parlament, in dem ich ja tätig bin, zu legen beginnt.
Freilich, wie wir in einer strukturell vergleichbaren Situation erlebt haben, mehr als eben ein bißchen Unruhe ist auch nicht am Platze!

Der hilfreiche Einfall, er stellte sich am Vorabend von Allerheiligen ein, „All Hallow eve“ brachte keine Spukgestalten, sondern die Lektüre eines kurzen Beitrags über den Vergleich der Leseordnungen in der sog. außerordentlichen und der allgemein üblichen Form des Römischen Ritus. Ein faszinierendes Thema, das, natürlich!, mit einem simplen „Neuer = besser“ in keinster Weise erschöpft wäre. Vielmehr ist es ja schlicht unbestreitbar so, daß heute, im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts, der Grund-Impetus der „Liturgischen Bewegung“, wie sie Ende des 19. Jahrhunderts entstand, die Förderung der Liturgischen Frömmigkeit nämlich, gerade in der älteren Form , die Hl. Messe zu feiern, zu sich selbst gefunden hat. In jener Form, die die Väter dieser Bewegung selbstverständlich vorausgesetzt haben. Darüber wird an geeigneter Stelle einmal noch mehr zu schreiben sein.

In jenem Beitrag jedenfalls wurde als einer der verlustreichen Punkte der Veränderung der Leseordnung die Unmöglichkeit erwähnt, ältere Dichtung, die sich an der hergebrachten Ordnung orientierte, sog. „Perikopenlyrik“, heute noch im praktischen Nachvollzug der Feier des Kirchenjahrs zu rezipieren. Und eines der dort gebrauchten Beispiele war das ‚Geistliche Jahr In Liedern auf alle Sonn- und Festtage‘ aus der Feder von Annette von Droste-Hülshoff.
„Klick“ machte es, und ich hatte „meinen“ Adventskalender für das (bürgerliche) Jahr 2019, zumal eine kurze Recherche ergab, daß die Texte der Gedichte online verfügbar waren, sprich, nicht abgeschrieben werden mußten… Danke!, sagte ich und fing in dem verbliebenen Monat, so gut es ging, an, mich mit diesem Werk zu beschäftigen.

Als die Droste im Mai 1848 starb, war das Werk, das aus gut 70 Gedichten besteht, wie man so sagt, „unvollendet“, sprich, nicht zur sofortigen Publikation bereit. Die Dichterin hatte sich bis unmittelbar vor ihrem Tode damit beschäftigt, nachdem erst in einer zweiten Schaffensphase ab 1839 alle Gedichte entstanden waren, die ersten hingegen schon im Herbst 1820! Es erschien, von Freunden und der Familie „in Form gebracht“ (was natürlich aus editorischer Sicht nicht ohne Probleme verlaufen konnte) Ende des Jahres 1851 und hatte recht schnell und dann anhaltenden Erfolg.

Ende des 19. Jahrhunderts setzte auch die literaturwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Werk ein, die bis in die jüngste Zeit unverändert anhält und dabei alle Wendungen und Moden der Forschung mitgemacht hat und weiterhin mitmacht: Früh trennten sich „westfälische“ (biographische) und „katholische“ Rezeption, letztere besonders (und nicht unbedingt zum besseren) gewendet in der Zeit des Kulturkampfs, selbst einer deutschnationalen Wertung entkommt das Werk der Droste nicht, weitgehend aber wohl jedem Versuch einer Vereinnahmung in der Zeit des Nationalsozialismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr gerade auch das „Geistliche Jahr“ sog. „restaurative“, wie dann auch feministische Betrachtungen und Wertungen und, wie könnte es anders sein, arbeitet sich die Forschung an der Frage der „Modernität“ der Droste im allgemeinen und des Geistlichen Jahres im besonderen ab.

Nun, ich will ganz ehrlich sein, ich hatte nicht die Zeit, aber auch nicht die Neigung, diesen wechselnden Konjunkturen besonders intensiv nachzugehen, das ist ja auch nicht die Aufgabe eines Katholischen Blogs, oder? Es ging mir mit der ansatzweisen Lektüre von Büchern aus den Jahren 1971, 1997 und 2014 ein wenig so, wie es mir immer mit der Lektüre sog. „Historisch-kritischer“ Exegese geht: Vieles (wenn auch bei weitem nicht alles!) sehr interessant, aber die Frage: „Was soll (mir) das?“ bleibt auch gerne unbeantwortet und es ist sehr wichtig, immer im Auge zu behalten, wie zeitgebunden, wie „modisch“ viele dieser Hervorbringungen sind.

Immerhin, die fortdauernde Beschäftigung der Wissenschaft mit der Droste und mit eben diesem Werk sind doch ein deutliches Indiz für die bleibende, die dauerhafte Qualität dieser Dichtung, die einen „packt“ und hinsichtlich derer sich ein gläubiger Mensch mit einem Faible für die Sprache (besonders deren Rhythmus, lesen Sie sich die Verse unbedingt [halb-] laut vor!) angesprochen fühlen wird, da bin ich mir ganz sicher.
Die Gedichte sind, das sei vorweg gesagt, alles andere als leichte Kost und „erbaulich“ nur in einem höheren Sinne, der das Ringen in dem und um den eigenen Glauben mit umschließt! Aber wir wissen ja, der Advent ist keine Zeit der Süßlichkeit und des gemütvollen Tändelns, sondern eine Zeit der, freilich erwartungsvollen, Einkehr und des Fastens, kurz, eine im wesentlichen ernste Zeit der Vor-Freude!

Eine liturgiegeschichtliche Überraschung erwartete mich, als ich mich an die Auswahl der notwendigen 24 Gedichte machte: Selbstverständlich ging ich davon aus, die zu dem jeweiligen Gedicht gehörigen Evangelientexte könnte ich einfach in meinem Volksmissale, das die Ordnung von 1962, letztlich also die von 1570, wiedergibt nachschlagen. Aber von wegen! Gerade das Bistum Münster machte als letzte deutsche Diözese im Jahre 1835 (und damit genau in der Lebenszeit der Droste) Gebrauch vom „privilegium pianum“ nach dem Konzil von Trient und ließ ein diözesanes Eigenmissale drucken, das in seiner Perikopenordnung ausgerechnet auch in Bezug auf die Lesungen der Adventssonntage vom römischen Missale abwich! (Vgl. hier, S. 332 -335, 346) Denken Sie also bitte nicht, ich, oder gar die Dichterin, hätten sich in der Auswahl der biblischen Texte geirrt! 😉

Schließlich bin ich Ihnen noch die Erklärung der Überschrift schuldig: Woher stammt die „sterbende Löwin“? Nun, sie geht letztlich auf die Droste selbst zurück, die den Ausdruck in ihrem Prosabruchstück, „Bei uns zu Lande auf dem Lande“ verwendet. Eine andere Poetin von Rang, Ricarda Huch hat ihn in einem Nachwort zu einer Auswahl Drostescher Texte, die wohl ca. 1930 bei Reclam in Leipzig erschienen ist, verwendet. Auf einen Aspekt diese Nachworts will ich später noch zurückkommen, aber hier soll Ricarda Huch, die von der Droste meint, sie werde „einstweilen die größte Dichterin Deutschlands bleiben“ das letzte Wort (vor dem obligaten „Vorgeschmack“ natürlich) gehören:

Der Aufgabe, das Zauberwort auszusprechen, das [Annette von Droste-Hülshoff] besaß, ordnete sie bewußt und unbewußt ihr Leben unter. Das war ihr Schicksal, ihr Fluch und ihre Seligkeit. Wie sie es sich wünschte, werden, lange nachdem sie die Erde verlassen mußte, alle, die den Ton der sterbenden Löwin vernehmen, ihr Daseinsgefühl und ihre Ewigkeitssehnsucht daran steigern und dankbar und bewundernd ihrer gedenken.

Die „Kostprobe“, wie an jedem „Vorabend“:

Am Allerheiligentage

„Selig sind die Armen im Geiste, denn ihnen ist das Himmelreich. Selig sind die Sanftmüthigen, denn sie werden das Erdreich besitzen. – Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden. – Selig sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden ersättigt werden. – Selig sind die Barmherzigen , denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. – Selig sind die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott anschauen. – Selig sind de Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen. – Selig sind die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihnen ist das Himmelreich.! [Mt 5, 1-10]

»Selig sind die Armen im Geiste«
Selig sind im Geist die Armen,
Die zu ihres Nächsten Füßen
Gern an seinem Licht erwarmen
Und mit Dienerwort ihn grüßen,
Fremden Fehles sich erbarmen,
Fremden Glückes überfließen:
Ja, zu ihres Nächsten Füßen
Selig, selig sind die Armen.

Selig sind der Sanftmut Kinder,
Denen Zürnen wird zum Lächeln
Und der Milde Saat nicht minder
Sprießt aus Dorn und scharfen Hecheln,
Deren letztes Wort ein linder
Liebeshauch durch Todesröcheln,
Wenn das Zucken wird zum Lächeln:
Selig sind der Sanftmut Kinder.

Selig sind, die Trauer tragen
Und ihr Brot mit Tränen tränken,
Über eigne Sünde klagen
Und der fremden nicht gedenken,
An den eignen Busen schlagen,
Fremder Schuld die Blicke senken:
Die ihr Brot mit Tränen tränken,
Selig sind, die Trauer tragen.

Selig, wen der Durst ergriffen
Nach dem Rechten, nach dem Guten
Mutig, ob auf morschen Schiffen,
Mutig steuernd nach den Fluten,
Sollte unter Strand und Riffen
Auch das Leben sich verbluten:
Nach dem Rechten, nach dem Guten,
Selig, wen der Durst ergriffen.

Die Barmherzigen sind selig,
So nur auf die Wunde sehen,
Nicht erpressend kalt und wählig
Wie der Schaden mocht‘ entstehen,
Leise schonend und allmählich
Lassen drin den Balsam gehen:
So nur nach der Wunde sehen,
Die Barmherzigen sind selig.

Überselig reine Herzen,
Unbefleckter Jungfraun Sinnen,
Denen Kindeslust das Scherzen,
Denen Himmelshauch das Minnen,
Die wie an Altares Kerzen
Zündeten ihr klar Beginnen:
Unbefleckter Jungfraun Sinnen,
Überselig reine Herzen.

Und des Friedens fromme Wächter
Selig, an den Schranken waltend
Und der Einigkeit Verfechter
Hoch die weiße Fahne haltend,
Mild und fest gen den Verächter,
Wie der Daun die Klinge spaltend:
Selig, an den Schranken waltend,
Selig sind des Friedens Wächter.

Die um dich Verfolgung leiden,
Höchster Feldherr, deine Scharen,
Selig, wenn sie Alles meiden,
Um dein Banner sich zu wahren!
Mag es nie von ihnen scheiden,
Nicht in Lust noch in Gefahren!
Selig, selig deine Scharen,
Selig, die Verfolgung leiden!

Und so muß ich selig nennen
Alle, denen fremd mein Treiben,
Muß, indess die Wunden brennen,
Fremden Glückes Herold bleiben.
Wird denn nichts von dir mich trennen,
Wildes, saftlos, morsches Treiben?
Muß ich selber mich zerreiben,
Wird mich Keiner selig nennen?

Morgen geht‘s los!

Gereon Lamers

Der BDKJotnik 2/2

… und wer die Aktion durchführte…

Zuguterletzt machte der Verantwortliche, wie man so schön sagt, „aus der Not eine Tugend“, verband die 72-Stunden-Aktion, die wie seitens des BDKJ vorgesehen mit einer Andacht begann, mit einem klassischen Subbotnik und lud ganze Familien zum fröhlichen Tun auf dem Pfarrgelände ein. Die Formulierung „Die ganze Gemeinde steht hinter der Idee“, mit der man einer Lokalredakteurin offenbar die Mitwirkung so vieler Erwachsener an einem Jugendprojekt erläutert hatte, ist, wie ich inzwischen weiß, nicht ganz korrekt. Aber auf dem Pfarrgelände hat sich unbestreitbar Lobenswertes getan.

Dennoch soll, um auf den Anfang dieses Textes zurückzukommen, eine Beteiligung an einer solchen Aktion in Zukunft nicht mehr erwogen werden, weil der Vorlauf desorganisiert, daher stressig und das Gelingen infolgedessen offenbar zu ungewiß erschien.
Ich hoffe sehr, daß die „Dämpfer“, die der Gemeindereferent im Sommerpfarrbrief beschreibt, so tief empfunden worden sind, daß sie wachgerüttelt und allen deutlich gemacht haben, daß sich in der Ehrenamtsorganisation und –betreuung in Herz Jesu Weimar
strukturell etwas ändern muß. Um nicht zu sagen: Sie muß erstmal beginnen zu existieren, eine solche Betreuung und die vielbeschworene „Befähigung zum Ehrenamt“. Ich kann mich an PGR-Sitzungen im Jahr 2010 oder 2011 erinnern, in denen eine alte Dame und gewähltes Mitglied genau diesen Appell bereits formulierte – und seitens der damaligen „Gemeindeleitung“ barsch zurechtgewiesen wurde. Diese Ausrede (die „Gemeindeleitung“) hat inzwischen aber niemand mehr. Wir können beginnen, uns zu organisieren.

Und warum habe ich geschrieben, er war symptomatisch, der Verlauf der 72-Stunde-Aktion? Weil unter der Jugend ganz häufig die Werbung für Gemeindeaktivitäten fehlt. Auch beim Pfarrfest konnte man die Jugendlichen an einer Hand anzählen. Und obwohl im Fall des Kantorenkurses zwischen Organisation und Kursbeginn extra Zeit zum Werbungmachen gelassen worden war, fand der Kurs beim Firmjugendwochenende – gemeinsame Messe mit den Eltern und abschließendes gemeinsamen Essen im Gemeindesaal – weder im Gottesdienst noch in der anschließenden Runde Erwähnung. Und es stellte sich heraus, daß nicht mal das gesamte Pfarrteam von dem Vorhaben, erstmals einen Kantorenkurs anzubieten, in Kenntnis gesetzt worden war.

Um jetzt nochmal klarzustellen, warum ich mir die nicht unerhebliche Mühe mache, das hier alles, Satz für Satz x-fach abgewogen, hinzuschreiben: Es geht nicht um den besser oder schlechter gemachten Job eines der Verantwortlichen und die Kritik daran, sondern um das Leben der Gemeinde.

Cornelie Becker-Lamers