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Das Zaubermärchen

Der Meßbesuch 4/4

Ein Sketchlet zum vierten Advent für fünf Schafe, zwei Lämmchen und beliebig viele Schafstatisten

 

Wundersdorf, Schafweide vor den Toren der Stadt. Bei gemäßigten Temperaturen und dem einen oder anderen Sonnenstrahl zwischen hohen Wolken ruhen sich die Schafe der allseits bekannten Wundersdorfer Herde auf ihrer Weide im Gras aus. Ab und zu galoppiert ein Lämmchen mit seiner Mutter vorbei. Ab und zu läuft ein Schaf zur Tränke. Aber eigentlich passiert nichts. Gar nichts. Genau die richtige Atmosphäre, um die Ereignisse des hier und da doch wieder turbulenten Advent Revue passieren zu lassen, zu träumen und neue Pläne zu schmieden.

Kohle (schläfrig): „Süße Ruh’, süßer Taumel im Gras, von des Krautes Arom umhaucht“ … (Er gähnt.)

Flocke (fährt fort): „Tiefe Flut, tief, tief trunkene Flut, wenn die Wolk’ am Azure verraucht“

Wolle (ebenso): „Wenn aufs müde schwimmende Haupt süßes Lachen gaukelt herab“

Grauchen: „liebe Stimme säuselt und träuft wie die Lindenblüt’ auf ein Grab.“

Huf (hat von Zeile zu Zeile aufmerksamer zugehört und erhebt sich nun): Um Himmels Willen – was ist das?

Fixi: Kennst du das nicht?

Huf: Nein!

Flocke: Das ist das Gedicht „Im Grase

Wolle: Von Annette von Droste-Hülshoff.

Kohle (sozialkritisch): Hat früher jedes Lämmchen aus dem ff gekonnt!

Huf (betont): Entschuldigung?!

Grauchen: Wir wissen es, Liebes, ihr könnt nichts für die Lehrpläne …

Huf: Das mein ich aber auch!

Flocke: Umso wichtiger ist die Weide, von der man stammt!

Kohle: Dabei wollen sie gerade das verhindern! (Er seufzt und schüttelt sein weises Haupt.)

Fixi: Hauptsache, wir lernen es irgendwo!

Flocke: Ja! Es ist wunderschön. Vor allem ist wichtig, daß man es richtig betont. Als Anapäst. Nicht als Trochäus.

Huf: Verstehe. (Er macht das Betonungsmuster vor.) Süße Ruh!

Blütenweiß (kommt angeschlendert und spricht die Gruppe an): Na?!

Alle: Na?!

Blütenweiß: Denkt ihr auch noch immer an diese Messe im alten Ritus, in der wir am ersten Advent waren?

Alle: Schon! – Klar! – Immer mal – Ich fand das schön! – Das hatte was beruhigendes.

Blütenweiß (außerordentlich gesprächig): Ich fand das so witzig, wo eine Frau kam und fragte, ob jetzt hier sonntags eine Kinderbetreuung wäre – weil so viele Familien mit kleinen Kindern da waren.

Flocke: Das war wirklich witzig!

Wolle: Dürfte nicht vor jeder Kirche so vorkommen.

Blütenweiß: Ich finde, eine solche Messe sollte es auch bei uns geben.

Kohle: Da hast du zweifelsohne Recht, Blütenweiß!

Flocke: Stimmt! Wenigstens ab und zu.

Wolle: Einfach, damit alle es kennenlernen können!

Blütenweiß: Aber warum gibt es sie nicht? Hatte nicht Papst Benedikt das schon 2007 gewollt? Daß es überall angeboten wird, wo Interesse besteht?

Grauchen (nickt): Das war schließlich die Liturgie, die im Mittelalter über Jahrhunderte hinweg Europa im christlichen Glauben geeint hat …

Flocke: … um nicht zu sagen: ‚hervorgebracht‘.

Wolle: In der gewissenhaften Weitergabe der liturgischen Gesänge.

Kohle: Man sollte sie nicht dem Vergessen anheim fallen lassen – die Mutter der Notenschrift!

Grauchen: Tja – dann mal los: „Auf des Hechtes Geheiß“! (Sie lacht.)

Huf: Wieso Hecht?

Grauchen: Weil der so heißt.

Huf: Wer?

Flocke: Na, der Fisch!

Wolle: Sag nicht, das kennst du auch nicht?

Huf: Nein!

Blütenweiß: Ein russisches Märchen.

Grauchen: Da fängt einer einen Fisch und das ist ein Hecht und der Bursche schenkt ihm das Leben und zum Dank verrät ihm der Hecht einen Zauberspruch, der alle Wünsche erfüllt: „Auf des Hechtes Geheiß nach meiner Weis‘“ – und dann sagt man den Wunsch und die Sache geht ihren Gang.

Flocke: Dann fährt er auf dem Ofen zum Zaren.

Wolle: Oder die Axt hackt allein das Holz.

Blütenweiß (seufzt): So einen Zauberspruch müßte man haben!

Kohle (brummt): Hm! Die Anweisung von Papst Benedikt war eigentlich so klar, daß nur ein fauler Zauber die Alte Messe hier bei uns verhindern kann.

Huf: Na dann – machen wir uns an die Arbeit!

Flocke (rezitiert): „Dennoch, Himmel, immer mir nur/ Dieses Eine nur: für das Lied/ Jedes freien Vogels im Blau/ Eine Seele, die mit ihm zieht,/ Nur für jeden kärglichen Strahl/ Meinen farbig schillernden Saum,/ Jeder warmen Hand meinen Druck“ …

Alle: „Und für jedes Glück einen Traum“!

 

ENDE

 

Cornelie Becker-Lamers

 

Na, da bin ich ja mal gespannt, was die Schafe erreichen! Immerhin leben sie nicht wie wir hier in einem Bistum, in dem die Alte Messe trotz aller formal korrekten Anträge seit über zehn Jahren ohne Begründung verbummelt und blockiert wird. Ob das neue Jahr in dieser Hinsicht etwas neues bringen wird? Wir werden sehen!

Zunächst wünschen die Schafe allen Leserinnen und Lesern ein gesegnetes Weihnachtsfest und freuen sich auf ihre Abenteuer im nächsten Jahr.

Der Adventskalender mit der Droste, Tag 23

Am einundzwanzigsten Sonntage nach Pfingsten

Evangelium: Vom hochzeitlichen Kleide [Mt 22, 12]

Und er sprach zu ihm: »Freund! wie bist du herein gekommen, und hast kein hochzeitliches Kleid an?«

An manchem Tag mein Hirn wie wüst und öde!
Wie eingesargt mein Herz zu manchen Zeiten!
Vor übergroßer Schwäche schein‘ ich blöde,
Bewußtlos starrt mein Auge durch die Weiten,
O welch ein Bild verschuldeten Verfalles!
O welch ein kläglich Bild der Niedrigkeit!
Wie fühl‘ ich es! doch nicht zu jener Zeit,
Wo neblig mir und unverständlich alles.

Soll ich es Leichtsinn nennen? O mitnichten!
Wie Zentner fühl‘ ich es am Herzen liegen.
Soll ich verstecktem Trotze gleich es richten?
Dann wahrlich müßt‘ ich mich zum Meister lügen!
Des Trotzes Kraft, des Leichtsinns heiter Prangen,
Die sind gebrochen mit dem gleichen Streich;
Nein! einem morschen Stamme bin ich gleich,
An dem die Blätter halbverhungert hangen.

Wenn Nervenspiel mir einmal möchte hellen
Der dumpfen Stirne fieberisch Umgeben,
Aufsprudeln möchten alter Wunden Quellen
Und stoßen vor der Worte sengend Leben:
Wie zittert meine Hand! wie bricht zusammen
Die Körperkraft in solchem Augenblick!
Und eine harte Faust stößt mich zurück
Ein nutzlos Opfer in die eignen Flammen.

Weh mir, ist dies ein hochzeitliches Kleid,
Worin ich deinen Gästen mich gesellen
Und meine arme Lampe lehrbereit
O Herr! an deinen heil’gen Schrein darf stellen?
Ein halb Ertrunkner deut‘ ich nach der Küste
Und aufwärts deut‘ ich schwindelnd, wie verwirrt;
So Israel durch vierzig Jahre irrt‘
Und sucht‘ und sucht‘, und fand ein Grab der Wüste.

Doch weißt du auch, mein Herr und milder Richter!
Es war nicht Eitelkeit, was mich geleitet.
Der zündet nicht dem eignen Moder Lichter,
Wer noch um ird’scher Ehre Kränze streitet!
Der läßt des Sarges Deckel gern geschlossen.
Doch eben jetzt, all deiner Pfunde bar,
Jetzt brächt‘ ich gerne noch ein Scherflein dar
Für alle meines eignen Leids Genossen.

Groß ist die Zahl, das hab‘ ich erst erfahren,
Seit mich die Wellen unter Menschen trieben.
In meiner Heimat noch, der frommen, klaren,
Da mußte Einsamkeit mich sehr betrüben,
Doch als ich in die Fremde nun getreten,
Wie schauderte mir vor Genossenschaft!
Wie Pilze hingen sie am dürren Schaft,
Wie Nesseln schossen sie aus allen Beeten.

Da sah ich auch, wohin es konnte führen
Mutlos zu stehn auf unterhöhltem Grunde;
Noch durfte meine Hand das Kreuz berühren,
Doch andre hört‘ ich jubeln tief im Schlunde.
Da sah ich, wem sich meine Augen wandten,
Da hörte ich, was ich vergessen will,
Noch sprach in mir ein Laut, o steh nicht still!
Schau jene an, sie sind nur still gestanden!

Seitdem auch weiß ich, wem ich bin gesendet;
Dem der da steht, wo ich nicht durfte weilen.
Kein Licht hab‘ ich was leuchtet oder blendet,
Nur eine Stimme! die da treibt zu eilen,
O eile! eile! nur die Schritte wende!
Und ob kein Schimmer durch die Wolke bricht,
So denk »Er herrscht im Dunkel wie im Licht.«
Und falte nur im Finstern deine Hände!

Annette von Droste-Hülshoff

Der Adventskalender mit der Droste,Tag 22

Am vierten Sonntage im Advent

Evangelium: Vom Zeugnisse Johannes [Joh 1, 19; 28]

Sie fragten: »Wer bist du?« – und er bekannte und leugnete nicht: »Ich bin eine Stimme des Rufenden in der Wüste. – Ich taufe euch mit Wasser, aber er steht mitten unter euch, den ihr nicht kennt.«

Fragst du mich, wer ich bin? Ich berg‘ es nicht:
Ein Wesen bin ich sonder Farb‘ und Licht,
Schau mich nicht an; dann wendet sich dein Sinn;
Doch höre! höre! höre! denn ich bin
Des Rufers in der Wüste Stimme.

In Nächten voller Pein kam mir das Wort
Von ihm, der Balsam sät an Sumpfes Bord,
Im Skorpion der Heilung Öl gelegt,
Dem auch der wilde Dorn die Rose trägt,
Das faule Holz entzündet sein Geglimme.

So senke deine Augen und vernimm
Von seinem Herold deines Herren Grimm,
Und seine Gnade sei dir auch bekannt,
Der Wunde Heil, so wie der schwarze Brand,
Wenn seiner Adern Bluten hemmt der Schlimme.

Merk auf! ich weiß es, daß in härtster Brust
Doch schlummert das Gewissen unbewußt;
Merk auf, wenn es erwacht, und seinen Schrei
Ersticke nicht, wie Mütter sonder Treu‘
Des Bastards Wimmern und sein matt Gekrümme!

Ich weiß es auch, daß in der ganzen Welt
Dem Teufel die Altäre sind gestellt,
Daß mancher kniet, demütig nicht gebeugt,
Und überm Sumpfe, engelgleich und leicht
Der weiße Lotos wie ein Kindlein schwimme.

Es tobt des tollen Strudels Ungestüm
Und zitternd fliehen wir das Ungetüm,
Still liegt der Sumpf und lauert wie ein Dieb,
Wir pflücken Blumen und es ist uns lieb
Zu schaun des Irrlichts tanzendes Geflimme.

Drum nicht vor dem Verruchten sei gewarnt;
Doch wenn dich süßer Unschuld Schein umgarnt,
Dann lächelt der Vampyr, dann fahr zurück
Und senke tief, o tief in dich den Blick,
Ob leise quellend die Verwesung klimme!

Ja, wo dein Aug‘ sich schaudernd wenden mag,
Da bist du sicher mindstens diesen Tag,
Doch gift’ger öfters ist ein Druck der Hand,
Die weiche Träne und der stille Brand,
Den Lorbeer treibend aus Vulkanes Grimme.

Ich bin ein Hauch nur, achtet nicht wie Tand
Mein schwaches Wehn, um des der mich gesandt.
Erwacht! erwacht! ihr steht in seinem Reich;
Denn sehet, er ist mitten unter euch,
Den ihr verkennt, und ich bin seine Stimme!

Annette von Droste-Hülshoff

Der Adventskalender mit der Droste, Tag 21

Am vierten Sonntage in der Fasten (Josefsfest)

Gegrüßt in deinem Scheine,
Du Abendsonne reine,
Du alter Lilienzweig!
Der du noch hast getragen
In deinen grauen Tagen
So mildes Blütenreich!

Je mehr es sich entfaltet,
Zum Ehrenkranz gestaltet,
Der deine Stirn umlaubt:
Je mehr hast du geneiget,
In Ehrfurcht ganz gebeuget
Dein gnadenschweres Haupt.

Wie ist zu meinem Frommen
Dein freundlich Fest gekommen
In diese ernste Zeit?
Ich war fast wie begraben:
Da kömmst du mich zu laben
Mit seltner Freudigkeit.

Zu dir will ich mich flüchten,
Mein scheues Leben richten,
O Josef, milder Hauch!
Du hast gekannt die Fehle
In deiner starken Seele,
Und die Vergebung auch!

Was hast du nicht geduldet,
Da in geheim verschuldet
Maria dir erschien?
Und konntest ihr nicht trauen,
Worauf die Himmel bauen,
Und hast ihr doch verziehn!

Und da du mußtest scheiden
Mit deinen lieben beiden:
Wie groß war deine Not!
Die Wüste schien dir lange;
Doch war vom Untergange
Dein liebes Kind bedroht.

Und da er glanzumkrönet:
Wie bist du nicht gehöhnet
Um seine Gotteskraft!
Wie mag, den Groll zu laben,
Dich nicht gelästert haben
Die arge Priesterschaft!

Und gar, wenn gottdurchdrungen
Dich grüßten fromme Zungen
Und priesen laut und weit:
Wie hast du nicht in Zagen
An deine Brust geschlagen
In deiner Sündlichkeit!

So hast du viel getragen,
Unendlich viele Plagen,
Mit freundlicher Geduld,
Und ist in all den Jahren
Manch Seufzer dir entfahren
Und manche kleine Schuld.

Du frommer Held! im Glauben,
Den schrecklich dir zu rauben
Sich alle Welt verband:
Hast können nicht erhalten
Ein unbeflecktes Walten
An deines Jesu Hand.

Was soll ich denn nicht hoffen,
Da noch der Himmel offen,
Und meine Seele still?
Will sich die Gnade nahen:
Ich kann sie wohl empfahen,
So Gott mir helfen will.

Zerrissen in den Gründen
Bin ich um meine Sünden,
Und meine Reu‘ ist groß.
O hätt‘ ich nur Vertrauen,
Die Hütte mein zu bauen
In meines Jesu Schoß!

 

Annette von Droste-Hülshoff

Der Adventskalender mit der Droste, Tag 20

Am fünften Sonntage nach hl. drei Könige

Evangelium: Vom Samen, so unter die Dornen fiel [Lk 8, 4-15]

In die Dornen ist dein Wort gefallen,
In die Dornen, die mein Herz zerrissen;
Du, mein Gott, nur du allein kannst wissen,
Wie sie schmerzlich sind vor andern allen;
In die Dornen meiner bittern Reue,
Die noch keine Tröstung will empfangen.
So verbarg ich es in finstrer Scheue,
Und so ist es trübe aufgegangen,

Und so wächst es auf in bittrer Wonne,
Und die Dornen lassen es gedeihen;
Ach, mein Boden ist zu hart, im Freien
Leckt den Tau vom Felsen ihm die Sonne.
Kann es gleich nur langsam sich entfalten,
Schirmen sie es treulich doch vor Stürmen
Und dem Hauch der Lust, dem todeskalten,
Und wenn sich des Zweifels Wolken türmen.

In die Dornen ist dein Wort gefallen,
Und sie werden blut’ge Rosen tragen;
Soll ich einst dir zu vertrauen wagen,
Darf ich nur in ihrem Kranze wallen.
Wenn er recht erstrahlt im Feuerglanze
Und das Haupt mir sengt mit tiefen Wunden,
Dann gedeiht die zarte Gottespflanze,
Muß an seinem Schmerzenstrahl gesunden.

In Entsagung schwinden muß mein Leben,
In Betrachtung meine Zeit ersterben;
So nur kann ich um das Höchste werben,
Meine Augen darf ich nicht erheben.
Ach, ich habe sie mißbraucht zu Sünden
Und verscherzt des Aufblicks reine Freude,
Dann nur kann ich noch den Himmel finden,
So ich ihn in Scham zu schauen meide.

Wenn ich blicke in die milden Mienen,
O, wie schmerzlich muß es mich betrüben,
Denen noch das teure Recht geblieben,
Ihrem Gott in Freudigkeit zu dienen!
Muß auch hier die trüben Augen lenken,
Muß erglühend sie zur Erde schlagen,
In ein reines Auge sie zu senken,
Kann ich nimmer sonder Frevel wagen.

Und wie tief neig‘ ich die Stirn, die trübe,
Wenn die Sünde rauscht an mir vorüber,
Meinen manche, daß mich Abscheu triebe,
Und gewinnen lieber mich und lieber,
Ist es oft nur mein vergangnes Leben,
Grauenhaft zum zweiten Mal geboren.
Ach, und oft empfind‘ ich gar mit Beben,
Wie der Finstre noch kein Spiel verloren!

Aber, was er auch für Tücke hege,
Kämpfen will ich um des Himmels Grenzen,
Meine Augen sollen freudig glänzen,
Wenn ich mich in meine Dornen lege,
Daß die Welt nicht meinen Kampf darf rügen,
Oder gar mit eitelm Lob geleiten,
Wohl, ich kann durch Gottes Wunder siegen,
Aber nimmer mit zwei Feinden streiten.

Ob ein Tag mir steigen wird auf Erden,
Wo ich frei mich zu den Deinen zähle?
Wo kein Schwert mehr fährt durch meine Seele,
Wenn mir deine Hände sichtbar werden!
Herr, und soll der Tag mir nimmer scheinen,
Dürft‘ ich ihn in Ewigkeit nicht hoffen,
Dennoch muß ich meine Schulden weinen,
O, der Sünder hat sich selbst getroffen!

Annette von Droste-Hülshoff

Der Adventskalender mit der Droste, Tag 19

Am Palmsonntage

Der Morgentau will steigen,
Sind denn die Palmen grün?
Auf, laßt mit hellen Zweigen
Uns ihm entgegenziehn!
Er will in unser Haus,
In unsre Kammern kommen;
Schon ziehen rings die Frommen
Mit Lobgesang heraus.

Ich kann nicht mit euch gehen,
Mir ist der Odem schwer;
Die Kreuzesfahnen wehen,
Ich folge nimmermehr.
Wie wird so klar die Luft!
O Jesu, süße Helle,
Du kömmst in meine Zelle,
In meine Modergruft!

Was soll ich dir bereiten,
Du wunderlicher Gast?
Ich möchte dich verleiten
Zu langer Liebesrast.
Wohlan, ich schmücke dich,
Will dich mit Blumen binden;
Du sollst dich nicht entwinden,
Das weiß ich sicherlich.

Aus deiner Mutter Rechten
Will ich um deinen Fuß
Die reine Lilie flechten
Mit demutsvollem Gruß.
Daß ich dich feßle ganz
Mit Liebesblumenringen,
Will um dein Haupt ich schlingen
Den heil’gen Rosenkranz.

Den Boden will ich streuen
Mit Palmen ganz und gar,
Mein Leiden dir zu weihen,
Was ich in diesem Jahr
Oft still, oft schwerer trug.
Es liegt zu deinen Füßen,
Es soll mich nicht verdrießen,
Dein Will‘ ist mir genug.

Wie soll ich mich doch finden
In deine Liebesmacht,
Daß du an meine Sünden
So gar nicht hast gedacht!
Ich lasse nicht von dir,
Mußt du gleich wieder scheiden;
Ich fühl‘ es wohl in Freuden,
Du kömmst noch oft zu mir.

Annette von Droste-Hülshoff

Der Adventskalender mit der Droste, Tag 18

Am sechsten Sonntage nach Ostern

»Aber solches habe ich zu euch geredet, damit wenn die Stunde kömmt, ihr daran gedenket, daß ich es euch gesagt habe.« [Joh 16, 4]

Erwacht! der Zeitenzeiger hat
Auf die Minute sich gestellt;
Dem rostigen Getriebe matt
Ein neues Rad ist zugesellt;
Die Feder steigt, der Hammer fällt.

Wie den Soldaten auf der Wacht
Die Ronde schreckt aus dumpfer Ruh,
So durch gewitterschwüle Nacht
Ruft uns die Glockenstimme zu:
Wie nennst du dich, wer bist denn du?

Und mancher der im langen Traum
Den eignen Namen fast verschlief,
Stieß nun von sich den schnöden Flaum
Und hastig die Parole rief,
So ernst die Glocke sprach und tief.

Wer möchte sich in solcher Zeit
Von deinem Heere schließen aus?
Was Lenz und Sonne hat zerstreut,
Das sucht im Sturme wohl sein Haus,
Nur Vagabunde bleiben drauß.

Dem Kleinsten ward sein wichtig Teil,
Umsonst hatt‘ keiner seinen Stand.
Mag was da hoch, zu Kraft und Heil
Uns leuchten von der Zinne Rand;
Doch nur die Masse schützt das Land.

Ist es ein schwacher Posten auch,
Auf den mich deine Hand gestellt:
So ward mir doch des Wortes Hauch,
Das furchtlos wandelt durch die Welt,
Gleich ob es dunkelt oder hellt.

Tu nur ein jeder was er kann,
Daß hülfreich stehe Schaft an Schaft;
Der Niedre schließe treulich an,
Der Hohe zeige seine Kraft:
Dann weiß ich wohl wer Rettung schafft!

Annette von Droste-Hülshoff

Die Gewandstudie

Zugleich Der Meßbesuch 3/4 und Das rosa Gewand 9/n

Ein Sketchlet zum Sonntag Gaudete für ein Schaf und
zwei Lämmchen

Wundersdorf, Schafweide. Die Herde tummelt sich in den milden Temperaturen, an der guten Luft freuen sich die Schafe. Nur die beiden Lämmchen hocken im Unterstand vor Kohles Tablet und klicken sich durch verschiedene Internetseiten. Wonach suchen sie bloß? Flocke scheint sich das auch zu fragen und steckt mehr oder weniger erbost die Schnauze zur Tür herein.

 

Flocke: Sitzt doch nicht den ganzen Tag im Unterstand! Es ist so gute Luft!

Huf: Gleich!

Fixi (leichthin): Wir müssen nur noch was für die Schule machen …

Huf (schaut Fixi abrupt von der Seite an, fängt sich aber sofort wieder und kehrt die Schnauze blitzschnell wieder dem Bildschirm zu; unbefangen): Genau! (Er klickt.)

Flocke (interessiert): Worum geht’s denn?

Fixi (versucht der Bildschirm zu verdecken): Ääääääh … ist nicht so wichtig! Nur noch was von letzter Woche … Ist eigentlich schon erledigt.

Huf (ebenso): Wir wollten uns nur noch einmal vergewissern.

Flocke (räumt unsanft den Bildschirm frei): „Schau hin, was dein Lamm mit Medien macht“, heißt es. Ich bin für euch verantwortlich – also worum geht’s? Guckt ihr mitten am Tag irgendeine bescheuerte Serie, während draußen die Sonne scheint? (Sie stutzt) Was ist das denn? Wollt ihr hier für die Weide liturgische Gewänder besorgen? Ihr seid noch nicht geschäftsfähig!

Huf: Das wollen wir ja auch gar nicht! Tante Flocke! Bitte! Wir wollten nur mal ein bißchen nach Preisen recherchieren, um herauszubekommen, ob es für Maria Hilf! Wundersdorf wirklich so unerschwinglich sein sollte, ein rosa Gewand für Gaudete und Laetare zu beschaffen. (Er macht die größtmöglichen Augen.)

Fixi: Laß uns noch ein bißchen suchen, Tante Flocke, wir haben’s gleich! Schau! (Sie öffnet eine Homepage). Schau, hier: Bei Kirchenbedarf-Friedrich in München zum Beispiel haben sie superschöne rosane Kaseln mit Innenstola, auch ganz schlichte. Die Preise unterscheiden sich, als Kirchenkunde ist man sogar noch bevorzugt! 

Huf: Man kann auch nur Stoff bestellen …

Fixi: … falls man Schneiderinnen am Ort hat …

Huf: … was wir ja haben!

Fixi: Siehe Sternsingergewänder!

Huf: Alles kein Problem!

Flocke (überlegt): Hmmmmm … Das könnte direkt was für unseren Pfarrer sein … wenn er Frauen ehrenamtlich ans Arbeiten kriegen kann und das Gefühl hat, dadurch Geld zu sparen … ihr seid gar nicht so dumm! (Sie zwinkert Fixi und Huf zu.) Was habt ihr denn noch?

Fixi: Holyart. Hier!

Huf (zitiert aus der Selbstdarstellung): Der erste Onlineshop für christliche Kunst!

Flocke: Hm!

Huf: Und Scheibmayr aus München.

Fixi: Da wird’s dann schon ein bißchen höher dreistellig.

Huf: Aber alles noch bezahlbar.

Fixi: Wenn man bedenkt, daß wir ein neues Glänzekreuz bekommen haben und neue Glänzekerzenhalter mit runden Glasglocken und neue Türen und neue Geländer und neue …

Flocke: … Fixi! Es reicht! Wir haben verstanden, was du sagen wolltest!

Fixi: … dann ist nicht einzusehen, daß es kein rosa Gewand für mindestens drei Zelebranten gibt!

Huf: Wenn’s bis Laetare wieder nichts wird, sollten wir einen neuen BDKJotnik ausrufen!

Flocke: Warum das jetzt?

Huf: Na – wenn schon keine rosa Gewänder, dann wenigstens rosa Geländer. (Fixi und Huf schütten sich aus vor Lachen, während Flocke die Augen rollt. Nach einem Moment) Ich meine: 125 Ohren wie das von dem „Friedrich“ da … das hat man doch mit einer Kollekte rein!

Fixi: „Für die vielfältigen Aufgaben unserer Pfarrei!“ (Sie lacht.)

Huf (lacht auch): Um nicht zu sagen: Die vielfaltigen!

Flocke (stimmt nun auch ein): Bei einem Gewand stimmt das „vielfältig“ ja auch wirklich mal! (Als sie sich wieder beruhigt haben) Ok – ihr habt gewonnen! Es war gutes Tun, sich hier ein bißchen auf diesen Seiten zu tummeln! Aber jetzt kommt mit nach draußen!

Fixi: Halt! Tante Flocke! Das eine müssen wir dir noch zeigen! Hier!

Huf: „Wameling Paramente“ von Elke Temme-Bunse aus Paderborn.

Fixi: ZEHN rosa Meßgewänder!

Huf: Mmmmmmm … reine Seide …

Fixi: Stör dich nicht dran, daß sie hindrapiert sind, als sollten sie Spensti in Aktion darstellen …

Huf: … für schlappe sechszehnhundert Euro!

Fixi: Aber hier hat sie auch eins für 340.

Flocke (hat die drapierten „Gespenster“ betrachtet, murmelnd): Schon echt interessant! Sie bilden jedes Gewand von vorne ab! Die Schauseite interessiert keinen mehr … um nicht zu sagen: vorn wird zur Schauseite … (Sie reißt sich vom Bildschirm los, lauter) … gut jetzt! Ihr habt genug recherchiert! Das reicht für den ersten Eindruck!

Huf: Es sei denn, du willst noch ein bißchen was über rosane Gewänder und ihre wahren Schauseiten lesen

Fixi: … oder gucken …

Huf: … oder hören!

Flocke: Schluß jetzt, raus mit euch!

 

ENDE

 

Cornelie Becker-Lamers

 

Diese Lämmchen! Kümmern sich! Bloß gut, daß in Weimar kaum noch ein Lämmchen in die Kirche geht! Wer weiß, was die Jugendlichen hier lostreten würden, würde sich hier ein Pärchen wie Fixi und Huf für die Heilige Messe interessieren …

Der Adventskalender mit der Droste, Tag 17

Am fünften Sonntage nach Ostern

»Ihr sollt in meinem Namen bitten.« – »Jetzt wissen wir, daß du alles weißt.« [Joh 16, 26; 30]

In seinem Namen darf ich beten,
Er hat es selber mir gesagt,
Mit seinem Gnadenstempel treten
Vor ihren Schöpfer darf die Magd.
O süßes Anrecht mir gegeben!
O Zuversicht, die ihm entsprießt!
Wie weiß ich heut von keinem Beben,
Wo mich sein Sonnenschein umfließt!

So tret‘ ich denn in Jesu Namen,
Mein Schöpfer, vor dein Angesicht;
Wo stehn die Blinden und die Lahmen,
Dort ist mein Platz und mein Gericht.
Und bin ich der Geringsten eine,
Die knieen unter seinem Schild:
Für alle, alle ist ja deine
So überreiche Hand gefüllt.

Vertrauend will ich zu dir nahen,
Und spräch‘ auch Törichtes mein Mund,
Nur Gnädiges werd‘ ich empfahen,
Du wirst mir geben was gesund.
Ob schwach und irrend die Gedanken,
Vertrauend bring‘ ich sie dir dar;
Und ziehen wirst du selbst die Schranken,
Und treu mein Bestes nehmen wahr.

Ich bitte nicht um Glück der Erden,
Nur um ein Leuchten nun und dann,
Daß sichtbar deine Hände werden,
Ich deine Liebe ahnden kann;
Nur in des Lebens Kümmernissen
Um der Ergebung Gnadengruß:
Dann wirst du schon am besten wissen,
Wie viel ich tragen kann und muß.

Auch nicht um Ruhm will ich dich bitten,
Dem meine Schultern viel zu schwach;
Nur in der Menschenstimmen Mitten
Mir bleibe das Bewußtsein wach,
Daß, wie die Meinung kreist und rennet,
Doch einer ist, der nimmer irrt,
Und jedes Wort, das ihn nicht kennet,
Mich tausendfach gereuen, wird.

Gesundheit! teures Erdenlehen,
Ach! schmerzlich hab‘ ich dich entbehrt!
Doch nur um dieses mag ich flehen:
Die Seele bleibe ungestört;
Daß nicht die wirbelnden Gedanken
Der kranke Dunst bezwingen mag,
Daß durch der bängsten Nebel Schranken
Ich immer ahnde deinen Tag.

Viel warme Liebe hält umfangen
Dies öde Ich zu süßem Schmerz
Und läßt die Sühne nicht gelangen
An mein nach Strenge dürstend Herz.
O schütze mich vor jener Milde,
Die meinen Mängeln viel zu still;
Halt du den Spiegel mir zum Bilde,
Wenn Freundes Rechte zögern will.

Ich möchte noch um vieles bitten,
Doch besser schweigend knie ich hier;
Er, der für mich am Kreuz gelitten,
Mein milder Anwalt, steht bei mir.
Ich wandle stets in Finsternissen,
Er war es stets der Strahlen warf.
Der alles weiß, sollt‘ er nicht wissen
Was seine arme Magd bedarf?

Annette von Droste-Hülshoff

Der Adventskalender mit der Droste, Tag 16

Am vierten Sonntage nach hl. drei Könige

Evangelium: Von den Arbeitern im Weinberge [Mt 20, 1-16]

Ich kann nicht sagen:
»Keiner hat mich gedingt.«
Wem soll ich klagen,
Wenn es mich niederzwingt
In meine schmählich selbstgeflochtnen Bande?
Vor Millionen hast du mich erwählt,
Mir unermeßnes Handgeld zugezählt
In deiner Taufe heil’gem Unterpfande.

Ich kann nicht sagen:
»Siehe, des Tages Last
Hab ich getragen!«
Wenn nun zu Duft erblaßt,
Mich meine matte Sonne will verlassen,
Mein Garten liegt ein übergrüntes Moor,
Und blendend steigt das Irrlicht draus empor,
Den Wandrer leitend in den Tod, den nassen!

Ich kann nicht sagen,
»Siehe, wer stand mir bei?
Ich mußte zagen,
Um mich die Wüstenei,
Und das Getier, so nimmer dich erkennet.«
O Gott, du hast, zur Arbeit mir gesellt,
Viel liebe Seelen rings um mich gestellt,
Worin dein Name unauslöschlich brennet.

Ich kann nicht sagen:
»Sieh, deine Stimme sprach,
Ich mußte wagen,
Und meine Kraft zerbrach,
Was hast du meine Nahrung mir entzogen?«
Mein Gott, und liegt wohl tief es in der Brust,
Doch bin ich großer Kräfte mich bewußt,
Und in der Angst hab‘ ich mir selbst gelogen!

Ich muß verschwinden
Bis in die tiefste Kluft,
Zergehn in Winden
Wie einer Wolke Duft,
Wenn dein Gericht vor meinem Geist wird stehen;
Du hast mich über vieles eingesetzt,
Und ganz verarmt erschein‘ ich und zerfetzt,
Die Güter dein ließ ich zu Kot vergehen.

Nichts kann ich sagen,
Denn meine Hand ist leer.
Soll ich es wagen,
Gegen die Waagschal‘ schwer
Zu legen meiner Reue späte Triebe?
Und ist es nur wie des Ersatzes Spott,
Nichts hab‘ ich sonst, doch du, o milder Gott,
Du hast ein großes, großes Wort der Liebe!

Annette von Droste-Hülshoff