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Ein Hauch von Pfarrjugend

Die Cäcilini gastierten am 8. März um 17 Uhr mit ihren selbstverfaßten Kreuzwegtexten in St. Franziskus Sömmerda

Alles begann, wenn ich mich recht erinnere, um Ostern 2017 herum, als ich in einer Gruppe von Freunden vor der Kirche stand und mich mit einem jüngeren Kirchenchormitglied über das Thema „Jugend-“ oder „Kinderkreuzweg“ unterhielt. Wie wir darauf kamen, weiß ich nicht mehr, aber ich erzählte, daß ich bei aller Erfahrung, die ich mittlerweile im Schreiben und Komponieren von Liedern gewonnen habe, vor dem Thema Passion immer einen Heidenrespekt empfunden und mich an das Thema nie herangewagt hätte. Viel zu groß schien mir die Gefahr, der Ernsthaftigkeit nicht gewachsen zu sein, unbewußt auf irgendwie Vorgefertigtes zurückzugreifen oder gar etwas zu verkitschen. Mein Gesprächspartner erzählte seinerseits von einem Jugendkreuzweg, den er Anfang der 90er Jahre selber mitgefeiert und -gesungen habe. Ein Altersgenosse aus der damals sehr großen Weimarer Pfarrjugend hatte ein über einstündiges – heute würde man sagen: multimediales Gesamtwerk angestoßen, das aus Bildbetrachtungen, eigenen Orgelkompositionen (mit der ebenso unbeabsichtigten wie symbolischen Gesamtlänge von 33 Minuten) und selbstverfaßten Liedern der Jugendlichen bestand. Die acht Stationen begannen mit Verrat und Gefangennahme und endeten mit der Auferstehung. Heute ist besagter Musiker promovierter Theologe, dabei noch immer, wenn es seine Zeit erlaubt, Musiker und Komponist, vor allem aber Pfarrer in Sömmerda,

Die Erzählung faszinierte mich. Wie wäre es, diesen Jugendkreuzweg wieder aufzuspüren? Mit Jugendlichen Texte zu verfassen, die heute passen? Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Wünsche beider Generationen zusammen zu reflektieren und die gesamte Andacht erneut aufzuführen? Wer weiß, wie viele Menschen sich erinnern würden, weil sie damals mit in den Bänken oder gar hinter einem Instrument saßen? Eine wunderbare Gelegenheit, dazu angetan, die neue Generation der Jugendlichen mit älteren Einheimischen zusammenzubringen. Man braucht ja doch immer irgendein Thema und einen Anlaß. Die Idee setzte sich in mir fest und ich beschloß – da Sömmerda nicht aus der Welt, sondern unsere Nachbarpfarrei ist, den Kontakt zu Pfarrer Bock anzuknüpfen.

Zu meiner großen Freude stellte ich nach dem ersten Anruf im Sekretariat und einer ausführlichen Antwortmail seitens des Pfarrers fest, daß ich mit meinem Anliegen die sprichwörtlichen offenen Türen einrannte. Auch er erinnerte sich sehr gerne an das Projekt, versprach, alle alten Unterlagen und handschriftlichen, kopierten Noten herauszusuchen und mich zu einem Gespräch in seinem Gemeindehaus zu empfangen.

Nach dem Gespräch in Sömmerda wieder zuhause angelangt, machte ich mich mit den Bildern und der insgesamt sehr umfangreichen Musik vertraut. Daraufhin stellte ich die ganze Sache in einer Koordinierungsrunde der LeiterInnen der Gruppen und Kreise vor. Da mir beschieden wurde, die Pfarrjugend sei derzeit zahlenmäßig nicht in der Lage, solch ein Projekt zu stemmen und der kleine Jugendchor sei uns ebenfalls abhanden gekommen, mußten, da dennoch ein Kreuzwegtermin abzudecken war, die Cäcilini ran. Und die sieben (!) Jugendlichen haben es mit Bravour gemeistert: Zunächst, 2018, mit Kreuzwegtexten für Kinder.
Im Jahr 2019 dann, und hiervon will ich im folgenden berichten, mit einer Kreuzwegandacht für die ganze Gemeinde. Für diese Andacht besprachen wir über vier Proben hinweg die Texte. Verfaßt wurden sie von den Jugendlichen selbständig zuhause.

Was macht den neuen Kreuzweg der Cäcilini aus? Die Jugendlichen wählten neun Stationen: die neun Stationen der Begegnung Christi mit anderen Menschen. Die entsprechenden Texte meditieren nicht über die einzelnen Aspekte der Passion, wie man das ja bei den meisten Kreuzwegandachten antrifft, sondern führen die Mitfeiernden direkt in das biblische Geschehen hinein und überlassen die Reflexion und das Nachempfinden den Zuhörenden. Jede Station wird aus der Perspektive einer der handelnden, leidenden oder beobachtenden Personen geschildert. So erleben wir die erste Station nicht im Gerichtssaal des Pilatus, sondern im Gemach seiner Frau Claudia Procula, die ihren Mann wegen eines Traumes vor der Verurteilung Jesu warnt (Mt 27, 19). Wenn man bedenkt, welche Rolle Träume in den Texten der Bibel spielen, ist es verwunderlich, daß dieser Aspekt häufig komplett aus der Betrachtung der Passion ausgespart wird.
In diesem Falle nicht. Hier wird genau dieses Motiv inhaltlich gefüllt. Dann spricht Maria zu uns, Simon von Cyrene und Veronika, ein gehässiger Soldat und ein mitleidiger Beobachter. Sogar in Jesus selbst hat eine der jungen Autorinnen sich hineinversetzt. Es ist berührend und neu. Unterbrochen werden die Texte von neun kurzen Musikmeditationen für zwei Blockflöten und Cello. Am 24. März 2019 haben wir diese Andacht in Herz-Jesu Weimar, am 8. März 2020 in St. Franziskus Sömmerda gefeiert.

Bei der Ankunft vor dem Gemeindehaus Sömmerda (eigenes Bild)

Eines der Zwischenspiele, das im abschließenden Film erklingt, ist bereits dem Kinderkreuzweg am Karfreitag 2018 entnommen und auch mit einem der für Kinder bestimmten, sehr kurzen Text versehen.

 

Cornelie Becker-Lamers

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