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Die Internetmesse

oder
Der Sonntagsausflug (1/2) 
Zugleich Beitrag 10/n zum Thema „Rosa Meßgewand“
Ein Sketch für vier Personen, ein Schaf und beliebig viele
(natürlich im Abstand von mindestens anderthalb Metern weidende) Schafstatisten

Wundersdorf, Oderbruch. Im Wohnzimmer der Familie Langenfeld. Richard und Edith, Teresa und Emily sitzen vor einem Laptop und scheinen gerade einer Gottesdienstübertragung gefolgt zu sein. Alle sind sonntäglich gekleidet. Denn obwohl Richard sich in Ermangelung offener Friseursalons die Haare mittlerweile zu einem Manbun zusammenbinden muß, steht für die Familie fest: Sonntag ist Sonntag, und für den Herrn zieht man sich gut an. Auch wenn man zur Messe nicht in die Kirche gehen darf. 

Edith (klappt den Laptop zu): Puh! (Sie reibt sich die Augen.)

Emily (streckt sich): Ich finde auch, langsam reicht es …

Richard (schaut in die Runde): Sowas verrücktes: Jetzt, wo man die Messe nicht besuchen darf, kann man sich vor lauter Angeboten im Netz nicht entscheiden und guckt mehrere Predigten hintereinander.

Teresa: Das mit dem Pestkreuz fand ich cool!

Emily: Ich finde, wir sollten ein Päckchen Kerzen nach Oschersleben schicken! Mit einem Briefchen, daß Pfarrer Sperling es für uns vor diesem Kreuz da anzünden soll.

Richard: Gute Idee!

Edith: Aber jetzt finde ich, wir müssen ein bißchen an die Luft.

Teresa (springt auf): Laßt uns Fixi und Huf besuchen!

Emily (mault): So weit???

Edith: Ich finde, Teresa hat Recht! Ein Spaziergang zur Schafweide wäre jetzt genau das Richtige.

Emily: Können wir nicht vorher was essen?

Richard: Mach dir noch ein Brot, ich trinke auch noch ein bißchen Tee, und dann geht’s los. Es ist bestimmt vernünftig!

Edith: Wir können ja die Räder nehmen …

Teresa: Ich zieh mich schon mal an! (Sie läuft aus dem Zimmer).

Gesagt, getan. Ein halbes Stündchen später sitzen die Langenfelds auf ihren Fahrrädern und biegen in die Große Schaftrift ein, die zur allseits bekannten Weide vor den Toren von Wundersdorf führt. Dort angekommen, schließen sie ihre Fahrräder zusammen und schlendern Richtung Weidegatter. Die Schafe traben über die Fläche, grasen hier und da ein bißchen und halten jedenfalls brav den nötigen Sicherheitsabstand ein. Nur die Mutterschafe liegen mit ihren dieser Tage neugeborenen Lämmchen dicht beieinander.

Die Gäste aus dem Städtchen bleiben nicht lange unbemerkt …

Kohle (kommt ans Gatter getrabt): Grüß euch! Lange nicht gesehen!

Edith: Das kannst du laut sagen!

Emily: Stimmt doch gar nicht – wir waren doch Anfang März erst da!

Kohle (überlegt kurz): Stimmt ja!

Richard: Es kommt einem nur so lange vor – weil wir in einer so … geschlossenen Zeit leben …

Teresa: Alles, was vor der Schulschließung passiert ist, kommt einem vor wie aus einem anderen Jahrhundert!

Kohle: Ich habt vollkommen Recht! So geht es uns auch! – Aber sagt mal, wollt ihr nicht reinkommen? (Er stupst das Gatter auf.)

Teresa: Na klar! (Sie stürmt auf die Weide und sucht Fixi und Huf mit den Augen.)

Kohle (ruft ihr nach): Paß auf die Neugeborenen auf! Die Kleinen sind noch ziemlich dödelig!

Teresa (über die Schulter): Mach ich! (Sie läuft Richtung Unterstand.)

Richard (auf der Weide, zu Kohle): Na – wie geht es euch so, mit den Coronamaßnahmen …

Kohle: Oooch – Tatze spielt ein bißchen „Freund und Helfer“ und scheucht uns ab und zu auseinander … aber sonst … eigentlich ganz entspannt …

Emily: Nun hat sich euer Weide-Altar ja doch noch als sinnvoll herausgestellt …

Kohle (schnaubt): Hör bloß auf …

Edith: Pfarrer Sperling hat gesagt, ein System, das die Verehrung des Allerhöchsten bloß als verzichtbares kulturelles Luxusgut betrachtet, ist tot.

Richard: So ähnlich jedenfalls hat er es gesagt.

Kohle: Der Staat dürfte Gottesdienste nicht verbieten. Hab ich auch gehört.

Emily: Ehrlich? Ihr schaut hier Messen auf YouTube?

(Sie bemerkt Flocke, Wolle, Grauchen und Blütenweiß, die sich vorbildlich auf Abstand halten. Sie winken sich zu.)

Kohle (grüßt auch kurz rüber zur den andern Schafen): Ja. Aber damit wir schön Abstand halten können, haben wir das Tablet auf unseren Behelfsaltar gestellt. Vom Wetter her ging‘s ja bisher.

Richard (ist baff): Donnerwetter! (Sie kommen zum Altar, den die Schafe zu Beginn der Coronakrise auf der Weide gebaut haben.)

Edith: Was ist denn das? (Sie weist auf einen Stapel Plastebrillen, die sich auf dem Altar türmen.)

Emily (nimmt eine der Brillen in die Hand und schaut hindurch): Rosa …

Kohle: Ach das! Ja, das liegt hier noch von letztem Sonntag …

Richard: Was war denn da?

Kohle: Na, Laetare … (er grinst).

Edith (schwant etwas): Sag nicht …

Kohle: … wir haben ein bißchen mit farbigen Brillen experimentiert, na klar! (Er lacht.) Also: Einen Vorteil muß es doch haben, daß man die Messen jetzt im Netz gucken muß!

Emily (legt die Brille wieder hin): Hä? Versteh ich jetzt nicht …

Kohle: Na, wir wollten endlich mal zu Laetare ein rosa Gewand sehen.

Edith: Und da habt ihr euch rosarote Brillen aufgesetzt. (Sie lacht)

Kohle: Nachdem wir ein bißchen mit Blaufilter und so experimentiert hatten … ja. Bringt aber alles nichts.

Richard: Na, solange ihr das Herdenleben nicht durch die rosarote Brille anguckt, sondern darauf achtet, was wirklich los ist, mag’s angehen! 

Kohle: Wir haben  die Brillen auch letztlich nicht gebraucht. Wir haben dann Woelki über Domradio geguckt. Der war in rosa.

Emily: Klar!

Kohle: Aber einen Versuch war’s wert!

Richard: Klar! Und man wird ja nicht dümmer!

Edith: Aber sagt mal … wo steckt denn Teresa eigentlich?

 

Fortsetzung folgt

 

Cornelie Becker-Lamers

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