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Die Franz-Liszt-Gedächtnisorgel und ihr Klangsegel

Professor Michael Kapsner und die hochschuleigene Franz-Liszt-Gedächtnisorgel
in der katholischen Pfarrkirche Herz Jesu Weimar – Teil III

Die aktuelle Textreihe zum Thema Franz-Liszt-Gedächtnisorgel in Herz Jesu Weimar hat aus gegebenem Anlaß (der noch näher zu erläutern sein wird) bisher über den Initiator und den Bau der Orgel, ihre Finanzierung und die ihr zugrundeliegende Vision berichtet und sich dann in einem zweigeteilten Beitrag der Frage gewidmet, wie die neue Orgel im Internet vorgestellt wird. Im folgenden soll es um das Klangsegel der Orgel gehen.

Wer aus unserer Pfarrei ist schon einmal über das Klangsegel gestolpert? Entweder im übertragenen Sinne oder tatsächlich über die Sache selbst, die mittlerweile einsatzbereit auf der Orgelempore aufrecht hinter dem Spieltisch lehnt? Es könnte immerhin sein, daß Ihnen der Begriff schon einmal begegnet ist, denn in der ersten Zeit nach dem Versuch seiner Einführung wurde das Klangsegel seitens der Pfarrei der Hochschule gegenüber zum großen Aufreger stilisiert. Da die meisten von Ihnen das Klangsegel vermutlich trotzdem noch nie gesehen haben und es zu keinem Zeitpunkt in den vergangenen zehn Jahren Informationen für die Gemeinde gab, was dieses Klangsegel überhaupt sei, wozu es diene und warum Professor Kapsner es den Organisten ermöglichen mußte, möchten wir dem ebenso schlichten wie trickreichen Gegenstand einen Teil unserer Textreihe zur Franz-Liszt-Gedächtnisorgel widmen (bisherige Texte der Reihe hier, hier und hier). Der Informationsbedarf scheint beträchtlich zu sein, hörte man in jüngerer Zeit doch sogar aus den Reihen der Hauptamtlichen, auf Konflikte rund um den Orgelneubau angesprochen, die ahnungslosen Worte: „Orgel? Keine Ahnung. Ich weiß nur irgendwas von einem Luftsegel …“. Und darauf darf der jahrelange Einsatz Professor Kapsners für eine Vernetzung von Pfarrei und Hochschule, sein jahrelanges ehrenamtliches Engagement für unsere Kirchgemeinde und die angehenden Organisten nun wirklich nicht zusammenschrumpfen. 

Also: Was ist ein Klangsegel und wozu dient es? Sie erinnern sich an einen der Sätze aus dem anonymen Weblog „Nacht des Herrn“, die ich Ihrem Hinterkopf anempfohlen hatte: „Organisten, die es nicht gewohnt sind in der Orgel zu sitzen, sollten einen Gehörschutz mitbringen.“
Der Wunsch „der Gemeinde“, die Gestalt der Franz-Liszt-Gedächtnisorgel möge die Rosette am Ostgiebel der Kirche freilassen, stellte den Initiator des Orgelneubaus, Professor Kapsner, und die ausführende Firma Orgelbau Waltershausen bei der Konzeption des Instruments vor große Herausforderungen: „Die Empore ist für eine Konzertorgel durchaus von ausreichender Größe, allerdings werden die Möglichkeiten stark eingeschränkt durch die Vorgabe der Gemeinde, die Fensterrosette frei zu halten“, wie die Ausführenden selber schreiben.
Wie schon erwähnt, verdeutlicht eine Fotografie des Zustands vor Einbau der neuen Orgel auf der Internetseite der Orgelbauer im Vergleich zur jetzigen Situation, welches Geschenk die Gestalt der Franz-Liszt-Gedächtnisorgel allen, die die Kirche besuchen, durch die erfolgreichen Bemühungen, den Lichteinfall durch die Rosette wieder zu ermöglichen, tagtäglich macht. Aber die Konsequenzen bei Konzept und Bau waren für Professor Kapsner und die Ausführenden in mehrerlei Hinsicht eben auch erheblich. Wir werden daher auch in späteren Texten noch einmal darauf zurückkommen. Für heute sind unter den zusätzlichen Problemen, die die „Vorgabe der Gemeinde“ den Orgelbauern bereiteten, das Ungleichgewicht der dynamischen Balance für den Organisten zu nennen. Die Ausführenden hatten dies kommen sehen, das Problem aber erst nach Fertigstellung der Hauptorgel im Juni 2011 in seiner ganzen Tragweite erkennen können.

Als Lösung schlug Orgelbau Waltershausen noch im Sommer 2011 eben das Klangsegel als Klangabschirmung für den Organisten vor. Es kann an vier Schnüren über dem Kopf des Organisten befestigt und jederzeit wieder entfernt werden. Es sollte und kann seit 2016 nun auch tatsächlich den erwarteten konzertierenden (d.h. ja auch häufig externen) Organisten beim Einregistrieren ihres Konzertprogramms helfen. Wie geplant, ist das Klangsegel weder zu den Konzerten selber noch im Alltag oder in Meßfeiern jemals zu sehen.

Die Problemlösung nach Fertigstellung der Orgel pressierte, da damals der renommierte, von der Musikhochschule Franz Liszt in Zusammenarbeit mit den Städten und Domen Erfurt und Merseburg durchgeführte 2. Internationale Bach|Liszt-Orgelwettbewerb  (23. August bis 5. September 2011) vor der Tür stand. Dennoch wurde sogar eine provisorische Anbringung des Klangsegels im Namen „der Gemeinde“ (wegen der Rosette) oder auch – wie es gerade paßte – im Namen „übergeordneter Stellen“ (aus Gründen des Denkmalschutzes) mehrfach verweigert. Die entsprechenden Schriftstücke liegen PuLa seit langem vor. (Dazu muß man wissen, daß es sich bei den “übergeordneten Stellen” um den fachlich zuständigen Dombaumeister unseres Bistums gehandelt hätte, der jedoch auf Betreiben eben derselben Person, die wiederholt in besagten Schriftstücken das Klangsegel verweigerte, im Zuge der Baumaßnahmen rund um die Orgel für Herz Jesu Weimar mit einem Hausverbot belegt worden war.)
Bei der Einregistrierung vor einem Konzert waren Organist/inn/en zu diesem Zeitpunkt auf eine zweite Person angewiesen, die im Kirchenschiff stand und auf Zuruf die Registrierung kommentierte und korrigierte. Oder die Musiker dokumentierten ihr eigenes Spiel und die Klangvarianten begleitend per Recorder im Kirchenschiff und liefen während des Probens beständig treppauf, treppab zwischen Spieltisch und Kirchenschiff hin und her, um die Aufnahmen abzuhören, zu beurteilen und die Registratur danach auszurichten.

Was für Knüppel wurden da in unser aller Namen den Organisten über Jahre zwischen die Beine geworfen! Wie können wir beginnen, überhaupt einzuschätzen, worum es ging? Wie damit beginnen, die allgemeine Entschuldigung zu begreifen und inhaltlich mit Emphase zu füllen, die unser jetziger Pfarrer beim Antrittskonzert von Professor Sturm der Hochschule gegenüber formuliert hat?

Die einzig Leidtragende bei Anbringung des Klangsegels, so hat man aus den damaligen Schreiben den Eindruck, ist die Fensterrosette am Ostgiebel hinter der Orgel. Segel und Rosette scheinen sich überhaupt nicht zu vertragen. Wir müssen also, um zu beurteilen, ob die Behinderung der Organisten zwischen 2011 und 2016 gerechtfertigt war, einen Eindruck davon gewinnen, wie sehr das Klangsegel den Leichteinfall durch die Fensterrosette tatsächlich stört. Wie können wir uns darüber ein Urteil bilden, da das Klangsegel im Alltag nie installiert ist?

Wir wollen sehen, ob ich Ihnen helfen kann. Auch ich hatte ganz lange vom Klangsegel nur gehört. Selbstverständlich kannte ich die fachliche Erläuterung des Professors. Außerdem kursierten 2011 vereinzelte Erlebnisberichte hinter vorgehaltener Hand. Zum ersten Mal gesehen aber habe ich den im Laufe der Zeit regelrecht zum Phantom gewordenen Gegenstand erst nach sieben Jahren – und zwar zufällig. Das war am 28. September 2018 mittags, als István Ella an der Orgel in unserer Kirche saß und sich für sein abendliches Konzert zu unserem Kirchweihfest mit der Orgel vertraut machte. Ich weiß nicht mehr, warum ich einen Fotoapparat zur Hand hatte – hatte ich aber und habe natürlich sofort die Gelegenheit genutzt, diesen seltenen Anblick für Sie im Bild festzuhalten:

István Ella macht sich für sein abendliches Konzert am 28. September 2018 mit der Franz-Liszt-Gedächtsnisorgel vertraut und registriert ein; über dem Spieltisch, erkennbar an der schmalen weißen waagerechten Kante, das Klangsegel (eigenes Bild)

Ich entschuldige mich für die Bildqualität – die Kirche war dunkel. Aber ich denke, Sie können es dennoch erkennen: Über dem Kopf des Organisten schwebt waagerecht eine leicht gewölbte Plexiglasscheibe. Das ist das Klangsegel. Seine weiße Kante verläuft als schmale Linie quer über die Rosette. Stört es optisch? Behindert es den Lichteinfall? War das bis Anfang 2016 hartnäckig aufrechterhaltene Verbot des Klangsegels angesichts der gravierenden Konsequenzen für die Organisten gerechtfertigt? Bitte, liebe Pfarrkinder aus Herz Jesu Weimar, bilden Sie sich ein Urteil. Denn das Verbot des Klangsegels wurde, obwohl die Gemeinde nie informiert und nie gefragt wurde, doch in unser aller Namen ausgesprochen.

 

Cornelie Becker-Lamers

 

Fortsetzung folgt

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