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Das perfekte Datum

Zur Feier des Festes Mariä Verkündigung

Für Mariä Verkündigung haben wir uns nicht erst zu interessieren begonnen, als der 25. März 2010 im Libanon als staatlicher Feiertag eingeführt wurde. Schließlich hatte ich schon zwei Jahre zuvor als Teil der „Weltreise durchs Kirchenjahr“ das Stück zur Verkündigung des Herrn geschrieben. Aber anläßlich der Initiative von Scheich Noccari, mit diesem Nationalfeiertag zu Ehren der von Christen wie Moslems hochverehrten Maria den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Libanon zu stärken, begannen wir uns über Ursprung und Inhalt dieses Festes verstärkt Gedanken zu machen; besonders vor dem Hintergrund seines im Verhältnis zu Weihnachten so bescheidenen Begängnisses.
Hinzu kam, daß zufällig genau in diesem Jahr – 2010 – in unserer Pfarrei vergessen worden war, die Verkündigung des Herrn in der Gottesdienstordnung auch nur zu erwähnen. Wir regten daher eine Beschäftigung mit dem Fest und seinem Inhalt an und hörten bald seitens der von uns kontaktierten katholischen Bildungseinrichtung: Jaja! Aus den Reihen der Islamwissenschaftler habe man längst Referenten zum Thema gefunden. Aus den Reihen katholischer Gelehrter hingegen bisher nicht.

Was hat es mit diesem Fest und seiner unverzichtbaren inhaltlichen Ergänzung, der Heimsuchung auf sich, da seine Marginalisierung scheinbar auf so wenig Protest oder auch nur Unverständnis stößt? Sicher: Mariä Verkündigung fällt in aller Regel in die Fastenzeit (warum das im Prinzip sehr sinnvoll ist, werden wir noch beleuchten), zu der die Werktage von Aschermittwoch bis Karsamstag zählen. In dieser Zeit will man nicht feiern – weswegen der Gründonnerstag durch Fronleichnam ja auch eine gewichtige Ergänzung erfahren hat. Fällt Mariä Verkündigung auf einen Sonntag, ist es nicht relevant genug, um den Sonntag zu verdrängen. Sogar als das Fest 2008 auf den Osterdienstag fiel, war die – eigentlich die Fastenzeiten vor weltlichen (!) Festivitäten schützende – „geschlossene Zeit“ die Begründung dafür, das Fest nicht zu begehen. Also keine Chance.

Robert Campin (und Werkstatt), Der Altar v. Mérode, Verkündigungstryptichon, Mittelteil, vor 1430 (Wikimedia Commons, Google Art-Project)

Beinahe noch ärger ergeht es dem Fest Mariä Heimsuchung, dessen Feier man auf den 2. Juli geschoben hat und das wohl den meisten Christen hierzulande alljährlich durch die Maschen rutscht; wozu die völlige zeitliche Ablösung vom Anlaß des Festes einen Beitrag leisten dürfte. Denn woran erinnert das Fest Mariä Heimsuchung? An den Besuch Mariens bei ihrer Verwandten Elisabeth, zu der sie direkt nach der Verkündigung aufbricht. Und wie auch immer man sich die Wanderung des jungen Mädchens vorzustellen hat (die Abwertung bspw. des Protevangeliums des Jakobus zeigt, wie ungern gesehen wird, wenn ‚das Kirchenvolk‘ sich Gedanken über die konkreten Abläufe biblischer Geschichten macht – mögen diese Ausschmückungen auch tausend Jahre Kunstgeschichte begründet haben) – ob sie die locker 150 Kilometer von Nazareth bis ins „Gebirge von Judäa“ (Lk 1,39) tatsächlich ganz allein zu Fuß zurückgelegt hat oder ob es einen Wagen gab, der sie ein Stück mitnahm – bis nach der Niederkunft der Elisabeth (die wir am 24. Juni begehen) hat sie jedenfalls nicht gebraucht, denn deren Kind hüpft ihr bekanntlich im Leibe, als die Mutter ihres Herrn sie besucht.

Die Bewegung des Johannes bedeutet zweierlei: In Maria bewirkt die Begrüßung ihrer sehr viel älteren Verwandten, daß sie jetzt erst begreift, wie ihr geschehen und was ihr „Ja“ dem Boten Gottes gegenüber ausgelöst hat. Für uns lesende Zeugen beweist es, daß Christus in diesem Moment schon auf der Welt ist. Und so ist es kein Wunder, daß zwar die Verkündigungsdarstellungen der Kunstgeschichte von Kreuzen wimmeln, die der auf Maria herabschwebende Jesusknabe jeweils geschultert trägt, daß aber nur ausgefuchste Bilddeuter auf Anbetungsdarstellungen in einer etwaigen Verzahnung von Dachbalken des Stalles zu Bethlehem einen Hinweis auf das Kreuz und mithin die messianische Zukunft des neugeborenen Erlösers erkennen können.

Robert Campin (und Werkstatt), Der Altar v. Mérode, Verkündigungstryptichon, Detail (Wikimedia Commons, Google Art-Project)

Die Inkarnation des logos geschieht durch Marias „Ja“. Zur Verkündigung des Herrn, derer wir am 25. März gedenken, kommt Christus in die Welt. Um zu begreifen, was geschehen ist, braucht Maria den Besuch bei der Mutter Johannes des Täufers. Der Heilsplan aber ist abgeschlossen, als Gabriel Maria verläßt.

Also: Was für ein Datum! Was für ein Fest! Die Voraussetzung schlechthin für das Osterereignis! Keine Passion ohne Menschwerdung. Keine Geburt ohne Marias „Ja“ zur Empfängnis des Erlösers. So hält denn auch Joseph Ratzinger/ Benedikt XVI. im Kapitel „Heilige Zeit“ seiner Einführung „Der Geist der Liturgie“ fest:

Im Johannesevangelium als der abschließenden Synthese des neutestamentlichen Glaubens steht die Inkarnationstheologie gleichrangig neben der Ostertheologie, oder besser: Inkarnationstheologie und Ostertheologie stehen nicht nebeneinander, sondern erscheinen als die zwei untrennbaren Schwerpunkte des einen Glaubens an Jesus Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes und Erlöser. Kreuz und Auferstehung setzen die Inkarnation voraus. Nur weil wirklich der Sohn und in ihm Gott selbst ‚herabgestiegen ist‘ und ‚Fleisch angenommen hat aus Maria der Jungfrau‘, sind Tod und Auferstehung Jesu Ereignisse, die uns allen gleichzeitig sind und die uns alle berühren, uns aus der vom Tod gezeichneten Vergangenheit herausreißen und Gegenwart und Zukunft eröffnen.

Komisch, daß man ein so wichtiges Datum aus einem getauften „sol-invictus“-Fest des römischen Reiches zurückgerechnet haben soll. Stimmt. Hat man aber ja offenbar auch nicht. Die Publikationen zum Weihnachtsdatum sind Legion. Hans Förster bspw. hat aus seiner Dissertation eine „Spurensuche“ zum Thema „Weihnachten“ extrahiert, nach deren Lektüre einem vor lauter antiken Namen, Daten und Berechnungen der Kopf brummt. Dennoch hält sich alljährlich die These von der Lichterfeier zur Wintersonnenwende hartnäckig in den Feuilletons. Doch offenbar ist es Zeit umzudenken. Noch einmal Ratzinger, „Der Geist der Liturgie“:

Die alten Theorien, der 25. Dezember sei in Rom im Gegensatz zum Mithras-Mythos oder auch als christliche Antwort auf den Kult der unbesiegten Sonne geformt worden, der von den römischen Kaisern im 3. Jahrhundert als Versuch einer neuen Reichsreligion gefördert wurde, lassen sich heute nicht mehr halten.

Nicht Mariä Verkündigung wurde vom 25. Dezember nach vorne gezählt, sondern umgekehrt: Weihnachten feiern wir neun Monate nach Jesu Herabkunft in den Schoß der Jungfrau. Ratzinger: „Den Ausgangspunkt für die Festlegung von Christi Geburtstag bildet erstaunlicherweise das Datum des 25. März.“ Vor dem Hintergrund der antiken Vorstellung, der perfekte Mensch sterbe am Jahrestag seiner Geburt (in diesem Fall: seiner Herabkunft), verbindet sich dieses Datum zudem unkompliziert mit der Passion: Joseph Ratzinger sieht

[…] die älteste Notiz darüber bei dem afrikanischen Kirchenschriftsteller Tertullian (ca. 150 – ca. 207), der es offenbar als eine bekannte Überlieferung voraussetzt, daß Christus am 25. März den Tod am Kreuz erlitten hatte. In Gallien wurde dieser Tag noch bis ins 6. Jahrhundert als unbewegliches Osterdatum festgehalten.

Man könnte also sagen, wenn der Karfreitag einmal auf Mariä Verkündigung fällt, wie sich dies 2005 und 2016 traf, nun aber erst 2157 wieder geschehen wird: So war‘s gedacht! Das Verkündigungsdatum ist das in jeder Hinsicht erste. Es geht allem voraus, umfaßt in seinen Bedeutungsfacetten Geburt, Passion und Auferstehung Christi und macht mit seiner Position im Jahreskreis die Verbindung von Inkarnations- und Ostertheologie sinnfällig, deren Voraussetzungen es schafft. Sollte man die Geschenkfeste, die Martin Luther von Nikolaus und Lucia auf Weihnachten geschoben hat, bis die Geschenke das Christkind fast völlig verdeckten, nicht lieber wieder auf die Heiligenfeste zurückschieben? Geburtstag feiern in der Bibel ohnehin nur die Bösen (man denke an Herodes, dessen Geburtstagstanz Johannes der Täufer zum Opfer fällt). Mariä Verkündigung als das Datum der alle Theologie in sich begreifenden Inkarnation sollte stattdessen mehr in den Fokus rücken. Nicht zuletzt würde dies – um ein letztes Mal mit Ratzinger zu sprechen – „die marianische Dimension der christologischen Feste“ stärker in den Blick nehmen.

 

Cornelie Becker-Lamers, Weimar

 

Der Text erschien in gekürzter Fassung zuerst in X451. Fanzine des katholischen Glaubens, hg. im Auftrag des Neuevangelisierungsvereins X451 e.V. von Sebastian Berndt, Heft Nr. 21 (Februar 2021) S. 4f.

Zu den Zitaten von Benedikt XVI. vgl. Joseph Ratzinger, Der Geist der Liturgie. Eine Einführung, Freiburg: Herder 2007, S. 92-94 und 96.

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  1. […] und verstarb 1621 (also heuer zugleich 400. Todestag) und zwar ebenfalls am 15. Februar! Wie wir wissen, herrschte in der Antike die Vorstellung, der perfekte Mensch sterbe am Jahrestag seiner Geburt. […]

  2. […] Mindestens zweimal haben wir deshalb auch auf PuLa bereits über den 25. März als Tag der Verkündigung des Herrn geschrieben (hier und hier). […]

  3. […] neuesten Stand ist, Albernheiten, wie das scheinbar nicht auszurottende Gerücht vom heidnischen Ursprung der Weihnacht beispielsweise braucht man bei ihr nicht zu […]

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