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„also: Weimarer“ – Teil VI

Wie gesagt: Gedanken über das Zitat zum Tage (zum 3. Oktober 2020)

 

„Wir sind unter uns“?

 

Hammer, Sichel und Pionierknoten: „Lassen Sie sich von uns zurück in Ihre Kindheit entführen.“ Die Schulküchentomatensoße der MHV GmbH (Landkreis Mansfeld-Südharz), (eigenes Bild)

Aus anderen gesellschaftlichen Bereichen kennen wir die Sehnsucht nach den ‘nicht-alles-schlechten’ alten Zeiten: die Sehnsucht eben nach einem Zustand wie in der eigenen Kindheit; nach einer Welt, in der man sich auskennt und in der man zuhause ist. Nun umfaßt die Sehnsucht nach den alten Zeiten in einer Kirchgemeinde wohl nicht gerade die staatlichen Symbole der DDR. Aber ob wir demselben Phänomen nicht doch auch in unserer Pfarrei begegnen und die Äußerung des Pfarrers deswegen so formuliert wurde, wie wir sie hören können (nochmal hier ab Minute 7:10 etwa)? 

In Bezug auf Weimar allgemein hat Hans Dieter Mück im vergangenen Jahr ein zweibändiges Konvolut über die „aus Weimar Vertriebenenvorgelegt, welches dieses altbekannte Weimar-Phänomen von Bach bis Bauhaus in Kurzbiographien beleuchtet: Ob Carl Zeiss‘ Unternehmen oder Richard Wagners Grüner Hügel: In Weimar wurde, trotz seiner erstaunlichen Prominentendichte, immer noch mehr verhindert als geduldet.
So ächzen auch nach wie vor Kulturinstitutionen und Bildungseinrichtungen unseres Städtchens unter den Seilschaften der alteingesessenen Weimarer. 

Und in Weimars katholischer Pfarrei? Sieht es da anders aus? Sind „wir“ da unter „uns“? Das wäre ja schlimm genug.  Oder ist unter „uns“ ein „wir“, das unter sich bleiben will? 

Mir scheint es so und ich bedaure, daß es keinerlei Gesprächsmöglichkeiten hierzu gibt. Eine Gemeindeversammlung hat Pfarrer Gothe von Beginn an ausgeschlossen, so daß die letzte Versammlung 2009 zum Thema Altarposition und neue Fliesen in der Apsis stattfand. Also legt PuLa hier wieder einmal alleine vor und man wird vermutlich wieder einmal über uns statt mit uns reden.

Wie auch immer – die Suche der „also: Weimarer“ nach dem „Wir sind unter uns“ könnte immerhin einige Phänomene erklären, die ich lange nicht verstanden habe. Hier meine Thesen zu einigen der Langzeiträtsel unserer Pfarrei:

Sind „wir“ noch „unter uns“? Das Skandalon der Franz-Liszt-Gedächtnisorgel

Es ist doch merkwürdig, daß nach wie vor über die Orgel ein so magerer und sogar fehlerhafter Text auf der 2016 neu aufgesetzten Homepage unserer Pfarrei zu lesen ist. Als unsere Pfarreiseite zum Kirchweihjubiläum Ende September 2016 neu aufgesetzt worden war, ergab ein Gespräch mit der Homepageredaktion, daß ein ausführlicherer Text inklusive  Musikbeispielen vorgelegen hatte, dann aber auf die vorfindliche Fassung zusammengestrichen wurde. Also fragte ich unter vier Augen beim Pfarrer nach. Seine Antwort war ein langes Schweigen. Bei nächster Gelegenheit brachte ich das Thema an einem Infotisch des Kirchortrates gegenüber dessen Sprecherin vor. Sie wich geradezu körperlich zurück und begann mich zu beschimpfen. Die Analyse des weitgehend aus wikipedia übernommenen Homepagetextes von Herz Jesu Weimar zur Franz-Liszt-Gedächtnisorgel steht nun schon seit einem halben Jahr auf PuLa. Es tut sich immer noch nichts.
Dieser Tatbestand ist in meinen Augen mehr als erklärungsbedürftig. Warum darf dort nicht die Wahrheit stehen? Und warum wurden die Gespräche, die Professor Kapsner noch 2013 für PGR und KV anbot, um über die neue Orgel und seine größere Vision zu informieren, durch den damaligen Pfarrer per Rundmail unterbunden – und alle gehorchten dem Verdikt? Professor Kapsner jedenfalls lief in der Folge herum, als müsse er sich für die neue Orgel entschuldigen.

Was um alles in der Welt ist das Skandalon an diesem wertvollen Geschenk für unsere Gottesdienste?

Als ich über das Zitat von den „also: Weimarern“ nachdachte und mir das ‘Rollback’ auffiel, das 2015 eben nicht endete und inzwischen so viele Bereiche unseres Gemeindelebens durchdringt, wurde es mir plötzlich klar: In der Orgel materialisiert sich die Tatsache, daß das „Wir sind doch unter uns“ nicht mehr der Realität entspricht.
Mit der Orgel als Eigentum der Hochschule (was in Herz Jesu Weimar bekanntlich peinlich verschwiegen werden muß) hat sich ein Stück Außenwelt in unserer Kirche eingenistet und geht nicht mehr weg: Das ist das Skandalon an der Franz-Liszt-Gedächtnisorgel. Das Engagement eines Zugezogenen, der mit seiner Familie ebenfalls nicht mehr weggehen wollte, hat sich hier in einer neuen Königin der Instrumente materialisiert. Es bedurfte eines hohen Maßes an psychischer Gewalt, um letztlich auch ihn samt seiner Familie aus der Pfarrei und zuletzt (im April dieses Jahres) aus Weimar zu vertreiben.

Nochmal Chorkleidung

Ziemlich genau zu der Zeit, als auf PuLa die vierteilige Serie zum Thema Chorkleidung und Pfarrjugend-T-Shirts erschien, einigte sich der Kirchenchor von Herz Jesu Weimar auf schwarze Kleidung mit lila Schal (Damen) bzw. Krawatte (Herren). Vorher – und das habe ich wirklich bei keinem andern Chor im kirchlichen oder weltlichen Umfeld je gesehen – war man stets gut angezogen, aber eben nie in einheitlicher ‚Kluft‘ oder gar liturgischen Gewändern. Es war, als würde man im privaten Rahmen singen. Bei einer Geburtstagsfeier käme man sich schließlich auch komisch vor, wenn man sich von der Kleidung her abspräche. Man macht sich schön, aber wir sind doch unter uns, und da fühlt sich alles Abgestimmte wie eine Verkleidung an. Und so sang man dann eben auch Messen.

Dieser Umstand war nicht reflektiert, da bin ich mir ganz sicher. Es geschah keinesfalls absichtlich, daß fast niemand in schwarz erschien. Aber es umgriff auch Chormitglieder, die normalerweise wissen, wie man sich kleidet und die genügend schwarze Kleidung im Schrank haben. Es dachte einfach niemand darüber nach, ob man Fremde möglicherweise umso wirkungsvoller ausschließt, je privater man sich gibt. Es war einfach so und wurde in den seltensten Fällen auch nur thematisiert – um dann bewußt zugunsten frei wählbarer Kleidung entschieden zu werden. Wir sind doch unter uns.

Und der Umgang mit PuLa natürlich

Im Umgang der “also: Weimarer” mit PuLa war von Beginn an bemerkenswert, daß man sich nicht darüber echauffierte, was wir schrieben, sondern daß wir schrieben.  Ob kritische Anmerkung oder positives Feedback, beides war gleichermaßen unerwünscht. Was die Kritikpunkte anbelangte war nie das Problem, daß ja passiert war, was wir schrieben, sondern allein, daß es durch unser Schreiben publik wurde.
Wenn ich mir jedoch vorstelle, in einer Institution, mit der ich zu tun habe – sagen wir, in einem Ministerium meines Bundeslandes – herrschen punktuell unhaltbare Zustände, sagen wir wegen eines Beamten oder der politischen Leitung. Dann wäre ich doch froh, wenn ein Journalist dem nachginge, der Mißstand aufgedeckt, und der Weg freigemacht würde, um die Situation zum besseren zu verändern. Unter welchen Umständen nur möchte man so etwas nicht?
Genau: Wenn es das eigene Privatleben betrifft. Wenn die Mißstände beispielsweise durch Mitglieder der eigenen Familie verursacht wären. Dann ginge mir der Schutz dieser Verwandten vermutlich vor der Aufklärung zum Wohle der Allgemeinheit.

Ja – und genau das habe ich gesprächsweise in Bezug auf PuLa erlebt. Einige Menschen – nennen wir sie weiterhin die “also: Weimarer”, denn das traf es auch im vorliegenden Fall wieder -, ganz bürgerlich anständige Menschen und in keinster Weise direkt involviert in die Mißstände, die bis 2015 die Pfarrei in Atem hielten, stießen sich daran, daß PuLa über ausgewählte Vorgänge in der Pfarrei berichtete, um die Situation für alle wieder lebbarer zu machen. Aber: Wir sind unter uns. Die Gemeinde ist die Familie. Wir machen vor uns hin und hoffentlich sieht uns keiner. Da ist keine Distanz, die das Denken an andere, Zugezogene, Ausgegrenzte innerhalb der eigenen Pfarrei ermöglichte.

In seiner Weihnachtsansprache an die Kurie wandte der Papst sich gegen die Behauptung, die Medien berichteten über Missbrauch in der Kirche, um ihr zu schaden. Er dankte den Medien ausdrücklich für ihre Bemühungen, die Taten aufzudecken und den Opfern eine Stimme zu geben.

So berichtete Ende 2018 neben etlichen Zeitungen auch die Weimarer Lokalpresse.
Ja genau! Ob die “also: Weimarer” einem hiesigen Ortsgeistlichen je eine solche Stellungnahme zu diesem Blog gestatten werden?

 

Fortsetzung folgt morgen

 

Cornelie Becker-Lamers

 

Ein Trackback/Pingback

  1. […] einen auswärtigen Gast im Bischofsrang protokollarisch korrekt begrüßt. Aber ich vergaß: „Wir sind ja unter uns“. Da kommt’s ja nicht so drauf an … […]

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