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Das Firmbewerberwochenende

Näher dran

Anfang April haben Pfarrer und Gemeindereferentin übers Wochenende mit den aktuellen Firmlingen anderthalb Tage im Gemeindehaus verbracht. Im Vorfeld hatte es einen Elternabend gegeben, zu dem der Pfarrer zwar leider nicht erscheinen konnte, weil man zeitlich exakt parallel eine Kirchenvorstandssitzung anberaumt hatte.

Bestimmt wäre sonst das Kirchendach eingestürzt 😉 : KV-Sitzung parallel zu einem der beiden Elternabende während des Firmkurses (Screenshot aus den Vermeldungen)

Aber im Grunde war uns das Konzept ja auch im vergangenen Juni bereits erläutert worden: Der Unterricht sollte sich nicht auf Theorie beschränken, sondern die Jugendlichen sollten u.a. mit Orten in ihrer Stadt in Berührung kommen. Zum Beispiel Buchenwald.

Ich weiß noch, was ich letztes Jahr nach dem Elternabend für gute Laune hatte. Hatte unsere ältere Tochter 2014 doch großes Pech mit ihrem Firmunterricht gehabt. Nur alle zwei Wochen traf sich die Gruppe. Viermal wurde in dieser Zeit ein Film geschaut. Und zwar zu Themen, von denen man sich fragte, wie 14jährige (unsere Tochter gehörte zu den Achtklässern beim damals zweijährlich stattfindenden Firmkurs) aus Weimar sie unvorbereitet ‚verdauen’ oder die Problematik auch nur verstehen sollten. Über die Situation der Migranten in den Banlieues von Paris zum Beispiel. Oder das Schicksal eines Jungen, dessen Vater beim Terroranschlag auf das World Trade Center 2001 (da waren diese Firmlinge ein Jahr, zwei Jahre alt) zu Tode gekommen war. Die Filme dauerten anderthalb Stunden, danach war der Unterricht vorbei und Tschüß. ‚Besprochen‘ wurde das Erfahrene dann zwei Wochen später, und die Eltern konnten den zum Teil doch verstörten Jugendlichen zwischenzeitlich nicht einmal helfen – wir kannten die Filme ja selber nicht. Also das war schon wirklich merkwürdig und sei hier nur kurz zusammenfassend erwähnt, um zu verdeutlichen, was sich die Verantwortlichen eigentlich nicht leisten sollten. Und was beispielsweise in den Jugendgruppen nachzubereiten (gewesen) wäre, wenn man als neuer Pfarrer Firmlinge aus solchen Kursen vor sich hat.

Ich freute mich deshalb, daß es unser nächstes Kind besser treffen würde.

Und hat es dann in diesem Punkt ja auch.

Die Jugendlichen waren tatsächlich in Buchenwald und hörten in den Haftzellen des evangelischen Pfarrers Paul Schneider (des „Predigers von Buchenwald“) und des katholischen Priesters Otto Neururer (von dessen Asche etwas in unserem Altar verborgen ist) über das Leben und Schicksal dieser beiden Märtyrer. Das wird niemals inaktuell. Wenige Tage zuvor hatte in Weimar in der Carl-August-Allee, die vom Bahnhof zum Neuen Museum hinunter führt, eine Fotoausstellung zu Buchenwald-Überlebenden eröffnet. „Sichtbar werden diejenigen, die nicht dazu gehören sollten“, titelte die Lokalzeitung hierzu am 29. März 2019.

Man kann viel lernen aus dieser Zeit. Wie Menschen aus fadenscheinigen Gründen ausgegrenzt werden und die, die sich für sie einsetzen, gleich mit. Wie eine Unrechtslage und die Einschränkung der Meinungsfreiheit Wissenschaftler und Kulturschaffende in die Flucht schlägt und die Gemeinschaft sich dadurch auch selber unglaublichen und bleibenden Schaden zufügt. Denn die allerwenigsten von denen, die ins Exil gegangen waren, kamen ja zurück – Autoren meist wie Thomas Mann, Theodor W. Adorno oder Edgar Hilsenrath, die so sehr in der deutschen Sprache beheimatet waren, daß sie nicht Amerika bleiben konnten. Wie nach dem Ende des Schreckens zunächst einmal niemand an Aufarbeitung dachte – und wir darum bis heute nicht fertig sind damit. Wie gerade die Täter mit der meisten kriminellen Energie sich aus dem Staub machten und nicht mehr gesehen waren – häufig denn auch auf Erden davonkamen. Und wie demgegenüber bis heute inzwischen über 90jährige vor Gericht landen. Wie die Mitwisser und Mitläufer alles taten, um so zu tun, als sei nichts gewesen – und die meisten der Opfer auch. Viele wollten einfach nur vergessen und „nach vorne schauen“. Und wie dadurch dieselben Leute einfach weitermachten und nach dem Krieg wieder einen hohen Posten bekleideten. Und wie für viele Opfer Entschuldigung und Entschädigung, als man sich denn endlich dazu durchgerungen hatte, zu spät kamen. Dinge, die uns heute empören.

Dennoch kann man nicht nur aus Anwendungsbeispielen lernen. Zu schwierig häufig zu sehen, in welch entscheidendem Punkt die eigene kleine Situation doch gerade der des großen christlichen Vorbilds entspricht. Haben wir einen Krieg erlebt?

Jedenfalls müssen die Jugendlichen im Firmunterricht auch ganz schlicht von der Lehre der Kirche soviel lernen, daß sie zumindest eine Idee davon bekommen, wieviel noch zu lernen wäre! Kirchengeschichte, Philosophiegeschichte, Geschichte der Päpste, die immer auch politische Geschichte war, Kirchenrecht, Gebete, Glaubenssätze, Liturgie, Ikonographie …

An dieser Stelle möchte ich auf einen kurzen Film aufmerksam machen, den ich auf dem YouTube Kanal der kleinen, aber tapferen Diaspora-Pfarrei Oschersleben bei Magdeburg gefunden habe. Jugendliche oder Kinder haben die Kirchengebote sowie Akte der Hoffnung, der Treue, des Glaubens und der Liebe eingesprochen und online gestellt – ohne Kinderbild, also ohne jede Gefahr hinsichtlich Datenschutz. Aber wirkungsvoll mit Sicherheit zumindest für die Kinder selber. Dieses Thema leitet aber zu einem neuen Beitrag über, der in Sachen Homepage und medialer Öffentlichkeit unserer Pfarrei zu schreiben wäre. Ein andermal. Hören Sie hier nur „Die Kirchenjebote“.

Enjoy! 🙂

Cornelie Becker-Lamers

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