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Der Adventskalender mit dem Hl. Hilarius v. Poitiers, Tag 21

In den mittleren Zeiten des Gesetzes nämlich, ehe der eingeborene Sohn Gottes, von Ewigkeit her Gott das Wort, als Mensch geboren wurde, haben auf Verlangen des Königs Ptolemäus die siebzig Ältesten die Bücher des alten Testamentes aus der hebräischen Sprache in die griechische übersetzt. Es war aber schon von Moses früher die Anordnung getroffen worden, daß in der ganzen Synagoge siebzig Lehrer sein sollten. […]
Die Lehre dieser Männer, welche von dem Gesetzgeber selbst empfangen hatten, nun blieb in der Folge in dieser Zahl und diesem Amte der Ältesten aufbewahrt. Diese Ältesten also, welche diese Bücher übersetzten, und nach Moses Überlieferung die höhere Wissenschaft […] erlangt hatten, übersetzten die zweideutigen Ausdrücke der hebräischen Sprache, welche an sich verschiedenes bedeuteten, nach dem wirklichen Inhalte durch bestimmte und geeignete Wortbezeichnungen, indem sie durch die Kenntnis der Lehre jenen vielfachen Sinn der Ausdrücke beschränkten.
Und daher kommt es, daß die späteren Übersetzer auf verschiedene Arten erklärten, und so den Völkern einen großen Irrtum verursachten; indem sie, mit jener geheimen und von Moses ausgegangenen Überlieferung unbekannt, das, was in der hebräischen Sprache zweideutig angeführt ist, weil sie in der Ungewißheit waren, selbst nach eigenem Gutdünken übertrugen.
Von der Doppelsinnigkeit der hebräischen Sprache aber wollen wir ein Beispiel anführen, […]
Bresith ist ein hebräisches Wort. Es hat drei Bedeutungen, nämlich : Im Anfange, im Haupte, und im Sohne. Aber die siebzig Übersetzer haben es mit „im Anfange“ gegeben, während andere es auf verschiedene Weise übersetzten, und in Folge dieser Zweideutigkeit wurde von ihnen in der Übersetzung (-sfrage) Verwirrung herbeigeführt.
So aber bleibt die Autorität dieser siebzig Übersetzer vollkommen; erstens, weil sie vor der Ankunft des Herrn im Fleische übersetzt haben, und ihnen in der Übersetzung keine Schmeichelei, welche sie sich zu Gunsten der Zeit erlaubt hätten, vorgeworfen werden kann, da die Zeit der Übertragung um so viel früher war; zweitens, weil eben jene Vorsteher und Lehrer der Synagoge, welche nebst der Kenntnis des Gesetzes durch Moses auch noch durch eine geheimere Lehre vervollkommnet waren, als Schiedsrichter im Übersetzen anerkannt werden mußten, da sie die zuverlässigsten und ehrwürdigsten Lehrer waren. […]

(Tractatus super psalmos, Ps 2, 2f)

LXX interpretum auctoritas“, die „Autorität der siebzig Übersetzer“, also der Septuaginta, so überschreiben die Patrologia Latina (PL) Abschnitt 3 zu Psalm 2 aus dem Kommentar des Hl. Hilarius.

Die mehr oder weniger vorgenommene Identifizierung, bzw. die direkte Verbindung des jüdischen Sanhedrins (cf. Ex 24, Num 11) mit der Übersetzungsarbeit in Alexandria ist so freilich wohl kaum haltbar (Allerdings achtet man seit einiger Zeit in der Forschung auf den hohen Grad der Zuverlässigkeit der Septuaginta-Übertragung wieder viel stärker, als das zwischenzeitlich einmal der Fall war…)
Erneut finde ich es aber viel interessanter, auf die Struktur der Argumentation zu schauen, als auf derartige Einzelheiten.
Dann sieht man, Hilarius begründet und verteidigt die Autorität der Septuaginta zunächst ganz aus der jüdischen Tradition. Dann weist er auf die historische Vorgängigkeit der Septuaginta in Bezug auf das Christus-Ereignis hin, und bringt obendrein ein ganz praktisches Beispiel, worauf es bei der Qualität der Übertragung ankomme.
Man sollte sich also, glaube ich, bei der Bewertung dieser alten Texte nicht von vordergründigen Signalwörtern wie „Autorität“, „ehrwürdig“ und „höhere Wissenschaft“ in die Irre führen lassen, es handele sich hier irgendwie um verstaubten und irrationalen „alten Kram“, der uns nichts mehr zu sagen hätte.

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