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Sketch des Monats: Das Halbfinale

Während in Brasilien unter reger Anteilnahme der einheimischen Bevölkerung die FIFA-WM tobt, trägt man in einer kleinen katholischen Diasporagemeinde im Erzbistum Berlin ein Match aus, in dem die Ehrenamtler gegen „Vertreter“ des örtlichen Pfarrgemeinderates angetreten sind. Torreich ist das Spiel allemal – und dennoch verliert das Publikum so langsam aber sicher das Interesse an den Vorfällen auf dem Spielfeld. PuLa ist für Sie mal wieder live dabei.

 

Sketch des Monats: Das Halbfinale

Ein Sketch für drei Schafe, eine Kinoleinwand und beliebig viele Schafstatisten

 

(Auf unserer nun schon wohlbekannten Schafweide vor den Toren von Wundersdorf finden wir verblüffende temporäre Veränderungen vor: Am Rande der Weide ist eine große Public-Viewing-Leinwand installiert. Die Schafe stehen gebannt vor dem Bildschirm und verfolgen ein Fußballspiel. Etwas abseits steht Kohle und grast. Ihn scheint es nicht zu interessieren. Wolle und Flocke, die von einem Spaziergang am Wassergraben zurückkehren, gesellen sich Kohle zu.)

 

Flocke: Hallo, Kohle!

Kohle (mit vollem Mund): Ha-ooo.

Wolle: Na – wie steht’s?

Kohle: Keinge Ahngung (Er schluckt seinen Bissen hinunter.) Bei 7:9 habe ich aufgehört zu gucken.

Flocke: Wer führt denn?

Kohle: Die Ehrenamtler.

Wolle: Mit neun Toren?

Flocke: Wie kann das denn?

Kohle: Alles Eigentore der PGR-ler. Kneif lehnt ja nur am Pfosten und macht keinen Finger krumm.

Flocke: Aber trotzdem – neun Eigentore … Und wer hat die sieben Tore für den PGR geschossen?

Kohle: Geworfen, wolltest du wohl sagen? Na, Corinna rennt ab und zu mit dem Ball unterm Arm nach drüben.

Wolle: Wie? Das geht? Wird das nicht abgepfiffen?

Kohle: Nö. Scheint’s nicht … (er grast weiter).

Flocke: Und warum schießt von den andern keiner?

Kohle: Die Mannschaft des PGR besteht nur aus Vorstoppern. Da ist keiner im Sturm. Sie finden, das gehöre sich nicht. Sich so vorzudrängeln. Hat die stellvertretende Vorsitzende vorhin gesagt. (Er schaut zum Bildschirm) Da! Da siehst du’s grade schön – alle im Fünfmeterraum vor dem eigenen Tor.

Flocke: Früher hatten sie wenigstens noch den einen oder anderen Traditionalisten, den sie als „Rechtsaußen“ verkaufen konnten.

Kohle: Alles vorbei! „Friede, Freude, Eierkuchen: Wir machen dicht, woll’n nix versuchen.“

Wolle (trabt ein paar Schritte auf den Bildschirm zu): Ou, das war aber ein Foul!

(Man sieht Sanitäter auf den Platz laufen und einen Ehrenamtler auf einer Bahre davon tragen.)

Kohle: Tja. „Da waren’s nur noch sechs.“

Flocke: Was?

Kohle: Corinna hat schon einen Ehrenamtler krankenhausreif gefoult, und drei sind nach einer Schwalbe von Corinna vom Platz gestellt worden.

Wolle: Rote Karte?

Kohle: Klar, sofort!

Flocke: Hammerhart!

Wolle: Wer pfeift eigentlich?

Kohle: Jemand aus der Rechtsabteilung vom Bistum. Da ist sie gerade im Bild, guck!

Flocke: Hm! Und die sieht das wohl alles nicht?

Kohle: Sieht nichts oder darf nicht oder will nicht – oder sieht alles, pfeift aber nicht – keine Ahnung. (Er grast.)

Wolle (ereifert sich): Wenn bei der FIFA jemand so derbe foult, gibt es ein Disziplinarverfahren und der Typ ist über Monate weg vom Fenster!

Flocke: Wie jetzt dieser aus Uruguay …

Wolle: Suárez.

Flocke: Richtig, Suárez. Naja – deswegen ist der Sport ja auch attraktiv, gerade für junge Leute.

Flocke: Das stimmt! Die suchen nämlich nach Regeln, auf deren Einhaltung sie sich auch verlassen können …

Wolle: … die ihnen helfen, Situationen zu beurteilen, zu argumentieren und ein Gespür zu entwickeln dafür, was korrekt ist und was unfair.

Flocke: Die ihnen vor allem die Sicherheit vermitteln, daß es möglich ist, irgendwo mal prinzipiell durchzublicken.

Kohle (trocken): Tja. Regularien für unser Wundersdorfer Dilemma hätten wir in der Kirche auch genug, nur wendet sie keiner an. Corinna kann scheint’s wegbeißen, wen sie will.

Wolle (platzt): Schaf, Kohle, das kann dich doch nicht so kalt lassen!

Kohle: Was willst du denn von hier aus machen? Wir auf unserer Schafweide, hm? Was sollen wir uns denn hier heiß machen?

Flocke: Man muß doch etwas tun!

Kohle: Laß mal! Das hier ist erst das Halbfinale. Das Finale spielt woanders! Da spielen dann ganz andere Instanzen mit. Ganz andere!

 

 

ENDE

 

 

Cornelie Becker-Lamers

Ein zwei Jahre alter Sketch, der in der Zeit unserer freiwilligen (aber schlecht gedankten!) Sketch-Abstinenz bei JoBo erschien (hier), jedoch leider nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat und nun erstmals auf PuLa in aktualisierter Form zu lesen ist.

 

5 Kommentare

  1. Ester schrieb:

    Sehr treffend, sehr treffend!
    Ich erlaube mir zu verlinken!
    Jedoch ist es wirklich so, das Finale ist ganz wo anders und ganz anders!
    Ich muss ehrlich sagen, wenn ich mir manche Spezialisten im Finale vorstelle, dann tun sie mir richtig, richtig leid!

    Mittwoch, 9. Juli 2014 um 15:26 | Permalink
  2. „Verlinken“ ist ja wohl das understatement des Monats, liebe Frau Kollegin! 😉
    Tatsächlich gibt es hier einen ganzen Beitrag auf Basis unseres Sketches! 🙂
    Die Blogoezese rockt! 🙂

    Und: Dankeschön!

    Mittwoch, 9. Juli 2014 um 20:05 | Permalink
  3. Cornelie schrieb:

    Liebe Ester! Vielen Dank! Daß einem um die einschlägigen „Spezialisten“ angst und bange wird im Hinblick auf das „Finale“, das Gefühl kennen wir auch!

    Mittwoch, 9. Juli 2014 um 22:40 | Permalink
  4. Ester schrieb:

    Gern geschehen werter Kollege.
    Das sind halt die Dinge, die man gendermäßig nicht wahrhaben will.
    Frauen können sich schlecht kurzfassen!

    Mittwoch, 9. Juli 2014 um 22:59 | Permalink
  5. 🙂
    Ach, ich weiß nicht…
    Aber wie auch immer: Ich fand die Beobachtungen nicht etwa zu lang, auf gar keinen Fall!

    Dank und Gruß

    GL

    Donnerstag, 10. Juli 2014 um 12:09 | Permalink

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