Zurüruck zum Inhalt

Der Buch-Geschenktip zum Adventskalender, Nr. 2

…sollte heute erscheinen, kann es aber nicht, weil ich nach mehreren Wochen außergewöhnlicher und ungeplanter dienstlicher Belastung einfach zu müde bin, um den Text heute noch zu schreiben. Daher wird er morgen im Laufe des Tages nachgeholt. 

So hieß es gestern, und heute (Sonntag) ist es soweit, abends erst, natürlich. 😉

War das Buch über die Lateinischen Psalmen unzweifelhaft das “katholischste” der Bücher, die ich Ihnen in diesem Advent ans Herz legen möchte, so ist das heutige vor der Hand nicht einmal besonders christlich. Obwohl…

Es handelt sich um die Biographie, die R. Safranski 2019 zum 250. Geburtstag (1770 – 1843) von Friedrich Hölderlin herausgebracht hat:

Rüdiger Safranski, Hölderlin
Komm! ins Offene, Freund! Biographie
Carl Hanser Verlag, München 2019
ISBN 9783446264083
Gebunden, 336 Seiten, 28,00 EUR

So sieht es aus:

R. Safranski, Hölderlin (eigenes Bild)

Warum es lohnt, sich mit Hölderlin zu beschäftigen, muß ich, glaube ich, niemandem erklären, der auf die Idee kommt, einen Adventskalender, der aus einer Ansammlung von Gedichten besteht, zu lesen. Aus der Reihe seiner Dichterkolleginnen und -kollegen aus jener reichen Umbruchszeit zur Wende des 18ten zum 19ten Jahrhundert, ragt er mit seinem ganz eigenen Ton heraus – und mit seinem besonderen Schicksal, hat er doch die zweite Hälfte seines Lebens, sechsunddreißig Jahre (!) nach 1806 in einer, wie auch immer näher zu fassenden, Form der geistigen (oder soll man sagen, ‘seelischen’?) Umnachtung zugebracht, ab dem Jahr 1807 im berühmt gewordenen “Turm” des Schreinermeisters Zimmer in Tübingen (bzw. später dessen Tochter). 

Und wenn man sich auch großer Dichtung nicht notwendig besser naht, in dem man über die Lebensumstände dessen, der sie hervorgebracht hat, Bescheid weiß, so entsteht doch auch sie nicht in einem Vakuum, kann, partiell!, von ihrem Umfeld her beleuchtet werden, wie sie, vor allem, umgekehrt ihre Zeit häufig erst ins “rechte Licht” rückt. 

Freilich, wie das “Licht” beschaffen ist, mit dem der “Scheinwerfer Hölderlin” leuchtet, das ist eine Frage, mit der ich auch nach der Lektüre dieser Biographie keineswegs fertig bin. Aber ich weiß nun noch mehr, daß ich es besser verstehen möchte! 

Safranskis, wie bei diesem Autor gewohnt, flüssig und gut lesbar geschriebenes Buch enthüllte für den Leser aus Thüringen zunächst die unerwartet große Nähe seines Gegenstands zu diesem Landstrich, das zeitweise enge Verhältnis zu Schiller, die Aufenthalte in Jena und die Zeit als „Hofmeister“ (Hauslehrer) in dem zwar heute bayerischen (und nicht etwa gothaischen) Waltershausen in der Rhön. 

Safranski geht den von allerlei Raunen umgebenen und tatsächlich ja auch immer wieder überraschenden Lebensumständen und -wendungen in angenehm nüchterner Art und Weise nach, geheimnist von sich aus nichts hinein, verschweigt aber auch nicht die diversen Deutungsansätze, die es, seit die Beschäftigung mit Hölderlin im 20. Jahrhundert recht in Gang kam, gegeben hat.

Daß er dabei den (welt-) politischen Umständen ebenso Rechnung trägt, wie er immer wieder versucht, die philosophischen Strömungen der Zeit, an denen Hölderlin so regen Anteil nahm, ja, die ihm vermutlich existenziell wichtig waren, in ihrer Wirkung auf seinen Gegenstand zu berücksichtigen, hätte man vom Verfasser des von mir sehr geschätzten Buchs über die Romantik (“Romantik. Eine deutsche Affäre”, 2007) nicht anders erwartet. 

Dennoch, gerade hier fehlt mir auch etwas. Zum Beispiel finde ich, die Wirkung der Kantischen Philosophie, die der noch werdende Dichter in der Zeit seines Studiums, des evangelischen Theologie-Studiums mit dem eigentlich verpflichtenden Berufsziel „Pfarrer“!, erlebte (erlitt?), wird nicht so deutlich, wie ich mir das gewünscht hätte. Aber ob das an mangelnder Präzision Safranskis liegt, oder einfach daran, daß er hierzu schlicht nicht zu einer eindeutigen Meinung gelangt ist, halte ich mit ein wenig Abstand für offen.
Hier gilt es wohl ebenso selber weiterzudenken und zu folgern, wie in Bezug auf das Verhältnis Hölderlins zur sich entwickelnden (Früh-) Romantik. 

Warum, so fragt sich der katholische Leser und Freund der Dichtung, hat Hölderlin, dieser wohl sehnsuchtsvollste und erhabenste Sänger des Göttlichen in seiner Zeit, nicht das Kernanliegen der Romantiker ergreifen können, die ‘Rückverzauberung der Welt’?
Warum mußte er “verrückt” werden und konnte nicht, wie so viele der besten Köpfe der Romantik, den Weg zur Kirche, den Weg nach Rom finden? 

Wer sich dergleichen Gedanken auch machen will, dem kann ich die Biographie von Safranski jedenfalls ehrlich empfehlen und anhand des folgenden Videos können wir Hölderlins gedenken; Hyperions Schicksalslied: 

Gereon Lamers

Einen Kommentar schreiben

Ihre Email wird NIE veröffentlicht oder weitergegeben. Benötigte Felder sind markiert *
*
*

*