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Das Reservat 2/4

Ein Sketch zum Zweiten Advent für drei Personen

Wundersdorf, Oderbruch. In der Küche der Familie Langenfeld. Wir erinnern uns: Karl hat sich heimlich und verbotenerweise ins Reservat begeben, zu dem die Stadt Wundersdorf umfunktioniert worden ist. Nun sitzt er mit Edith bei einer Tasse Kaffee und Teresa betritt den Raum. Sie begrüßt Karl und ihre Mutter, nimmt sich einen Becher aus dem Schrank und füllt Wasser in den Wasserkocher.

 

Edith: Na, mein Schatz?! Wie war’s?

Teresa (auf Karls fragenden Blick hin): Ministrantenstunde bei Pfarrer Finke. (Sie öffnet den Küchenschrank und guckt die Schachteln mit den Teebeuteln durch.)

Karl (horcht auf): Finke? Aus … hier … wie heißt es … in der Nähe von Magdeburg?

Edith (nickt stolz): Ungeimpft! (Sie grinst.) Jetzt haben wir hier Pfarrer Finke!

Teresa (zuckt die Achseln): Och ja … wie war’s? … Wie immer … (Sie hängt einen Beutel in ihren Becher und wartet mit verschränkten die Arme, daß das Wasser kocht.)

Edith (lacht auf): „Wie immer“ ist gut! Wieviele Jahre hatten wir keine regelmäßigen Ministrantenstunden? Zehn?

Teresa: Reimer war nicht da … (sie gießt das heiße Wasser auf und kommt mit ihrem Becher an den Tisch.)

Edith: Was hat er?

Teresa: Nichts. Aber ist letztes Mal in der Nähe des Tunnelausgangs draußen geschnappt worden und war nicht schnell genug mit seiner Ausrede. Hat jetzt erstmal zwei Wochen Hausarrest.

Edith (mahnend): Quarantäne heißt das, Teresa! Quarantäne!

Teresa: Und Wenzel hat es zwischenzeitlich entschärft (sie trinkt).

Edith: Jetzt während der Stunde?

(Teresa nickt und pustet über ihren heißen Tee.)

Karl: Was ist passiert?

Teresa: Impfung in einen harmlosen Infekt hinein. Jetzt ist er richtig krank.

Edith: Das darf man doch aber auch nicht machen! Das weiß man doch!

Karl: Nach solchen Details fragen viele Ärzte heute nicht mehr … impfen impfen impfen … die sind dermaßen unter Druck …

Edith: Was haben sich die Leute früher aufgeregt, wenn ein Jugendlicher bei der Fronleichnamsprozession umkippte, weil wir alle nüchtern zu sein hatten …

Karl: Zu Recht! Das war ja auch Irrsinn! In den Klosterregeln wurde deshalb ja auch immer unterschieden zwischen den Anforderungen an die erwachsenen Mönche und den Regeln für Jugendliche, Knaben, Novizen …

Edith: Und heute? In der Impf-Religion ist alles egal!

Karl (nickt): Und siehst du die Zwillinge noch?

Teresa: Kira und Ska? Nö, die sind doch raus …

Karl: Wie – raus?

Edith: Wußtest du das nicht? (Sie blickt Karl bedeutungsvoll an).

Teresa (mit deutlich gesenkter Stimme): Silke …

Karl (verwirrt): Silke? Was ist mit Silke?

Edith (flüstert ebenfalls): Silke hat doch die beiden bei sich aufgenommen und gibt sie als ihre Großnichten aus Oranienburg aus …

Teresa: Noch ist soweit ich weiß niemand draufgekommen …

Karl (bleibt der Mund offen stehen): Silke versteckt Ungeimpfte? Alle Achtung!

Edith: Ja! Na – damit sie ihren gemeinsamen Klavierunterricht weiterverfolgen können. Die sind ja mit ihren vierhändigen Sachen schon halbe Profis, die beiden! Und  noch wie gesagt geht’s – weil durch die Umsiedlung so viel in Bewegung gekommen ist. Man kennt ja seine Nachbarn draußen jetzt sowieso erstmal nicht … von daher war auch der Zeitpunkt geschickt gewählt …

Karl: Apropos Ungeimpfte … Habt ihr wieder was?

(Edith schlägt sich an die Stirn und verläßt den Raum. Nach wenigen Sekunden ist sie mit einem Stapel Papier wieder da.)

Edith: Das hätte ich fast vergessen. Gut, daß du dran gedacht hast. Hier! (Sie legt den Stapel vor Karl auf den Tisch.)

Karl (blättert den Stapel kursorisch durch, faltet ihn längs und läßt ihn in der Zollstocktasche seiner Arbeitshose verschwinden): Perfekt! (Er drückt den Klettverschluß über der Tasche sorgfältig zu) Daß Krücke aber auch seine alten Druckmaschinen wieder für seine Zwecke nutzt – einfach großartig! (Er lacht.)

Edith: Im Alten Museum unten (sie lacht auch). Mischt sich unter die Damen von der Adventsbastelgruppe … herrlich!

Karl: Tja … wer Mai 89 Flugblätter gedruckt hat, legt in diesen Zeiten nicht die Hände in den Schoß!

 

Fortsetzung folgt

 

Cornelie Becker-Lamers

 

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