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… et quod forte custodiam (Ez 34,16)

Anmerkungen zum Rundfunkgottesdienst

Am diesjährigen Pfingstmontag übertrug der Radiosender mdr Kultur mal wieder eine Heilige Messe aus Herz Jesu Weimar als Rundfunkgottesdienst (derzeit noch in der Mediathek). Ein rundum gelungenes Ereignis! Und anders als beim letzten Mal, als die Kräfte der Gemeinde zwar angekündigt, aber nicht beschäftigt wurden, verließ man sich dieses Mal nicht mehr nur auf eine Choralschola aus Hochschulangehörigen. Nein: Der Kirchenchor sang wieder, unter der Leitung von Jakob Dietz und Bogdan Reincke.

Ein Wagnis war es vom Pfarrer ja schon: Den Rundfunkgottesdienst zuzusagen, damals, als nach der Ablehnung der Kantorenstelle niemand wußte, ob sein Chor überhaupt einen Leiter haben würde. Und natürlich war es auch wieder für die Chorleiter nicht ganz einfach, genügend Chormitglieder an diesem Tag zusammen zu bringen. Es erinnerte mich sehr an die Beteiligung von Cäcilini, Herz Jesu Finken und Jugendchor beim Erfurter Treffen der pueri cantores im Mai 2018, als Pfarrer Gothe unsere Teilnahme zugesagt, aber nicht verraten hatte, mit welchen Kindern wir uns denn eigentlich auf den Weg machen sollten. Aber da jeder Weimarer Pfarrer mit dieser Strategie immer wieder durchkommt, müssen wir uns nicht wundern, daß sie nicht irgendwann einmal überdacht wird.

Aber ich schweife ab. Das wollte ich eigentlich gar nicht erzählen (es kommt nur immer mit hoch), sondern wie klug die Liedauswahl wieder war – Oberstimmen zum Gemeindegesang z.B. –, so daß der Chor einen wirklich guten Eindruck machte. Denn hören mußte ich ihn tatsächlich via Livestream des Radiosenders im Haus meiner Schwiegermutter. Zum Mitsingen hatten wir unsere Tochter entsandt. Ich hatte also den authentischen Eindruck der eigentlichen Zielgruppe.

Die Predigt beschäftigte sich mit der Lesung aus dem Epheserbrief (Eph 4,1b-6), in der Paulus die Gemeinde ermahnt „einander in Liebe zu ertragen“ (Eph 4,2b). Ich habe sehr bedauert, daß das straffe Zeitregiment, das so ein Rundfunkgottesdienst immer mit sich bringt, dem Pfarrer nur die Hälfte seiner Predigt vorzutragen erlaubte. Denn anders kann ich es mir nicht erklären, warum er den für seine Gemeinde in Weimar wesentlicheren Teil der entsprechenden Überlegungen nicht vortrug.

Die Predigt begann mit einem Zitat aus Helga Schuberts „Der heutige Tag. Ein Stundenbuch der Liebe“, in dem eine Ich-Erzählerin sehr konkret von der Pflege ihres dementen und bettlägerigen Mannes berichtet. Natürlich also nahm Pfarrer Gothe zunächst das liebende Ertragen dessen in den Blick, der schwächer ist als wir, vergeßlicher, hilfloser, älter und leidender. Die Liebe schafft es, daß die „schlechten Zeiten“, in denen man zueinander zu halten verspricht, als „gar keine schlechten Zeiten“ empfunden werden. Ein schöner, wenn auch sicherlich nicht altersunabhängiger Gedanke. Wer selber lebenssatt in ausreichend schönen eigenen Erinnerungen lebt, kann seine Tage am Bett des Ehepartners verbringen und die Ruhe der alltäglichen Wiederholungen im Ablauf der Pflege ertragen. Ertragen den, der sich nicht mehr erinnert, der nichts mehr alleine kann, der keine neuen Ideen mehr hat, den Schwächeren und auf Hilfe Angewiesenen.

Mit dem Vergessen und eigenem wie fremdem Unvermögen freilich hat die kleine Gruppe, die das Geschick unserer Pfarrei leitet, kein Problem. Was aber ist mit dem Ertragen derer, die stark sind? Die Ideen haben und sie realisieren möchten? Die sie vielleicht sogar allem Gegenwind und aller Ignoranz zum Trotz tatsächlich realisieren – wie Professor Kapsner unsere Orgel realisierte oder die Cäcilini ein neues eigenes Singspiel nach dem andern aufführten – wenn in Herz Jesu nicht geduldet, dann eben in Kloster Volkenroda oder in der großen Krippe auf dem Erfurter Adventsmarkt? Das aus den Augen Schaffen engagierter Ehrenamtlicher, das Eingehenlassen von Gruppen, das Vergessen von Unrecht und Amtsanmaßungen ist kein Problem für die Leitung von Herz Jesu Weimar (wer auch immer sie ausübt, denn auch dieser Pfarrer behauptet wieder, unter dem Druck anderer beispielsweise den Fortbestand der Cäcilini verbieten zu müssen). Wie aber sieht es aus mit dem Ertragen derer, die erinnern?

Sterbenlassen – in Herz Jesu Weimar kein Problem. Aber wie sieht es mit dem Lebenlassen aus? Vergessen – kein Problem. Aber was ist mit dem Ertragen des Erinnerns? In Liebe zu ertragen, wer hinzukommt und hier Heimat finden will – das ist nach wie vor die offenbar schier unlösbar große Aufgabe derer, die in Herz Jesu Weimar das kleine „Wir“ verkörpern.

Wie schade, daß das straffe Zeitregiment der Rundfunkgottesdienste unserem Pfarrer nicht die Möglichkeit ließ, auch hierüber zu predigen.

Cornelie Becker-Lamers

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