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Bildgewordene Passionsfrömmigkeit

Zur Gedenkausstellung für Hildegard Hendrichs
(7. Juni 1923 – 4. Februar 2013)

Heute jährt sich zum 100. Mal der Geburtstag der Bildhauerin des Bistums Erfurt, der gebürtigen Berlinerin und Wahl-Erfurterin Hildegard Hendrichs. Übermorgen, am Freitag, 9. Juni 2023, eröffnet das Bistum Erfurt daher eine große Gedenkausstellung zu ihren Ehren, deren 10. Todestages wir ebenfalls in diesem Jahr zu gedenken hatten. Dr. Falko Bornschein, seit Jahrzehnten der Kunstbeauftragte des Bistums und als solcher Kurator der Ausstellung, hat 70 zum Teil anläßlich der Retrospektive eigens restaurierte Kunstwerke zusammengetragen, die dann für ein Vierteljahr in St. Nicolai und Jacobi Erfurt (vulgo „Schottenkirche“) präsentiert werden. Den Weimarern aus unserem Pfarrhaus, unserem Pfarramt oder auch unserer Kirche bekannte Flachreliefs werden ebenfalls als Exponate zu sehen sein.

Blick in die Erfurter Kirche St. Nicolai und Jacobi, genannt Schotten (eigenes Bild). Rechts an der Wand hängt regulär ein Kreuzweg Hildegard Hendrichs‘ mit XV Stationen. Weitere 70 Exponate der Künstlerin werden zwischen dem 9. Juni und dem 15. September hier zu sehen sein, dazu abrufbare Audiodateien mit einer Auswahl ihrer Texte und Lieder.

Ein 288 Seiten starker, reich bebilderter wissenschaftlicher Katalog wurde beauftragt – ein wirkliches Desiderat, denn mit dem Band legt Falko Borschein die erste umfassende Publikation zu Hendrichs überhaupt vor. So viel Hendrichs auch geschaffen hat – ihre hunderte von Altären, Kruzifixen und Kreuzwegen statten Kirchen nicht nur unseres Bistums, sondern ganz Deutschlands und auch Italiens aus –, an Veröffentlichungen finden sich bisher neben wenigen Zeitungsartikeln im wesentlichen eigene Vortragstexte sowie ihre Autobiographie. Eine kritische Würdigung des umfangreichen bildkünstlerischen Werkes, in dem die Passionsfrömmigkeit der Franziskanertertiarin Figur für Figur mit Händen zu greifen ist, aber auch ihres dichterischen und musikalischen Schaffens, fehlte bislang.

Die Einladung zur Ausstellung „Kunst im Dienst der Frohen Botschaft Christi“ (eigenes Bild) Der zugehörige Katalog trägt denselben Namen wie die Retrospektive.

Hildegard Hendrichs ist nicht leicht zu fassen. Sicher ist: Sie polarisierte. Fragt man ein wenig herum, machten die Candidaten der Erfurter theologischen Fakultät und die Priester des Bistums wohl am liebsten einen Bogen um die sich ihres Verkündigungsauftrags bewußte und entsprechend fordernde Künstlerin, während künstlerisch tätige Menschen noch heute voll Bewunderung von ihrer charismatischen Art und ihrem ehrlich, aufopferungsvoll und fromm gelebten Leben sprechen. Ihre Werkstatt in der Schulze-Delitzsch-Straße mit ihrer immer offenen Tür muß – das steht wohl außer Zweifel – ein Magnet für Kinder, Jugendliche und ganze Familien gewesen sein, die den beim Arbeiten erzählten Bibel- und Heiligengeschichten der Künstlerin lauschten. Die Früchte ihrer missionarischen Ader schlugen sich in ausgegründeten Gebets- und Singkreisen nieder.

Denn Hildegard Hendrichs hat nicht nur Skulpturen geschaffen. Diese waren zwar der wesentliche, aber nicht der einzige Weg, den sich ihr innerer Drang zur Verkündigung der Frohen Botschaft brach. Ihre Vorträge brachte sie als mit Fotografien eigener Werke bebilderte meditative Texte heraus. Seit den 70er Jahren verfaßte sie dann sogar schlichte meditative Melodien und christliche Lieder zu eigenen Texten.

Hildegard Hendrichs, mit drei Geschwistern im späteren West-Teil Berlins aufgewachsen und im Zuge ihrer Bildhauerausbildung in Empfertshausen/ Rhön nach Thüringen gelangt, trat bereits als junge Erwachsene dem Dritten Orden der Franziskaner bei und traf damit eine Entscheidung, die sie zeitlebens mit intensiven spirituellen Erlebnissen beschenkte – die sie aber auch lebenspraktisch erheblich in die Pflicht nahm. Durch ihre Arbeit – ihr „Hedwigsaltar“ für ein Flüchtlingsheim in Erfurt wurde als einziges Kunstwerk der DDR 1950 bei der Arte Sacra in Rom ausgestellt – gelangte Hendrichs in den 50er Jahren nach Italien. Als der Berliner Kardinal Döpfner sie zur Rückkehr von dem von ihr zeitlebens so geliebten  La Verna in die DDR überredete, argumentierte er mit seinen Erwartungen an eine Franziskaner-Tertiarin: In der planmäßig atheistischen DDR könne sie missionarisch viel mehr bewirken.

In der Ausstellung in Schotten wird Hendrichs nun die verdiente Anerkennung zuteil. Neben den bildkünstlerischen Exponaten wurden von Erfurter Jugendlichen Lieder eingesungen, die wie ausgewählte meditative Texte der Künstlerin via QR-Code in der Ausstellung abrufbar sein werden.

 

Die Ausstellung ist bis zum 15. September 2023 in St. Nicolai und Jacobi („Schottenkirche“) Erfurt, Schottenstr. 11, zu besichtigen.

Der von Falko Bornschein herausgegebene Katalog „Kunst im Dienst der Frohen Botschaft Christi. Leben und Werk der Künstlerin Hildegard Hendrichs (1923-2013)“ ist Mitte Mai im Verlag Schnell & Steiner erschienen und kann unter der ISBN: 978-3-7954-3822-7 bestellt werden.

Meinen Beitrag in diesem Katalog, in dem ich mich mit den meditativen Texten, aber auch überhaupt mit Schrift im Werk Hildegard Hendrichs‘ beschäftige, finden Sie auch hier.

Die Kirchentür in Bernterode bei Heiligenstadt aus dem Jahr 1951 nutzt in ihrer emblematischen Anlage sehr geschickt Text und Bild zur Verkündigung der Frohbotschaft (eigenes Bild im Januar 2023)

Cornelie Becker-Lamers

 

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