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„also: Weimarer“ – Teil III

Noch mehr Gedanken über das Zitat zum Tage (zum 3. Oktober 2020)

Im Sinne von 1Kor 12 – im Sinne des einen Leibes und der vielen Glieder, im Sinne verschiedener Charismen – so hatte ich den letzten Text beschlossen, muß die Integration der Zugezogenen gerade aus den alten Bundesländern als gescheitert betrachtet werden. Als Wegmarke dessen – wenn nicht als point of no return – kann der Wegzug der Familie des Initiators der Franz-Liszt-Gedächtnisorgel dienen, der im April dieses Jahres stattgefunden hat, ohne daß irgend jemand in der Pfarrei davon Notiz genommen hätte (einige wenige Freunde natürlich ausgenommen). Wir werden auf all das genauer zurückkommen, aber um – gut hermeneutisch gesprochen – Ihren Erwartungshorizont für die Lektüre der noch folgenden Textteile von „also: Weimarer“ richtig vorzubereiten, sei zur Erläuterung vorweg geschickt: Ich werde aus meiner Sicht und nach fünfzehn Jahren eigener Erfahrung berichten, wie weit wir in Herz Jesu Weimar – einer Pfarrei, die als Dorfpfarrei geführt wird, obwohl sie es in puncto ‚Kulturellem Kapital‘ ihrer Gemeindemitglieder mit jeder Dompfarrei aufnehmen kann – von der Erkenntnis entfernt sind: „Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht. Der Kopf wiederum kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht“ (1Kor 12,21) Hier sagen eher die Füße: ‘Sei halt ein Fuß, dann darfst du auch irgendwo mitwurschteln’. Was mit Menschen passierte, die das wirkliche Miteinander verschiedenster für die Pfarrei engagierter und lebenswichtiger Gemeindemitglieder anmahnen, haben wir am eigenen Leibe erfahren. Da wurde es in Form anonymer oder auch unterschriebener Briefe schnell explizit: ‘Was machen Sie hier für Unruhe? Verlassen Sie endlich unsere Gemeinde!’ Ein Fußtritt am ausgestreckten Arm. Und eine Person gab es auch – das wollen wir nicht vergessen, solange es in keinster Weise aufgearbeitet ist –, die hat, Gott sei Dank vergeblich, sogar versucht, per Intrige Familien, die ihr nicht paßten, die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen. (Das ist ebenfalls uns, aber nicht nur uns passiert, sondern wiederholt beispielsweise auch in der Leitungsebene des katholischen Kindergartens.)

 

„also: Weimarer“. Das Zitat

In der Weimarer katholischen Gemeinde gab es eine nicht vernachlässigbare Anzahl integrations- und leistungsbereiter Familien (und als Potential gibt es sie natürlich nach wie vor), die aus den stärker katholisch geprägten Gegenden der alten Bundesrepublik zugezogen sind und in Weimar heimisch werden wollten. Wir halten den Hinweis auf diese Familien und ihre ehrenamtlichen Angebote und Dienste in der Pfarrei (meist gleich in zwei bis drei Generationen) für die passende Antwort auf eine Interviewfrage nach der Situation einer mitteldeutschen Pfarrei „seit es die DDR nicht mehr gibt“. Da die passende Antwort jedoch damals, in dem Interview von Pfarrer Gothe auf Radio Horeb (ab Minute 7:10), komplett ausblieb, haben wir sie im PuLa-Beitrag vom 3. Oktober 2020 erst einmal selber gegeben. Denn dies brachte das fortdauernde Auseinanderfallen der Gemeinde sehr gut auf den Punkt: „Wir haben hier eine Gemeinde, in der ganz stark diese Vertriebenengeneration auch da ist und ihre Kinder – also: Weimarer, aber auch eben viele Zugezogene, die sich hier mit einbringen und die das hier ganz ganz bunt und vielfältig machen.“ (Minute 8:25-42). 

Der Kampf gegen die Hochkultur

Zum besseren Verständnis: Die „Vertriebenengeneration“, das sind die heute 85- 105-jährigen. Ihnen geht es gut in den beiden vorbildlich geführten wöchentlichen Seniorenkreisen  unserer Pfarrei. Ihr aktives Engagement in der Gemeindearbeit aber hält sich in altersangemessenen Grenzen. „Ihre Kinder“ sind zwischen 55 und 75 Jahre alt. Einige von ihnen helfen in der Tat mit den closed-shop-Tätigkeiten wie Küstern und Kommunionausteilen vor allem im Meßbetrieb. Nur ganze acht Sekunden lang geht es in der oben zitierten Antwort des Pfarrers um das Engagement anderer.

Aber sind mit den Zugezogenen, die hier alles „bunt und vielfältig machen“, überhaupt jene gemeint, von denen ich im ersten Teil dieser Reihe (am 3.10.2020) geschrieben habe? Der weitere Verlauf des Interviews läßt daran erhebliche Zweifel aufkommen. „Bunt“, das sind temporäre „Farbtupfer“. Das „Temporär“ ist ganz wichtig: In Herz Jesu Weimar herrscht eine Art ‚Event-Seelsorge‘ vor. „Bunt“, das sind in dieser Antwort vor allem die wechselnden und ausländischen Studierenden, die zum Herz-Jesu-worship musizieren, vielleicht die Erwachsenen, die ein einziges Mal in der Abendmesse nach dem beispielsweise spanischen Nachmittag (einem mittlerweile wieder eingestellten monatlichen Format für Mitglieder bestimmter Sprachgemeinschaften) einen Projektchor stellen. Auf das Gemeindeleben hat solches Tun natürlich nicht im entferntesten die Auswirkung, die das regelmäßige, gerne auch ganz unbunte, traditionsbezogene und konventionelle, vor allem aber kontinuierliche Engagement fester Kreise für sich verbuchen kann – das Engagement lange Zeit nicht ausschließlich, aber vor allem der Zugezogenen aus den alten Bundesländern.

Aber wie kann man das alles vergessen? Nehmen wir nur den Initiator der Franz-Liszt-Gedächtnisorgel, welchletztere die Geistlichen in jeder Messe im Blickfeld haben?

Herz-Jesu Weimar, die Franz-Liszt-Gedächtnisorgel mit Fernwerk (eigenes Bild)

Nun – „man sieht, was man zu sehen gelernt hat“, wie es so schön heißt. „Er kam ja ganz anders hier an“, sagte Pfarrer Horst Klemm (+) noch im Raphaelsheim über unseren im September 2015 nach Weimar gewechselten Pfarrer. Hw. Klemm wollte sein Wissen nicht mit ins Grab nehmen und ich hatte immer gehofft, er habe mit mehr Leuten als nur mit mir über die Situation in unserer Gemeinde geredet. Hat er vielleicht auch. Geholfen hat es augenscheinlich nichts. Das Rollback, das seit spätestens 2010 in Herz Jesu Weimar betrieben wird, hält unvermindert an und hat die gemeindlichen Aktivitäten Zugezogener schon beinahe auf Null heruntergefahren. Denn in der Tat hätte Pfarrer Gothe bei einer ehrlichen Antwort auf die Situation seit der Wende für viele der am 3. Oktober 2020 von mir aufgezählten Angebote das Präteritum nutzen müssen. Viele Ehrenamtliche wurden trotz allen Engagements nicht integriert, sondern von einer sehr kleinen Gruppe im Sinne der Analyse Prof. Widls „wichtiger“ Gemeindemitglieder – von den „also: Weimarern“ eben – mit zum Teil erheblicher psychischer Gewalt und bemerkenswert langem Atem ausgegrenzt.

PuLa schrieb immer wieder darüber (vgl. bes. hier und hier), denn diese Vorgänge haben diesen Blog ja überhaupt erst motiviert: 2011, als das erste Opfer dieser Politik im Krankenhaus lag und alle Kommunikation uns gegenüber längst unterbunden war, begannen wir zu schreiben, daß es hier eine „Räuberbande“ (in Anführungszeichen) gibt und der Priester (ohne Anführungszeichen) an den Opfern vorbeigeht (wie man das in Anlehnung an das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter formulieren könnte). Wir haben dadurch zwar etliche ehrliche Freunde gefunden. Aber die Tjost, die von den „also: Weimarern“ gegen den Einzug der Hochkultur in die Gemeindearbeit geritten wurde, konnten wir gegen die Widerstände auch des Klerus nicht aufhalten. Denn leider ist auch der Weihbischof unseres Bistums ein waschechter „also: Weimarer“ und man wurde immer den Verdacht nicht los, daß auch von dieser Seite her immer schon jemand auf der Bremse stand. Nicht nur, daß er sich beim Verbot der Kinderschola und dem Hintertreiben einer Singspielaufführung zur RKW-Wallfahrt 2012 von den schlimmsten „also: Weimarern“ vor den Karren spannen ließ.

„Keine Kinderseelsorge im Sinne der Pfarrei“: Am 6. März 2012 sammelte eine führende „also:Weimarerin“ im Beisein des Wb, aber unter Ausschluß der Öffentlichkeit zwei Drittel des PGR hinter sich, um die Kinderschola (heute Cäcilini) zu verbieten.  Das Werbeplakat einer geplanten Aufführung zum RKW-Jahresthema „Rut“ verschwand auf Nimmerwieder-sehen (eigenes Bild)

Sondern da mochte er auch zum Kirchweihjubiläum, an die Adresse der beiden auf der Orgelempore in Deckung gegangenen Meßbesucher gerichtet, die reine Freude über ein schönes neues Instrument – die Franz-Liszt-Gedächtnisorgel – anmahnen soviel er wollte. Über die Vision Professor Kapsners, Liszts liturgisches Werk wieder in Sonntagsmessen zu integrieren – die Vision also, die am Beginn der Planung der neuen Orgel stand  – machte seine Bemerkung die Runde: Naja, es müsse ja nicht jede Messe ein Konzert sein. – Nein? Wer sagt? Erinnern wir uns zum einen, was den Ehrenamtspreis unseres Pfarrsekretärs unlängst begründet hat. Und fragen uns zum andern, ob man da die Gesamtgemeinde von Herz Jesu Weimar nicht womöglich (inzwischen?) falsch einschätzt. Ich habe noch keine Messe hier erlebt, in der ein durchgearbeitetes Orgelnachspiel von wem auch immer nicht mit dem Applaus von mindestens der Hälfte der Meßbesucher belohnt worden wäre, die eigens zum Zuhören in den Bänken sitzen geblieben waren.

 

Fortsetzung folgt morgen

 

Cornelie Becker-Lamers

 

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