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Alles klar?

Amöbe auf Augenhöhe

Die Amöbe ist in der vorgestern verlinkten Predigt von Hw. Dr. Kreier das Bild für uns „unsichtbare“ Christen, die wir, so Kreier im Jahr 2010, mit weitaus weniger „Ehrfurcht und Ernsthaftigkeit“ ihren Glauben leben als viele Muslime dies tun – vor allem, was das Bekenntnis in der Öffentlichkeit anbelangt (vgl. die Worte im Zusammenhang der Predigt ab Minute 8:55) Woher der Publizist, den Dr. Kreier hier zitiert, allerdings die Zahl von 90% Christen in Deutschland hat (Minute 9:09), ist mir schleierhaft … Man findet eigentlich die Zahl von unter 60% Christen, die bald von den knapp 40% Konfessionslosen eingeholt wird. Und wir in Weimar sind froh, wenn wir alle miteinander noch auf ein Viertel der Einwohnerschaft kommen.

Wie auch immer! Auch mit folgendem Text trage ich mich, wie mit so vielen PuLa-Texten, schon eine ganze Weile. Diesmal freilich erst ein gutes Jahr. 😉 Ausgangspunkt war ein vormittäglicher Bericht im Deutschlandfunk, den ich mir am 18. September 2018 (leider nicht mehr in der Mediathek verfügbar) während einer Autofahrt anhörte. Es ging über den Ersten Bundeskongreß der Räte der Religionen , der am 16. und 17. September 2018 in Frankfurt stattgefunden hatte. Ein Haufen O-Töne wurde eingespielt und ein Interviewpartner bedauerte die Abwesenheit eines solchen Rates in den ostdeutschen Ländern. Sinngemäß formulierte er, gerade ‚dort‘ (also ‚hier‘) habe man doch den interreligiösen Dialog so dringend nötig, siehe Chemnitz etc. Und ich dachte: ‚Halloooo? Running Dinner? Interreligiöser Dialog Weimar? Alles da! Recherche irgendjemand?‘ Vielleicht sollte man das Engagement des hiesigen Beauftragten für den interreligiösen Dialog, des evangelisch-lutherischen Pfarrers Herrn Ramón Seliger, bei der Liste „Organisationen in Deutschland, die auch interreligiöse Dialoge pflegen“ anmelden, damit sie beruhigt sind …

Flyer, „Interreligiöser Dialog“ Weimar (eigenes Bild)

Ich möchte nicht verheimlichen, daß ich persönlich vom Running Dinner nicht viel halte. Wir in Herz Jesu Weimar haben auf so vielen Feldern einen so dringenden Redebedarf innerhalb der eigenen Pfarrei, und immer fehlt die Zeit (oder was auch immer), sachbezogene Gesprächsrunden einzuberufen – da tut es mir um jeden Abend leid, der mit solchem Aktionismus drauf geht.

Nichtsdestotrotz begann ich vor einem Jahr meinerseits mit der Recherche zum Thema und stieß im Zuge dessen insbesondere auf die Internetpräsenz des Orient e.V. Weimar, der die hiesigen gläubigen Muslime organisatorisch betreut, der Ansprechpartner und Informationen bietet. Als ich jetzt wieder schaue, hat diese Internetpräsenz sich schon wieder vollständig verändert. Man tauscht sich nun eher auf einer entsprechenden facebook-Seite aus, wo man auch beispielsweise die Trauerbekundung zu den Anschlägen auf Sri Lanka diesen April teilt und öffentlich macht, aber auch TLZ-Artikel zum Tag der offenen Moschee etc.

Vor einem Jahr hielt die Homepage des Orient e.V. eine ganze Anzahl sehr aufregender Videos bereit: Aufwendig gedrehte Filme mit hochromantischer Musik, die die Schönheit der Schöpfung zeigten und beschrieben und dabei immer wieder den Bogen zu Aussagen in den Suren des Koran schlugen. Kürzere Predigten auch, die sich in deutscher Sprache an hier lebende Muslime wandten und zur Fastenpraxis, aber auch zur Verwendung des Smartphones und der Gefahr der Selfie-Sucht mahnend Stellung bezogen.

Und ich dachte: Man redet gern, häufig auch etwas gönnerhaft, von der „Augenhöhe“, auf der man sich mit den Vertretern anderer Religionen austauschen möchte. Diese ‚Augenhöhe‘ liegt aber offenbar knapp unter der Decke und wir Christen müssen uns gehörig nach ebendieser Decke strecken, um mit dem Missionseifer derer mithalten zu können, die da so glühend von ihrem Glauben durchdrungen sind. Mit anderen Worten: Ich hatte genau das Amöben-Gefühl, das Pfarrer Dr. Kreier in seiner Predigt beschreibt.

„Müssen sie uns erinnern“ (aus dem Januar 2015, mit freundl. Genehmigung von I. Cozacu, NEL-Cartoons)

Bis mir einfiel, daß auch wir, auch die Katholiken, auch hier in Weimar, mit einigen Mausklicks wunderbare, erheiternde und erhellende Videos zur Bibelauslegung und zum Leben aus dem katholischen/christlichen Glauben heraus auf unserer Homepage bekannt machen, empfehlen und zugänglich machen könnten. Aus dem Fundus der Youtube- oder Kathtube-Kanäle etwa Dr. Kreiers oder auch Pater Wallners, mit dessen Worten wir im März 2011 PuLa eröffnet haben. Als ich das Thema in der letzten Ehrenamtlichenrunde, also im November 2018, anschnitt, wurde das Gespräch mit dem Hinweis auf Finanzmittel beendet, bevor es begonnen hatte. Kann schon sein, das mit dem Geld. Das kann ich nicht beurteilen. Aber eine Verlinkung auf YouTube kostet ja gar nichts. Diese Filme wollen ja gefunden und verbreitet werden! Was es kostet, ist Zeit: Zeit, die Filme zu schauen, auszuwählen, vielleicht einen Satz dazu zu schreiben und sie eben einzubetten. Davon können wir ein Lied singen. Aber man wird auch nicht dümmer davon.

Zugegeben: Die Pfarrei verlinkt, seit es die neue Homepage gibt (also seit dem Kirchweihjubiläum 2016) immer mal die Gebetsmeinung des Papstes. Ok – besser als nichts. Aber der Papst ist halt doch immer sehr gesetzt … Eine Ergänzung würde da keinesfalls schaden!
Das Sekretariat, bei dem die Homepageredaktion liegt, kann das allein natürlich unmöglich leisten. Aber wie wäre es denn, wenn man versuchte, Jugendliche in diese Arbeit einzubeziehen? Jugendliche, die wir derzeit mit anderen Aktionen kaum erreichen, deren Mitwirkung unsere Pfarrei aber doch so dringend wieder braucht. Die Homepage, ein Twitteraccount, ein YouTube-Channel, Instagram – das wären Betätigungsfelder, auf denen die Jugendlichen ohnehin zuhause sind und privat Content produzieren, daß sich die (Lade)Balken biegen – und auf denen sie uns mit etwas Betreuung helfen könnten, die Ausstrahlung der Pfarrei wieder zu erhöhen. Zugleich trügen sie selber den größten Gewinn davon – wie immer, wenn man intensiv inhaltlich arbeitet. Eigene Predigttexte (auch von Theologinnen und Theologen, denen das Predigen im Rahmen der Heiligen Messe verwehrt ist), Verlinkung fremder Predigten wie denen von Dr. Kreier, Glaubensinhalte wie die Rosenkranzgesätze o.a., Informationen und Bilder aus der Pfarrei, zu den Kirchenfenstern, zum Kirchenbau, zur Pfarreigeschichte, ein paar korrekte Sätze zur Franz-Liszt-Gedächtnisorgel – es gibt jede Menge Möglichkeiten, die das Recht am eigenen Bild oder irgendwelche Datenschutzfälle nicht mal von Ferne berühren.

„Facebook ist tot“, sagen die Jugendlichen. „Man muß auf Insta sein.“ Ein Instagram-Account, von Jugendlichen befüllt, von Erwachsenen betreut – das würde auf dem Weg zur vielbeschworenen „Augenhöhe“ schon mal eine Leiter anlegen. Und uns so ganz nebenbei auch der Erfüllung unserer Aufgabe der „Neuevangelisierung“ in den ‚neuen Ländern‘ näher bringen als wenn wir immer nur denen predigen, die ohnehin bereits in der Messe sitzen. Also: Wie immer hätten wir selbst am meisten davon! Auf geht’s! Nehmen wir die erste Stufe!

Cornelie Becker-Lamers

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