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Die Spracherkennung 2/4: Die Werkzeugrevision

Das nachgeholte Sketchlet zum Zweiten Advent 2018.
Für neun Personen

Wundersdorf, Oderbruch. In der Sakristei der Kirche Maria Hilf! Nachdem sich Ines und Reimer, Helene, Edith und Teresa bei einer Tasse heißer Schokolade mit Sahne von ihrem Schrecken erholt haben, dem leibhaftigen Weihnachtsmann gegenübergestanden und von ihm nicht nur sehr sehr klassische Geschenke, ganz konkrete Anweisungen und überaus merkwürdige Hausaufgaben bekommen zu haben, hat sich die Truppe, die ja eigentlich nur hatte die Kirche putzen wollen, wieder in der Sakristei eingefunden. Mittlerweile ist auch Richard dazu gestoßen und man hat Hanna und Karl herantelefoniert. Schließlich war eine der Aufgaben des Weihnachtsmannes ja gewesen, alle Putzenden zusammenzutrommeln und nach einer Revision des Putzwerkzeugs dieses sinnvoll und mit allem nötigen Kostenaufwand zu erneuern. Einen Teil der Ehrenamtler hat man also hier schon mal zusammen – wenn auch bei weitem nicht alle. Aber so ist das in Wundersdorf nun mal: Alles funktioniert nur in winzigkleinen Freundeskreisen. Organisierte Vernetzung Fehlanzeige.

Aber in diesen Freundeskreisen funktioniert’s dann eben auch wirklich. So hat Karl, als er von den Erlebnissen und den Aufgaben der Freundinnen erfuhr, auf der Stelle einen Gast mitgebracht: Herta, ihres Zeichens professionelle Reinigungskraft und Karl aus diversen von ihm betreuten Liegenschaften als fähige Kraft bekannt.

Doch was ist das? Edith und Helene scheinen sich gar nicht über das Werkzeug auszutauschen.

Helene (leise): Und stell dir vor! Diese Pflegeroboter sollen Emotionen vortäuschen … Ist das nicht haarsträubend?

Edith (ebenso): Naja – das zeigt nur, daß auch Emotionen, und vor allem der Ausdruck von Emotionen, lernbar ist.

Helene: Aber Emotionen! (Sie blickt zum Himmel.) Das kommt doch aus dem Innersten! (Sie kehrt die Hände vor der Brust nach außen.)

Edith: Hm. Ich weiß nicht. Dann wäre es ja nicht je nach Kultur so unterschiedlich … Ich glaube eher, man muß sich von dem Gedanken verabschieden, daß Emotionen so ganz nur unser Eigenes und ihr Ausdruck so ganz individuell sind oder sein könnten.

Helene: Emotionen lernen …?

Edith (zieht die Augenbrauen hoch): Ja. Und vor allem deren Ausdruck. Lernen müssen – aber halt auch lernen können. Das ist doch sehr beruhigend.

Helene: Ja … so gesehen …

Edith (kommt in Fahrt): Die krampfhafte Suche nach dem individuellen Ausdruck macht ja auch das freie Beten so schwer und zu einer solchen Überforderung für viele Leute!

Helene: Ach – geht dir das auch so? Ich dachte immer, das betrifft nur mich … merkwürdig!

Edith: Die alten Gebete sind dem Menschen viel angemessener! Und es ist für jede Situation etwas dabei – in den Psalmen …

Hanna: Sagt mal, was quatscht ihr da eigentlich die ganze Zeit? Wir wollten hier eigentlich arbeiten!

Edith: Oh!

Helene: Entschuldigung!

Richard: Herta ist gerade bei einer Kurzschulung zum Thema Ergonomie. Hochinteressant!

Herta (hat einen alten Schrubber mit quer abstehenden Borsten in der Hand, dessen Stiel ihr bis zum Rippenbogen reicht): Also – mit den Werkzeuch hier könn‘ se würkich bloß Ehrnamtla arbeetn lassn!

Karl: Wie dürfen wir das denn verstehen?

Herta: Na, jede Reinjungsfirma mit solchen Schrubbern hia hätte längst de Jewerkschaft uff’n Halse! Det kannste dir in’n richtjen Lebm nich alaubn, sowat! Det jeht bloß inna Kirche! (Sie zitiert mit erhobener Stimme) „Alle Jeräte, die aufrecht stehend, ziehend oder schwingend einjesetzt werdn wie Schrubber, Harken oder Kultivator, haben der ausführenden Person mindestens bis zum Kinn, besser bis zur Stirn zu reichen. Inna Rejel beträgt die Länge eines Schrubber- oder Besenstiels daher 170 bis 180 Zentimeta. (Sie blickt in die Runde, um die Wirkung ihrer Ausführungen ein wenig auszukosten.) Zu kurze Stiele verursachen uff de Dauer Rückenschmerzen. Bei Vertikutierrechen oder Laubbesen jilt sojar die Rejel Stirnhöhe plus 30 Zentimeta!
(Alle Anwesenden blicken sich betroffen an. Ines schaut in die schmale Besenkammer, ob sie irgendein Arbeitsgerät in dieser Größe findet und greift wahllos einen türkisfarbenen Schrubberstiel. Sie zieht den Schrubber aus der Kammer. Er reicht ihr bis zur Brust.)

Herta: Brusthöhe – det sind so die Maße für Grabejeräte – Spaten und so’n Zeuch. Will hia eena de Kirche umjraben? (Sie blickt angriffslustig in die Runde.)

Edith (leise zu Richard): Wir sind doch hier nicht in der Schloßkapelle von Petschau.

Herta: Also – weg damit! (Sie nimmt den Schrubber an sich.)

Helene (zeigt auf den Schrubberstiel): Moment mal! Da steht ja was drauf!

Herta (dreht den Schrubberstiel ein wenig um): Tatsache! „Stuhlmacher“. Da steht „Stuhlmacher“. Hat eena mit Kuli druffjeschriebm. Is ja der Hamma!

Edith: Frau Stuhlmacher! Das ist wirklich der Hammer! Seit wieviel Jahren putzt sie hier schon nicht mehr? Seit 30 oder 40 Jahren?

Ines: Oooooh! Die Leute putzen hier bis ins hohe Alter! Das muß nicht älter als 20 Jahre sein. So alt aber bestimmt.

Karl: Das bedeutet nichts anderes, als daß die Leute hier schon immer ihr eigenes Putzzeug mitgebracht haben.

Richard: Hm. Das muß man historisch sehen. Zu DDR-Zeiten war alles Kirchliche Privatsache!

Edith: Das ist aber lang her!

Karl (zu Richard): Du meinst, diese Besenkammer ist der Bundesrepublik noch nicht beigetreten? (Alle lachen.)

Hanna: Genau. Ein kleines gallisches Dorf, unsere Besenkammer.

Herta: Wieso is hier eijentlich keen Hauptamtlicha, der det ma in de Hand nimmt? Det kann doch so nich weitajehn!

(Alle grübeln ein bißchen vor sich hin. Dann plötzlich)

Helene: Ich weiß! Es war in der Hand einer Hauptamtlichen. (Alle blicken sie erwartungsvoll an). Bis vor gut 7 Jahren.

Hanna: Anfang 2012?

Helene: Genau. Ende 2011 ist Frau Schramm in Rente gegangen. Bis dahin hat sie vom Sekretariat aus das Putzen organisiert, die Gruppen zusammengesucht oder auch vieles selber gemacht. Und fühlte sich für die organisatorischen Arbeiten zuständig – vermutlich, weil sie einfach zuständig war. Da gab es Staubsaugerbeutel und alles.

Teresa: Und dann?

Helene: Dann ging sie in Rente und nahm die Zuständigkeit als Ehrenamt mit, weil sie die Namen im Kopf hatte und die neuen Sekretärinnen waren Zugezogene.

Teresa: Hm!

Hanna: Und jetzt sucht der Pfarrer selber nach Putztruppen, es gleitet ihr aus der Hand, sie denkt, sie muß ja nicht mehr alles machen und so weiter und so weiter. Jetzt ist sie nur noch für die eigene Gruppe zuständig wie wir auch und den Überblick hat keiner mehr und traut sich auch keiner mehr zu.

Edith: Nicht zu vergessen die Zeit der „Gemeindeleitung“, als gar niemand einen Überblick haben durfte.

Ines (nickt): Steckt der Gemeinde alles noch in den Knochen!

Richard (dreht den Handteller nach oben): Weil nichts aufgearbeitet ist.

Karl (nickt): Alles zusammengenommen zumindest eine gute Arbeitshypothese. Laß uns Frau Schramm nächsten Sonntag fragen.

Herta: Ah! Und deswejen det Treffen von allen?

Edith (nickt): Deswegen das Treffen von allen. Allein kann hier niemand was entscheiden.

Herta: Und denn bestimmt ihr wieder jemanden, der de Oberaufsicht hat, und allet kommt in Ornung! Det is jut! Jednfalls müßt ihr hier dringend uffräum’n! Da jeht ja nischt mehr rin, in eure Besenkammer, und raus kommt nur Schrott!

Edith (wiegelt ein wenig ab): Najaaaa … Ganz so … Aber mit der Alles-Selber-Mitbringerei könnte wirklich mal Schluß sein. So auf dem letzten Loch pfeift die Pfarrei nicht!

Hanna: Und das Bistum schon gar nicht!

Helene: Wir sollten die schönen goldenen Kugeln des Weihnachtsmanns dafür gar nicht anbrechen!

Herta: Wat habt ihr imma mit diese Kugeln? Ick wer‘ euch zeijen .. ick hab euch nämich noch wat janz besondret mitjebracht! (Sie kneift ein Auge zu und bückt sich nach ihrer großen Umhängetasche.)

Fortsetzung folgt

Cornelie Becker-Lamers

Hm! Was kommt denn jetzt? Ich bin neugierig. Na – wir werden sehen, was Herta unseren tapferen Wundersdorfern nun noch auspackt.

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