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Maria, Mutter, Friedenshort

Das Ehrenamtstreffen (3/4)

Im Gegensatz zu dem aus der katholischen Vertriebenen- und Flüchtlingsseelsorge 1945/46 durch Pater Paulus Sladek bei dem Publizisten Franz Lorenz in Auftrag gegebenen, von Walter Hensel vertonten Text „Von Krieg und Not geschlagen“ (ganzer Wortlaut bei Grulich) legt das Schrötersche Gedicht seine Indikative auf die Schönheit, den Glanz, die Güte und die alles überwindende Autorität Mariens und ihres Sohnes. Festgeschrieben bei Lorenz finden sich hingegen „Krieg und Not“, „Elend“, „Schmach und Sünden“, blutende Wunden, Vertreibung, „Qual und Wehen“. Gottesnähe und das Erstehen einer neuen (irdischen!) Heimat rücken, erbeten, in hoffnungslose Ferne.
Das ertrugen die Menschen nicht. Sie sangen „Wohin soll ich mich wenden“ aus Schuberts Deutscher Messe (der auch das berühmte „Heilig, heilig“ entstammt) mit ihrem Text von Johann Philipp Neumann (1774 – 1849).

Das Vorgängerlied zu „Maria, Mutter, Friedenshort“ habe ich erst jetzt, mit der Entstehung des vorliegenden Textes für PuLa, kennengelernt. Ich mochte den „Friedenshort“ schon zuvor. Im Vergleich mit „Von Krieg und Not geschlagen“ kann ich selber noch besser verstehen, warum. Es ist einfach objektiv ein guter, also gut formulierter, von Glaubensgewißheit durchdrungener und aufbauender Text. 🙂

„Maria, Mutter, Friedenshort!“ Schon in der ersten Zeile begegnet uns statt dem „Krieg“ der „Frieden“, Maria als unumstößlicher „Friedenshort“. Festgeschrieben finden sich hier immer wieder Bilder des Schutzes und der Geborgenheit: „um uns wie ein Gebet, vor dem die Stürme knien müssen“, ist ihr Haus ein „Lobgesang“, gebaut aus ebendiesem Gebet. Ihr Mantel ist ein umhüllendes „Zelt“, Jesus das überirdisch strahlende „Himmelreich“. Das Herz Jesu muß nicht um Wonnen angefleht werden – es verschenkt sie schon. Maria ist die unverrückbare Himmelskönigin, umgeben von „erlösten Chören“, in deren „Jubel“ wir nicht nur einstimmen, sondern uns so ganz und gar hingeben, daß unser Herz selber zum „Lied“ wird.

Das reale Elend, Schmerz und Tod werden dabei nicht verschwiegen, aber in den Formulierungen der „bedrängten Tage“ und der „dunklen Nöte“ sehr feinsinnig angesprochen und die „Schatten“ erscheinen durch die Zuversicht, daß Marias Hand sie verscheuchen kann wie ein Nebelgespinst, schon bloß noch als Versteck des zu erwartenden Gnadenfestes.

„Maria, Mutter, Friedenshort“ erscheint so als perfektes Pendant des Neumannschen Textes der Schubertmesse, ein Pendant, das die Mutterliebe preist, wo bei Neumann Gottvater als Zuflucht gewiß ist: „Du bist‘s, der meinen Wegen/ Ein sich‘res Ziel verleihet,/ Und Erd‘ und Himmel weihet/ Zu süßem Heimatland.“ Auch bei Neumann schon, dessen Text „Gram und Schmerz“, „Angst und Tod“ nicht unterschlägt, ist der Jubel der Gläubigen am Schluß des Liedes affirmativ: „Heil mir! Ich bin erquicket!/ Heil mir! Ich darf entzücket/ Mit Dank und Preis und Jubel/ Mich freu‘n in meinem Gott.“ (Vollständiger Text hier).

Jetzt noch einmal die für mich schönste Strophe von „Maria, Mutter, Friedenshort“ im Zusammenhang. Es ist die Strophe fünf:

Dein Mantel ist ein goldnes Zelt,/ gewebt von mütterlicher Liebe./ Breit ihn als Heimat um die Welt,/ daß keiner ohne Mutter bliebe.

Diese Zeilen finde ich vor dem Hintergrund ihres Entstehungszusammenhangs am bewegendsten. Auch hier wird das Leid nicht unterschlagen: Es sind Menschen ohne Mutter. Aber auch dieser schier unheilbare Schmerz wird vor seiner Erwähnung bereits gelindert in der Bitte, den goldenen Mantel um die ganze Welt zu breiten und so die Schutz- und Trostlosigkeit zu kompensieren. Der Halbsatz: „gewebt von mütterlicher Liebe“ fesselt mich am meisten wegen seiner grammatikalischen Doppeldeutigkeit. „Gewebt von mütterlicher Liebe“: Ist gewissermaßen das Material die mütterliche Liebe, die hier zum Schutzmantel verwoben wird – oder ist diese Liebe die ausführende Kraft, die für alle Menschen einen goldenen Mantel gewebt hat? Es ist nicht zu entscheiden, beide Bedeutungen schwingen in dieser einen Zeile immer mit. „Breit ihn als Heimat um die Welt“ müßte heute, da der Heimatbegriff nachgerade inflationär reflektiert wird, dieses erzkatholische Kirchenlied hierzulande eigentlich flächendeckend anschlußfähig machen.

Weil nun nicht nur wir – meine Familie – eine Einspielung des Liedes im Internet, auf YouTube, vermißt haben (vgl. hier den Post vom 15. Juni 2012 – gerne samt Kommentar von Stanislaus), habe ich im Sommer für die Cäcilini einen Chorsatz komponiert, um es im Jubiläumsjahr für Neuzelle zur Verfügung stellen zu können. In einer Oberstimme habe ich dabei einige Textzeilen hervorgehoben – so auch den Gedanken des Marienmantels als Heimat. In den beiden Proben nach den Sommerferien haben die sechs Jugendlichen den Satz einstudiert und zum Abschluß der von uns zu gestaltenden Messe am 26. August gesungen. Hier kommt der youtube-Film. Ach ja: Wenn Ihnen die Marienfigur, die ich der fünften Strophe unterlegt habe, bekannt vorkommt, ist das ein Zeichen, wie gut Sie sich im neuen Gotteslob der ostdeutschen Bistümer auskennen. Dort ist eine Reproduktion dieses Gnadenbildes, aufgenommen von dem Weimarer Fotografen Constantin Beyer, dem Regionalteil vorangestellt.

„Dein Mantel ist ein goldnes Zelt“: Marienstatue in der Klosterkirche Neuzelle (eigenes Bild)

Aber jetzt endlich die Musik. Enjoy! 🙂

Wenige Tage nach den Cäcilini hat übrigens der Youtuber ‘Mariokint’ den Auszug der Zelebranten aus der Heiligen Messe in der Klosterkirche St. Mariä Himmelfahrt Neuzelle anläßlich der Bistumswallfahrt am 2. September 2018 veröffentlicht. Die Gemeinde singt alle acht Strophen des Wallfahrtsliedes. Hören Sie doch auch hier mal rein:

Fortsetzung folgt

Cornelie Becker-Lamers

Ein Trackback/Pingback

  1. […] spiegelt, kann man ganz viel schreiben, ein bißchen haben wir das auch schon getan, hier; es wäre wunderbar, wenn es auch im Westen unseres Vaterlands ein wenig bekannter […]

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