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Sketch des Monats: Die Planierraupe

Sketch des Monats: Die Planierraupe

Ein Sketch für fünf Schafe, zwei Lämmchen, sechs Personen und beliebig viele Schafstatisten

 

Wundersdorf, Schafweide.

Etliche Tage haben die Schafe im Unterstand verbracht, weil es draußen mit minus 15 Grad doch zuweilen recht frisch war. Auch am Tag. Gegen diese Kälte hieß es zusammenstehen und mit den Erinnerungen an die schönen Weihnachtstage über die Runden kommen. Sie hatten einen Haufen guter Predigten von ihrem neuen Hirten gehört. Über das Volk Israel zum Beispiel, das einige Zeit nach dem Aufbruch aus Ägypten wünscht, es wäre doch in der Sklaverei geblieben und dann aber von Moses zum frischen Quell geführt wird.

Das war in der Jahresschlußandacht.

Sie hatten aber auch schöne zweisprachige Messen gefeiert mit arabischen Christen, hatten nachmittags gemeinsam gesungen und ganz zu Recht hatte Karlheinz zuletzt coram publico festgehalten, es stimme tatsächlich, daß Musik verbinde. Speziell Fixi hatte von den arabischen Liedern tagelang einen Ohrwurm und sang sie vor sich hin.

Was auf Dauer natürlich auch wieder nervte. Aber letztlich freut sich ja doch jedes Schaf, wenn die Lämmchen fröhlich sind.

Na, und dann waren ein paar Wundersdorfer Kinder als Sternsinger auch auf der Weide gewesen, hatten gesungen, den Unterstand gesegnet und ihr Sprüchlein über die Tür geschrieben: 20*C+M+B+16. Das hatte Flocke, Kohle, Fixi und Huf an ihre raffinierte Aktion im Ministerium im letzten Jahr erinnert und erneut für jede Menge Gesprächsstoff gesorgt.

Nach einiger Zeit fällt einem trotzdem die Decke auf den Kopf und so freuen sich die Schafe, als es endlich deutlich milder wird. Durch den Bretterverhau können sie erkennen, daß Gras und Kräuter wieder zwischen den Schneeflecken hervorschauen und die Bäume reglos ihre Wipfel in die ruhige Luft recken.

Kohle (steckt die Nase aus der Tür und schnuppert): Mmmmmm! Schafe, ich glaube, wir können mal wieder ein paar Schritte vor die Tür gehen.

(Er tritt auf die Weide, macht ein paar Luftsprünge – und bleibt wie angewurzelt stehen: Dicht hinter dem Hügel, am Rande der Weide, steht eine große gelbe Planierraupe.)

Planierraupe beim Wegebau, mit Schotter

Kohle (erschrocken): Schafe!!! Kommt mal gucken!

(Durch Kohles Tonfall alarmiert, stürmen die Schafe auf die Weide und bleiben ebenfalls starr vor Schreck stehen.)

Die Schafe (durcheinander): Was ist das? – Will die Stadt etwa unseren Unterstand abreißen? – Wir heißen doch nicht Arthur Dent!  – Oder die ganze Weide platt machen? – Aber wo sollen wir denn dann hin? – Sollen wir etwa komplett ausgelöscht werden? – Das können sie doch nicht machen!

(Sie stürmen in den letzten Winkel ihrer Weide und drängen sich dort eng zusammen. In ihrer Verzweiflung haben sie weder bemerkt, daß ihr neuer Hirte inzwischen auf der Bildfläche erschienen ist und mit dem Baggerfahrer zu sprechen begonnen hat. Noch hören sie Richard, Edith, Teresa und Emily kommen, die sich vor einer guten Stunde zu einem ausgedehnten Spaziergang in die Wundersdorfer Felder aufgemacht haben.)

Edith (tritt an den Weidezaun heran, zu den Schafen): Was ist denn mit euch los?

Richard (ebenso): Ihr seid ja völlig aufgelöst.

Wolle: Na, schau doch mal, da vorne! (Sie weist mit der Schnauze auf die Planierraupe.)

Edith: Oh! Was macht die denn hier?

Blütenweiß: Na eben! (Sie verbirgt ihr Gesicht in der Herde.)

Richard (seufzt): Kaum ist mal eine Nacht frostfrei, bauen sie schon wieder irgendwo.

Flocke (heult): Bauen? Sie wollen unsere Weide platt machen!

Kohle (ernst): Die Frage ist wirklich, ob hier unser Lebensraum vernichtet werden soll.

Teresa: Nein! Das kann gar nicht sein! (Sie springt über den Zaun, schnappt sich Fixi und drückt das Lämmchen fest an sich.)

Emily (mit einem prüfenden Blick zum Hirten): Ich finde eigentlich, danach sieht es nicht aus.

Richard: Ich kann mir das auch nicht vorstellen.

Edith: Wir brauchen Euch doch!

Teresa: Genau! Was wäre das Leben ohne Euch?

Edith: Ginge gar nicht!

Huf: Aber was macht dieses, dieses Monstrum dann hier?

Grauchen: Und unser Hirte?

Edith: Ich glaube auf keinen Fall, daß er Euch ein Haar krümmen möchte.

Emily: Vermutlich ebnet er lediglich mal wieder die Wege für irgendwas.

(Man sieht jetzt deutlich, wie der Hirte und der Baggerfahrer gestikulieren: Offensichtlich geht es um die Feldwege zur Weide hin und um die Weide herum.)

Richard: Da! Sieht aus, als sollte mit den Wegen rund um die Weide etwas geschehen; nutzt den Radfahrern und den Skatern.

Edith: Hm! Wie den Läufern.

Richard (grinst): Und den Mitläufern.

Edith (lacht): Na – die profitieren immer!

Fixi (hat eine Erleuchtung): Er ebnet die Wege (Teresa fällt in die Rede ein): für einen neuen Pritschenwagen!!! (Sie fangen an, umeinander herumzutanzen.)

Richard: Das könnte zum Beispiel sein.

Kohle: Stimmt schon! Sie können nicht ewig die Schlaglöcher nur mit Schotter auffüllen.

Flocke (guter Dinge): Ich hatte auch schon den Eindruck, daß man den ‚Schotter‘ der Gemeinde jetzt irgendwie anders einsetzt als nur für Baumaßnahmen.

Teresa (ruft): Kommt! Wir gehen einfach hin und fragen!

(Sie stürmt mit den Schafen davon. Lachend nehmen Edith, Richard und Emily den Weg um die Weide herum, wollen aber nun natürlich auch wissen, was vor sich geht. Und glücklicherweise kann man das neuerdings ja auch einfach fragen.)

 

ENDE

 

Cornelie Becker-Lamers, Weimar

 

Ja, so geht’s zu, rund um Wundersdorf! Bloß gut, daß wir uns ganz sicher sind: Diese Schäfchen bleiben uns erhalten!

2 Trackbacks/Pingbacks

  1. Pulchra ut Luna › Sketch des Monats: Dove Sveta on Sonntag, 13. November 2016 um 21:11

    […] wohlbekannten Schafweide stromern Fixi und Huf, Kohle, Flocke, Wolle, Grauchen und Blütenweiß den planierten Feldweg entlang. Kohle und Fixi tragen Phablets vor sich her, die ihnen als Navigation zu dienen […]

  2. Pulchra ut Luna › PuLa-Reloaded: Dove Sveta  on Mittwoch, 18. August 2021 um 21:21

    […] wohlbekannten Schafweide stromern Fixi und Huf, Kohle, Flocke, Wolle, Grauchen und Blütenweiß den planierten Feldweg entlang. Kohle und Fixi tragen Phablets vor sich her, die ihnen als Navigation zu dienen […]

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