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‚Für euch‘ – ‚Mit Euch‘? Offener Brief an Pfr. Muhrer, Bad Aussee

Wenn man in den großen Ferien wegfährt, dann ist es natürlich einer der reizvollsten und interessantesten Aspekte, zu versuchen, am Urlaubsort einen Eindruck vom dortigen kirchlichen Leben zu bekommen. Und wenn man, wie wir, dazu neigt, einmal im Jahr immer an den gleichen Ort zu fahren, dann erhalten diese Eindrücke eine sehr schöne zeitliche Tiefe.
Treue PuLa-Leser wissen bereits, daß uns der Weg nun schon ziemlich lange in die Gegend um Bad Aussee führt (hier z.B., hier [ganz am Ende] und ganz frisch auch hier).

So kommt es, daß wir dort, im Gebiet der Ausseerlandpfarren nun auch schon den dritten Kaplan erlebt haben (und bevor Sie beginnen nachzurechnen, ja, wir sind dieses Jahr das zehnte Mal in Folge hingefahren 🙂 ). An den ersten fehlt uns leider ein wenig die Erinnerung, der nächste hingegen, ein junger Priester aus Korea, steht uns lebhaft vor Augen, nicht zuletzt der bewegende Besuch von Teilen seiner Familie und deren Teilnahme an der Feier der Hl. Messe in Grundlsee.

Und nun ist am vergangenen Wochenende nach drei Jahren die Zeit von Walter Obenaus als Kaplan im Ausseerland zu Ende gegangen (auch wenn man sich in Weimar so normale zeitliche Abläufe ja langsam fast nicht mehr vorstellen kann… 😉 ) und in den Sonntagsmessen am 30. und 31. August ist er verabschiedet worden.

Das können Sie selber nachlesen (hier),  in der Ausgabe Juli-August des Pfarrblatts (Übrigens: Wenn Sie genau hinsehen, werden Sie feststellen, daß im Ausseerland das Pfarrbriefarchiv ausgebaut wird – ja, ausgebaut!, während es ja in Weimar bekanntlich schon Anfang 2012 abgeschafft wurde; scheint, als ob man andernorts keine Probleme damit hat, das eigene Handeln nachprüfbar zu dokumentieren, vgl. hier).

Dort, im Pfarrblatt, finden Sie zwei Texte zu diesem Ereignis: Einen von Kaplan Obenaus selbst und einen von seinem bisherigen Vorgesetzten, Pfr. Edmund Muhrer. Da beide gewissermaßen dem Genre des ‚Offenen Briefes‘ angehören, möchte ich diese Form ebenfalls nutzen, um mich an Pfr. Muhrer zu wenden (der übrigens hier auf PuLa schon einmal „vorgekommen“ ist, wenn auch sehr versteckt! Er war nämlich Mitglied in der Arbeitsgruppe VI, ‚Katechetische Texte‘ zur Erarbeitung des neuen Gotteslobs!, vgl. hier, fünftes Bild):

 

Pfarrkirche Bad Aussee vom Parkplatz an der Traun (eigenes Bild)

Pfarrkirche Bad Aussee vom Parkplatz an der Traun (eigenes Bild)

Hochwürden! Sehr geehrter Herr Pfr. Muhrer,

diese Zeilen, die ich Ihnen aus Anlaß des Abschieds von Walter Obenaus als Kaplan in den Ausseerlandpfarren schreiben möchte, bieten mir die schon lange erhoffte Gelegenheit, Ihnen zuallererst sehr herzlich Dank zu sagen, für die Möglichkeit, während unseres Urlaubs in „Ihrem“ Pfarrverband am kirchlichen Leben teilzunehmen. Wir haben vor allem  stets die Hl. Messe sehr gerne mitgefeiert, aber auch am Kuchenbasar leckeres Backwerk erstanden, uns von Ihnen auch noch „außer der Reihe“ einen Kräuterstrauß zu Mariä Himmelfahrt segnen lassen und wir waren beeindruckt von den musikalischen Fähigkeiten der Pfarreien, wenn sie eine ganze Mozart-Messe „gestemmt“ haben. Ganz besonders lieben wir die Hl. Messe sonntags um 8.00 Uhr in der Kapelle zu Gößl, die zu besuchen wir vor allem an den Abreisetagen nie versäumen.

Und wir fanden es, obwohl wir selbst diese Möglichkeit nur einmal genutzt haben, ein wunderbares Zeichen, wie Sie in Ihrem Verantwortungsbereich der Feier der Hl. Messe im außerordentlichen römischen Ritus Raum eingeräumt haben – Raum eingeräumt in sehr großherziger Weise, denn sie haben die „Alte Messe“ nicht ‚irgendwo‘ stattfinden lassen, sondern in der zauberhaften Marienkapelle Ihrer schönen Pfarrkirche in Bad Aussee; Danke!

Emanuel Stöckler – Marienkapelle in der Kirche von Aussee, 1882 (Bild: Wikimedia Commons, Hubertl)

Emanuel Stöckler – Marienkapelle in der Kirche von Aussee, 1882 (Bild: Wikimedia Commons, Hubertl)

Wir haben das immer als ganz vorbildhaft empfunden, gerade weil wir aus einem Bistum kommen (Erfurt), das unverständlicherweise noch immer einen „weißen Fleck“ auf der Landkarte der „tridentinischen Messe“ darstellt.

Es war Kaplan Obenaus, der diese Messen zelebriert hat, und  wenn man nun die beiden Texte im Pfarrblatt anläßlich seiner Verabschiedung liest wird klar, Sie haben damit auch einen mutigen Schritt getan, denn wer gelernt hat auch zwischen den Zeilen zu lesen, der findet in den beiden Texten ein „fernes Echo“ auch der Vorbehalte (Konflikte?), die es ganz offenbar gegeben hat. Doch Sie haben eben das Richtige getan – in echt katholischer Weite; Danke!

Nun geben Sie in Ihrem „Brief“ an Kaplan Obenaus diesem einen „persönlichen Wunsch“ mit auf den Weg, es möge ihm, „bei aller Liebe zum überlieferten Ritus“, „geschenkt werden“, sich „auf den Segen des Miteinander einer Gemeindemesse einzulassen“, bei allem „beispielhaften“ „für euch“ in seiner „Präsenz als Stellvertretung“ hielten Sie eine stärkere Betonung des „mit euch“ für wünschenswert, ja wohl sogar erforderlich.

Dazu würde ich nun gerne einige Worte sagen und hoffe sehr, Sie möchten mir das nicht verargen; immerhin kann ja manchmal auch ein ‚Blick von außen‘ von Interesse sein.

Dabei fiele es mir natürlich niemals, wirklich niemals, ein, den Ratschlag, den Sie als erfahrener Pfarrer einem jungen Priester mit auf den Weg geben, in Frage zu stellen. Ja, ich möchte sogar sagen, auch auf der doch schmalen Basis unseres Erlebens  vermag ich mir schon vorzustellen, was Sie vielleicht bewegt hat; Kaplan Obenaus kann schon ein wenig den Eindruck einer sozusagen „scheuen Sprödigkeit“, wenn ich so sagen darf, erwecken und das mag momentan (dies war ja seine erste Kaplansstelle)  den „Einsatz“ in einer Pfarrei gelegentlich erschweren.

Und natürlich muß ich Ihnen als Laie auch nicht sagen, daß (oder gar warum) das „für euch“ des Priesters die absolut notwendige Voraussetzung jedes „mit euch“ ist, wenn dieses „mit euch“ einen priesterlichen Sinn haben soll, und daß es daher immer das erste sein muß, das „prä“ hat, so, wie es ja auch in Ihren Worten an Walter Obenaus an erster Stelle steht!

Sie wissen noch viel besser als ich, wie peinlich und wie „hohl“, wie jedes Gehalts entleert, die leider viel zu häufig (wenn auch nicht im Ausseerland!) anzutreffende Anbiederung ist, die manche Geistliche betreiben. Papst Franziskus hat die Priester dazu aufgefordert, den „Geruch der Schafe“ anzunehmen, ihnen also ganz nahe zu kommen.
Er hat nicht gesagt, sie sollen wie die Schafe werden, oder auch nur wie die Schafe blöken…
Nein, wenn man die so häufig nur in tendenziöser Verkürzung wiedergegebenen Texte des Hl. Vaters in Gänze liest, dann  versäumt er darin nie, auf den Sinn des Priestertums hinzuweisen: Die Verherrlichung Gottes und die „Verwaltung“ (vgl. 1 Kor 4,1-2) seiner Gnadenmittel – von Kumpanei ist da nirgends die Rede (vgl. hier).
Und Sie wissen, so befürchte ich, auch noch viel besser, wie prekär es um das (Stunden-) Gebet vieler Priester bestellt ist, das doch die Grundlage des priesterlichen Lebens darstellt. Aber als einfacher Gläubiger kann ich darüber Auskunft geben, welch verheerende Wirkungen es “auf Seiten der Schafe“ hat, wenn sie das Gefühl bekommen, da fehlt etwas. Und sie spüren es, wenn auch vielleicht manchmal nur unbewußt, aber sie spüren es! Und dann droht das „für euch“ dramatisch an Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Sehen Sie, Hochwürden, vor diesem Hintergrund habe ich die Sorge, daß manche Menschen Ihre klugen und wohlabgewogenen Worte mißverstehen könnten – weil sie leider Gottes von der Karikatur des wahren priesterlichen „mit euch“, von dem „Kumpel auf der Bierbank“, schon zu sehr geprägt sind. Natürlich kann ich nicht über „Ihren“ Pfarrverbund sprechen, aber bei uns sehe ich diese Gefahr jedenfalls.

Weil das nun ein wenig abstrakt daherkommen mag, und um zu erläutern, was es mit dem Abschied von Walter Obenaus zu tun hat, möchte ich Ihnen ein Erlebnis erzählen, das mich nun schon seit dem Sommer 2013 beschäftigt, und ich bin richtiggehend dankbar für die Gelegenheit dieses Briefes, es einmal niederschreiben zu können.

Es war in einer „ganz normalen“ Frühmesse, einer „Gemeindemesse“ (keiner „tridentinischen“ Messe!) in der Pfarrkirche Bad Aussee, die Kaplan Obenaus zelebrierte. Er stand nach der Wandlung am Altar, im Licht des Morgens, das durch die Chorfenster dieser ehrwürdigen und natürlich „geosteten“ Kirche strömte, und erläuterte in kurzen, leisen aber klaren Worten die Haltung der Finger, die er wie im alten Ritus praktizierte: Daumen und Finger bleiben aus Ehrfurcht nach der Berührung des Allerheiligsten zusammengelegt, um vorerst nichts anderes mehr zu berühren (vgl. hier, nach „Fingerhaltung“ suchen).

In diesem Augenblick habe ich verstanden, was das ist, von dem ich in vielerlei älteren Texten gelesen hatte: „Liebe zu den Priestern“!

Nie hatte ich gewußt, was ich mit diesem sozusagen „kollektiven“ Begriff anfangen sollte, ja, als echtes „Kind der Liturgiereform“ (Jg. 1963), hatte ich ihn eigentlich immer ein bißchen peinlich gefunden.

Jetzt nicht mehr.

Was ich vorher vielleicht rein verstandesmäßig als sinnvolle und wünschenswerte Befruchtung zwischen beiden Formen des einen Ritus bezeichnet hätte (und das ist es meiner Überzeugung nach auch wirklich!) das wurde in diesem Moment viel mehr: Mit einem Schlag wurde mir denkend und fühlend klar, was dieser Begriff meint. Daß die Empfindung ganz und gar unpersönlich und von der konkreten Person am Altar unabhängig ist. Weil es im Kern um die Liebe zum Sakrament geht und damit zu dem, der es gestiftet hat!

Daß aber davon dann auch ein Abglanz fällt auf den, der da in persona Christi vor uns steht. Seiten und Seiten der Lektüre über priesterliche Würde und Amt hätten mir diesen Moment nicht ersetzen können, den ich nie vergessen werde. In diesem Augenblick war das, was Kaplan Obenaus da „für mich“ und all die anderen Besucher dieser Hl. Messe wahrnahm, mehr und näher „mit mir“ und „bei mir“ als wären wir schon viele Jahre eng bekannt und hätten schon viele Pfarrfeste zusammen gefeiert.

Und weil ich fest davon ausgehe, dieses Erlebnis können noch viele Menschen haben, deswegen hoffe und bete ich, der junge Priester Walter Obenaus möchte sich in aller pfarrlichen Praxis als Wichtigstes und Kostbarstes dieses „für euch“ behalten und bin, was die Entwicklung des „mit euch“ angeht sehr zuversichtlich.

 

Dem Ausseerland, Ihnen und Ihrer Pfarrei im Gebet verbunden grüße ich Sie sehr herzlich

 

G. Lamers

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