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Zweihundert Jahre ‚French Connection‘ Jena-Weimar: Ein Pfarrjubiläum

Man mag ja kaum darüber nachdenken: Seit ‚Einführung‘ der Reformation in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts (über diesen eigentümlich bürokratischen Begriff muß man irgendwann auch mal was schreiben!) gab es über lange, lange Zeit in Weimar, wie in weiten Teilen Mitteldeutschlands überhaupt keinen katholischen Kultus; die Feier der Hl. Messe war schlicht verboten.

Es ist dieser düstere Hintergrund, der einem die Bedeutung der Tage vor zweihundert Jahren, als Anfang/Mitte August 1813 mit der Gründung der Pfarrei Jena-Weimar organisierter Katholizismus wieder erstand, so richtig deutlich werden läßt, aber der Reihe nach:

Im Jahr 1533 wurden die Franziskaner aus ihrem Weimarer Kloster vertrieben und erhielten Predigtverbot. Erst gut 180 Jahre später, zu Beginn des 18. Jahrhunderts liegen die ersten Nachrichten von erneuten, strikt anlaß- und personenbezogenen Messen auf dem Gebiet des späteren (seit dem Wiener Kongreß) Groß-Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach vor, sei es für italienische Kaufleute, Soldaten in der allerdings bald aufgelösten Armee oder für eine französische Fürstin im kurzlebigen (ca. 1672 – 1690 ) Herzogtum Sachsen-Jena.

Aber das ist nicht die ‚französische Verbindung‘, auf die der Titel anspielt. Sie ist vielmehr das Ergebnis der seit 1789 nachweisbaren Bemühungen der eigentlich ja seit ihrer Gründung 1558 sehr prägnant protestantischen Universität Jena um einen Priester für katholische Studenten und Universitätslehrer.

Nach dem Scheitern erster Ansätze konnte Gabriel Henry (* 28.3.1752, + 4.6.1835), gebürtig aus Nancy, am ersten Fastensonntag des Jahres 1795 seine Jenaer Antrittspredigt halten. Henry (das Datum seiner Priesterweihe kann ich hoffentlich einmal nachtragen ) gehörte zu den zahlreichen französischen Geistlichen, die die Amok laufende französische Revolution ins Exil nach Deutschland getrieben hatte.

Trotz schwieriger (materieller) Bedingungen gelang es Henry in Jena offenbar recht zügig, sich zu Stadt und Universität in ein mehr als auskömmliches Verhältnis zu setzen und die Seelsorge für die einigen Dutzend Katholiken in Stadt und Umfeld zu gewährleisten, so sehr, daß er es 1802 ablehnte, nach Frankreich zurückzukehren, wo ihn interessante Positionen erwarteten, und mit Genehmigung seines Bischofs in Jena verblieb.

Dort wurde er im Oktober 1806, als die Stadt im Zusammenhang mit der Schlacht von Jena und Auerstedt einen Moment lang ins Zentrum der Weltgeschichte rückte, zur Schlüsselfigur in der Verbindung zwischen der Stadt und den französischen Siegern. Er traf dabei nicht nur mit den Marschällen Lannes und Ney, sondern, am 15.10.1806, auch mit Napoleon selbst zusammen.

Beim ‚Kaiser der Franzosen‘ hat er sich, erneut alle Karrierechancen ausschlagend, für die rechtliche Gleichstellung der Katholiken in Sachsen-Weimar, für die Kirche und den Kirchbau in Jena und für Erleichterungen für die Stadt Jena im Zuge der Besatzung (und zwar in dieser Reihenfolge…) eingesetzt – mit Erfolg!

Im Jahr darauf dankte ihm die Stadt den Einsatz mit der Ehrenbürgerwürde und als wieder ein Jahr später Napoleon erneut in der Nähe weilte (Erfurter Fürstenkongreß von 1808) nutzte Henry die Gelegenheit, um seine Bemühungen um eine auskömmliche wirtschaftliche Absicherung der Kirche in Jena fortzusetzen, in Zeiten ohne Kirchensteuer (oder gar Staatsleistungen an die Kirche) die unabdingbare Voraussetzung für ein dauerhaftes Bestehen kirchlicher Organisationsstrukturen.

Die Dotation gelang, eine Art ‚Kirchenvorstand‘ wurde gewählt, der sachsen-weimarische Staat begann, sich um die Sache zu kümmern (regelmäßig nur allzu kleinlich) und Ende März 1809 wurde der Kirche das Gut Mohrental übergeben.

Dennoch dauerte es bis zur kirchlichen Errichtung der Pfarrei noch einige Jahre, sie wurde durch den ehemaligen Kurmainzischen Statthalter in Erfurt, Erzbischof Carl Theodor von Dalberg mit Datum vom 5. August 1813 vorgenommen,   mittlerweile als Erzbischof von Regensburg . Die gesamte Bistumsstruktur in Deutschland war zu diesem Zeitpunkt in völliger Unordnung, ein Umstand, der in den folgenden Jahrzehnten noch für allerlei Ungemach sorgen sollte).

Das Patronatsfest der neuerrichteten Pfarrei „Unsere Liebe Frau vom Siege“ war der 15. August.

Und da diese einzige Pfarrei in Sachsen-Weimar das gesamte Staatsgebiet umfaßte (und ohnehin bald nach Weimar verlegt wurde, wozu die veränderten politischen Umstände wesentlich mit beitrugen), können wir morgen, am Hochfest der Aufnahme der Jungfrau Maria in den Himmel (Assumptio Beatae Mariae Virginis) zugleich voll Freude das 200-jährige Pfarrjubiläum feiern.

Und das werden wir auch tun. Bleiben Sie dran oder, noch besser, melden Sie sich bei uns (per Kommentar, Mail oder Telephon)!

Heilige Maria, MutterGottes, in unversehrter Jungfräulichkeit in den Himmel aufgenommen, bitte für uns!

Mariä Himmelfahrt, Frankreich, 19. Jh. (Bild: Wikipedia, anonym)

 

4 Kommentare

  1. Ester schrieb:

    Find ich interessant, bedauere immer mehr, kaum Ahnung von der Geschichte Mitteldeutschlands zu haben.

    Donnerstag, 15. August 2013 um 22:38 | Permalink
  2. O, danke, das ist ja prima und sehr ermutigend!

    Der MDR unterhält eine recht gute Filmreihe: „Geschichte Mitteldeutschlands“, die immer in kleinen Staffeln läuft; ich glaube, bald beginnt wieder eine! (Note to self: Doch mal wieder in die doofe Fernsehzeitschrift gucken, die die Tageszeitung ungefragt mitbringt… 😉 )

    Freitag, 16. August 2013 um 12:53 | Permalink
  3. Andreas schrieb:

    Mhh … heute würde man das Ding womöglich „Pastoralraum Jena-Weimar“ nennen, oder „Seel-Sorge-Einheit“ … aber interessante Geschichte.

    Irgendwo habe ich ein altes Buch mit Liedern und Gebeten für das Bistum Konstanz aus eben jenen Tagen … wenn ich mich richtig erinnere, stammt das „Vorwort“ ebenfalls von diesem Carl Theodor von Dalberg … offenbar seht multitaskingveranlagt, der gute Mann! 😉

    Freitag, 16. August 2013 um 21:58 | Permalink
  4. Ja, heute… 🙂

    Sorry für die Verzögerung, war gerade arbeitsreich im real-life in den letzten Tagen.

    Dalberg… ein weites Feld. ‚Aufklärungstheologie‘, Reste von Reichskirche, oh well – ein andermal, oder?

    Montag, 19. August 2013 um 21:19 | Permalink

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  1. […] nach der Säkularisierung, eine Arbeitsstelle als Haushälterin des aus Frankreich geflohenen (vgl. hier) Abbé Lambert bot. Vor allem aber das Gasthaus Limberg, in dessen Hinterstube A.K.E. sich in ihrer […]

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