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Die Woche spricht zurück: Von „Nützlingsanbietern“ und was daraus werden kann

Treue PuLa Leser kennen die Rubrik „Die Woche spricht zurück“, in der wir der nur in eine Richtung verlaufenden Kommunikation im Pfarrbrief für Herz-Jesu-Weimar von Zeit zu Zeit eine Entgegnung widmen.

Die letzte Folge liegt schon ein bißchen zurück und manchmal haben die Texte ja durchaus ihre humoristische Seite.

Als nun in der aktuellen Ausgabe der ja mindestens offiziöse, da anonyme „Leitartikel“, der eben früher regelmäßig „In die Woche gesprochen“ überschrieben war, unter der vielversprechenden Überschrift „Die Nützlingsanbieter“ stand, dachte ich, ob das wohl wieder einmal Anlaß zu einer launigen Betrachtung böte, sozusagen passend zum Sonntag Laetare?

Leider gefror mir jedoch über der Lektüre das Schmunzeln im Gesicht.

Aber der Reihe nach: Der Beitrag beginnt mit einem ausführlichen Zitat von der Website des „Vereins der Nützlingsanbieter“, um erstmal zu klären, wovon denn eigentlich die Rede ist: „Flor- und Schlupfwespen, Raubmilben, Trichogramma und Nematoden“…

Der dann folgende Text hat einen Radio-Beitrag von Dr. Peter Felix Ruelius aus dem Bistum Limburg zur Grundlage, den dieser im Sommer 2008 im Hessischen Rundfunk gehalten hat (wohlgemerkt: Nichts gegen Übernahmen fremder Texte, PuLa zieht es allerdings vor, diese dann auch zu kennzeichnen).

Und dort erklärt Dr. Ruelius und ihm folgend der Pfarrbriefschreiber eben das hilfreiche Wirken all dieser Wesen: „Besonders raffiniert finde ich die Schlupfwespe; ein winziges Tierchen, das seine Eier ausgerechnet in die Eier eines Schädlings hineinlegt [sc. und die dadurch absterben], sich also auf Kosten ihres viel größeren Gegners unablässig vermehrt.“ […] „Und weil diese Nützlinge nicht überall dort in ausreichender Menge vorkommen, wo man sie braucht, haben sich Unternehmen darauf spezialisiert, diese Nützlinge zu züchten und der ökologisch ausgerichteten Landwirtschaft anzubieten. Und damit man nun diese Idee wirkungsvoll weiterverbreiten kann, haben sich diese Unternehmen in einem Verein zusammengeschlossen. Dieser Verein hat einen der schönsten Namen, die man sich für einen Verein überhaupt nur denken kann: Er heißt: Verein der Nützlingsanbieter.“

Gut, jetzt wissen wir also, wie sich die ulkige Überschrift erklärt und es folgt bei Ruelius die ausdrücklich als Phantasie gekennzeichnete Vorstellung, man könne solche bei einschlägigen Anbietern erworbenen Nützlinge auch gegen die vielen Krisenherde der Welt einsetzen, was aber mit der Realität wenig zu tun habe: „Wenigstens nicht im Großen.“

Und an dieser Stelle beginnen deutliche und bedeutsame Unterschiede zum Text unseres Pfarrbriefs. Was Dr. Ruelius allgemein auf den „Hausgebrauch“ des menschlichen Zusammenlebens bezog, der nach dem Hl. Apostel Paulus, „Besiege das Böse durch das Gute“, mehr Nützliches und Gutes vertragen könne, das wendet der Pfarrbrief – Überraschung! – auf die „Krisen einer Kirchengemeinde“ an, der die Nützlinge „Ruhe und Frieden bringen“ könnten, denn „an die Stelle des Üblen, des Schädlichen, des Unruhe Stiftenden“ könne ja etwas „Nützliches“ gesetzt werden.

Soso. Und wie stellt sich der anonyme Verfasser dieser Zeilen diese Ruhe und diesen Frieden vor? Das wird auch erklärt. Er entstünde offenbar,  wenn sich jemand „[…] in den Dienst nehmen lässt zugunsten einer größeren Gemeinschaft. Nein, nicht sich in den Dienst stellt, sondern sich in den Dienst nehmen lässt [im Original kursiv hervorgehoben]. Denn nicht immer ist das Angebotene auch das Erwünschte und Hilfreiche.“

Ist das nicht ein bemerkenswerter Satz? Er heißt übersetzt: „Egal, wer sich egal was ausdenken mag, was gut und nützlich ist und wer sich gnädigerweise betätigen darf, was „erwünscht“ (!) und hilfreich ist, das entscheiden wir allein.“

Tja, wen darf man sich unter diesem „wir“ wohl vorstellen? Jedenfalls, erinnern wir uns, handelt es sich um einen Text aus dem offiziellen Pfarrbrief, der seinen Verfasser nicht nennt, und den sich ergo die Gemeindeleitung zurechnen lassen muß.

Aber, so werden Sie sich vielleicht fragen: Müssen einem deswegen gleich die Gesichtszüge einfrieren?

Nein.

Aber niemals, wirklich niemals hätte ich mir vorzustellen vermocht, daß ich  in der Verlautbarung einer christlichen Gemeinschaft (!) würde lesen müssen, wie Menschen in die Kategorie von „Schädlingen“ eingeordnet werden:

„Da muss jeder selbst überlegen, ob er Schädling oder Nützling ist. Ob er Raubbau treibt an Gegebenheiten, die er vorfindet. […]“.

Und an dieser Stelle sollte der Humor jedes Menschen, aber besonders jedes Deutschen zuverlässig zu Ende sein, meiner ist es.

Werte Hauptamtliche der Gemeinde: Solche Machwerke dürfen Ihrer Kontrolle nicht entgehen; Kontrolle gehört zu Ihrem Auftrag!

Werte(r) Verfasser(in): Man kann in der Fastenzeit auf alles mögliche verzichten, Herz und Verstand sollten aber nicht dabei sein!

6 Kommentare

  1. Peter schrieb:

    Die Vermeldung zum 4.Fastensonntag ist im Stile der Lingua Tertii Imperii verfasst.

    Wäre die Verlautbarung der Pfarrgemeinde „Herz Jesu“ Weimar die Leistung einer einzelnen Person und nur privat veröffentlicht worden könnte man das noch mit einer individuellen Fehlleistung begründen.
    Aber dem ist nicht so! Diese Verlautbarung ist ganz öffentlich, für jeden interessierten, von der offiziellen Homepage der Gemeinde abrufbar und steht damit repräsentativ für die Gemeinde.
    Sollte dieses Dokument, sprachlich und inhaltlich, wirklich die Meinung der Verantwortlichen wiederspiegeln bin ich mehr als besorgt.
    Gerade am Fuße des Ettersberges sollte man etwas sensibler sein mit der Wortwahl.

    Peter

    Dienstag, 20. März 2012 um 16:21 | Permalink
  2. Bei allem Entsetzen: Daß eine solche Grundhaltung weit verbreitet ist, kann ich mir zum Glück nicht vorstellen! Aber es ist wie Sie schreiben, Peter (Identität ist der Redaktion bekannt!), auch als individuelle Fehlleistung durfte so etwas gerade in Weimar einfach nicht in den Pfarrbrief gelangen, zweimal nicht an der prominenten Stelle und dreimal nicht anonym, d.h. so, daß man es zunächst mit der Gemeide identifizieren muß!

    Dank und Gruß

    GL

    Mittwoch, 21. März 2012 um 10:43 | Permalink
  3. Else schrieb:

    PuLa schreit lieber laut in die Welt, als sich mit Anfragen und Bemerkungen direkt an die Redaktion des Pfarrbriefes (redaktion@herzjesu-weimar.de) zu wenden. Konstruktiv können nur klärende Gespräche sein – und die hat es nach Elses Recherche sowohl von Redaktionsseite mit dem Autor des Ursprungstextes als auch innerhalb der Redaktion gegeben.
    Es ist wohl alles klar – und PuLa bleibt wieder einmal die Rolle des schädlichen Giftmischers.

    Freitag, 23. März 2012 um 17:43 | Permalink
  4. Werte Else und alle Interessierten: Aus all diesen aufschlußreichen Kommentaren machen wir doch lieber ein neues Posting!

    Montag, 26. März 2012 um 16:01 | Permalink
  5. Edgar schrieb:

    Als ehemaliges Mitglied der weimarer katholischen Gemeinde, das jetzt im fernen Berlin lebt, war ich zu Ostern mal wieder in meiner Taufkirche und bin amüsiert bis verärgert, dass eitle Nerds, das hiesige Gemeindeleben derart vergiften. Liebe Lamers dieser Welt, es gibt für Euch doch die Piratenpartei!
    Liebe Grüße aus der Diaspora,Edgar

    Montag, 9. April 2012 um 14:22 | Permalink
  6. Edgar:

    Ein neuer Leser, wie schön! Herzlich willkommen! Wo Sie in Berlin leben, kennen Sie da vielleicht auch die Gemeinde in Wundersdorf? Das ist ein Völkchen, was?

    Leider merkt man ein bißchen, daß Sie der Weimarer Gemeinde schon länger nicht mehr angehören, denn hier gibt es eigentlich niemanden mehr, der nicht versteht, worum es bei dem geht, was PuLa in Bezug auf Weimar (das ist ja zum Glück nicht das einzige Thema!) so schreibt. Wenn Sie künftig selber lesen (und sich nicht bloß was erzählen lassen), dann bin ich ganz zuversichtlich, daß Sie Ihre kritische Haltung überdenken werden!

    Und was die „Nerds“ und die „Piraten“ angeht: Das kennen wir katholische Blogger schon, daß mit derartigen wenig durchdachten Stereotypen versucht wird, uns in eine Ecke zu stellen. Und wissen Sie was? Solange der Vatikan zu weltweiten Bloggertreffen einlädt können wir damit ziemlich gut leben 🙂

    Montag, 9. April 2012 um 23:03 | Permalink

10 Trackbacks/Pingbacks

  1. Pulchra ut Luna › Abschiede? on Samstag, 31. März 2012 um 23:23

    […] ist vor kurzem abgeschafft worden, in bemerkenswerter zeitlicher Koinzidenz zu diesem Beitrag übrigens. Statt dessen darf man sich jetzt in eine Verteilerliste einschreiben und erhält den […]

  2. […] tut der teuflische Diabolus […]“, die sich an die Bezeichnung von Mitmenschen/Nächsten als „Schädlinge“ nahtlos anschließt (und, nebenbei bemerkt, überdeutlich macht, daß diese Bezeichnung niemals […]

  3. […] geschriebener Artikel nicht wahr? Und als treue PuLa-Leser kannten Sie ja das Prinzip der Schädlingsbekämpfung durch Nützlinge schon und wußten von den Menschen, die sich damit (auch wirtschaftlich) […]

  4. […] haben die „Schädlings-Vermeldungen“ und die berüchtigte „Seite 11“ gezeigt: Nichts! (Vgl. hier, hier und […]

  5. Pulchra ut Luna › Weimar: Das Internet, Stand 1968? on Donnerstag, 26. Juni 2014 um 18:11

    […] in ihrer überheblichen  Kontrollfixiertheit („wir entscheiden hier, was erwünscht ist“, vgl. hier) niemand anderen etwas tun lassen wollen und deshalb schon gar nicht die Kraft hätten, es selbst […]

  6. Pulchra ut Luna › PuLa Wall of Shame IX, 1: “Schädlinge” on Freitag, 12. September 2014 um 17:01

    […] Publikation (den „Vermeldungen“) anonym als „Schädlinge“ bezeichnet wurden (vgl. hier, der dort enthaltene Link funktioniert nicht mehr, denn das Pfarrbriefarchiv wurde bald darauf […]

  7. […] lohnen allein schon die Anschaffung des Werkes! Für den, der Feindschaft erfährt (vgl. hier, hier und hier) ist das Gebet der Psalmen in diesem „gereinigten“ Sinne Balsam, Stärkung und […]

  8. […] wir uns daran gewöhnt haben, als „Schädlinge“ und „Diaboli“ bezeichnet zu werden (vgl. hier und hier), trifft uns das persönlich nicht mehr. Und ich will auch an dieser Stelle nicht über die […]

  9. […] Es wird knallhart aussortiert, was erwünscht ist und was, bzw. vor allem wer nicht! (PuLa berichtete) Den vielen „Aussortierten“ aller Schattierungen und Herkünfte dürfte ein solches Motto daher […]

  10. […] Wie sieht es aber mit der Person aus, die ihn angerufen hat? Auch da hat unser Gastautor natürlich vom Grunde her recht: Wenn man nur auf die Sache schaut, auf den Vorgang der Anrufung selbst, so verbietet sich die (Ab-) Qualifizierung eigentlich. Und eine so deutliche Sprache ist ja für das Pfarrblatt auch gar nicht typisch. Für das heutige Pfarrblatt, früher wurde hier ja durchaus mal noch ganz anders „hingelangt“, wer wüßte das besser als wir? (vgl. hier, hier und hier) […]

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