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Gastbeitrag: Der Datenschutz schlägt in Weimar auf

Der Datenschutz schlägt in Weimar auf

Ein Zwischenruf von der Seitenlinie

Im „Pfarrblatt“ der katholischen Gemeinde Herz-Jesu Weimar für den Zeitraum vom 01. bis 09.10.2016 finden sich an Stelle der bis dato erschienen Geburtstagsglückwünsche folgende kommentierungswürdige Sätze:

Aufgrund einer (anonymen) Beschwerde aus unserer Gemeinde beim Diözesandatenschutzbeauftragten Matthias Ullrich und beim Bischöflichen Ordinariat Erfurt sind wir aufgefordert worden, die Veröffentlichung von Namen und Alter der Jubilare unserer Pfarrei zu unterlassen. Mit Bedauern beugen wir uns dieser engen Rechtsauslegung und Herzlosigkeit.

Ich weiß nicht was Sie für Erwartungen an die Publikation ihrer Pfarrei haben, aber ich wünsche mir vor allem Neutralität, Objektivität und Sachlichkeit. Gerade weil es daran in der Vergangenheit oft schmerzlich gefehlt hat, ist meine Empfindlichkeit gegenüber den abwertenden Aspekten im obigen Zitat besonders groß. Es scheint mir, daß ein Ungeist hier sein Haupt erhebt, dem wir gleich dem hl. Georg einmal beherzt die Lanze ins Herz stoßen sollten. Es ist natürlich schwierig, einen Vorgang zu kommentieren, über den man nur durch 2 Sätze informiert ist. Aber wenden wir uns einfach dem sachlichen Gehalt zu: Es gibt einen Diözesandatenschutzbeauftragten. Schon gewußt? Ich noch nicht. Die Datenschutzgesetzgebung begann in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Es gibt eine EU-Datenschutzrichtlinie, das Bundesdatenschutzgesetz und die jeweiligen Ländergesetze. Deren Anwendbarkeit im Bereich der Kirche ist eine interessante, hier aber unerhebliche Frage, weil die katholische Kirche mit der „Datenschutzanordnung“ (KDO) die weltlichen Regelungen im wesentlichen in kirchliches Recht übernommen hat. Weitere Informationen stehen hier und hierwobei letztgenanntes Dokument auf Seite 103 die Frage der Veröffentlichung von Jubiläen explizit behandelt.

 Grundsätzlich kann man Dinge generell erlauben und es dem Einzelnen überlassen, dem dann zu widersprechen. Oder aber generell verbieten und es dem Einzelnen überlassen, seine Einwilligung zu geben. Im Datenschutzrecht gilt das generelle Verbot mit Einwilligungsvorbehalt. In § 3 KDO ist das wie folgt formuliert:

§ 3 KDO Zulässigkeit der Datenerhebung, -verarbeitung oder –nutzung
(1) Die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten ist nur zulässig, soweit.
1. diese Anordnung oder eine andere kirchliche oder eine staatliche Rechtsvorschrift sie erlaubt oder anordnet oder
2. der Betroffene eingewilligt hat.

Das erste, was wir daraus lernen, ist, daß es immer möglich ist, diejenigen Jubilare, die das wollen, auch zu erwähnen. Wenn man sich vorher deren Einwilligung besorgt. Dazu kann man z.Bsp. Listen auslegen.
Interessant in diesem Zusammenhang ist das Vorgehen der Kirchenzeitung „Tag des Herrn“. Die Zeitung greift für ihre Gratulationen nicht auf ihre eigenen Daten zurück, sondern nur auf die, die ihr von Verwandten, Freunden oder Bekannten des Jubilars übermittelt werden und gratuliert damit eigentlich in deren Auftrag im Rahmen eines „Leser grüßen Leser“-Konzepts. Ob der DDSB sich damit zufrieden gäbe, wäre freilich im Vorfeld abzuklären. Jedenfalls zeigt die Kirchenzeitung damit, wie man sich mit den gegebenen Rahmenbedingungen konstruktiv und clever auseinandersetzt.

 

Zweitens lernen wir, daß es andernfalls einer rechtlichen Ermächtigung bedarf, um die Daten der Gemeindemitglieder ohne gesonderte Einwilligung zu nutzen. Den Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Verwendung von Daten stellt § 10 KDO dar. Die Verwendung muß entweder zur Erfüllung der eigenen Aufgaben erforderlich sein, oder es muß einer der aufgezählten Ausnahmetatbestände vorliegen. Wenn es also um Heiraten, Beerdigungen oder Firmungen geht, können die Namen der Beteiligten natürlich genannt werden, da es sich hier um originäre kirchliche Aufgaben handelt. Das gilt aber nicht für die Veröffentlichung von Name und Lebensalter der Gemeindemitglieder im Rahmen einer Geburtstagsgratulation. Da auch keine Ausnahme einschlägig ist, bleibt es beim Verbot. Das ist keine enge Rechtsauslegung, sondern die einzig mögliche, und zwar ganz unabhängig davon, was in der Kirche denn so konkret passiert. Freilich könnte eine solche Ausnahmeermächtigung durch den Bischof geschaffen werden.
Im weltlichen Bereich steht die Ermächtigung in §50 Absatz 2 des kürzlich in Kraft getretenen Bundesmeldegesetzes und lautet so:

§ 50 Melderegisterauskünfte in besonderen Fällen
[…]
(2) Verlangen Mandatsträger, Presse oder Rundfunk Auskunft aus dem Melderegister über .Alters- oder Ehejubiläen von Einwohnern, darf die Meldebehörde Auskunft erteilen über 1. Familienname, 2. Vornamen, 3. Doktorgrad, 4. Anschrift sowie 5. Datum und Art des Jubiläums. Altersjubiläen im Sinne des Satzes 1 sind der 70. Geburtstag, jeder fünfte weitere Geburtstag  und ab dem 100. Geburtstag jeder folgende Geburtstag; Ehejubiläen sind das 50. und jedes folgende Ehejubiläum.

Deshalb sind die Geburtstagsvermeldungen in den Amtsblättern jetzt kürzer als früher.
Aber zurück zu unserem Fall. In § 15 Absatz 3 KDO lesen wir folgendes:

§ 15 Anrufung des Diözesandatenschutzbeauftragten
[…]
(3) Niemand darf gemaßregelt oder benachteiligt werden, weil er sich im Sinne des Abs. 1 an den Diözesandatenschutzbeauftragten gewendet (sic!) hat.

Das bedeutet dann wohl auch, daß diejenige Person im Pfarrblatt nicht als „herzlos“  bezeichnet werden sollte. Grundsätzlich weiß ja eigentlich nur der Datenschutzbeauftragte, ob ihn Nachrichten anonym erreichen oder nicht. Aber wir können natürlich trotzdem die Frage prüfen, ob das irgendetwas ändert und lesen dazu § 19 Absatz 1 KDO:

§ 19 Beanstandungen durch den Diözesandatenschutzbeauftragten
(1) Stellt der Diözesandatenschutzbeauftragte Verstöße gegen Vorschriften dieser Anordnung oder gegen andere Datenschutzbestimmungen oder sonstige Mängel bei der Verarbeitung personenbezogener Daten fest, so beanstandet er diese unter Setzung einer angemessenen Frist zur Behebung gegenüber der betroffenen kirchlichen Dienststelle.

Wie er zu seinen Kenntnissen kommt, spielt also keine Rolle. Auch steht das Tätigwerden nicht in seinem Ermessen. Also, jemand hat sein Recht ausgeübt, den Datenschutzbeauftragten anzurufen. Der Datenschutzbeauftragte hat seine Pflicht getan. Wie ist das jetzt mit den übrigen Katholiken in Weimar, den Mitarbeitern der Pfarrei und allen anderen. Haben die bzw. wir auch unsere Pflicht getan, und worin besteht die eigentlich?

Monticola

 

Die Fakten sorgfältig und umfassend zu betrachten und die Kirche auch als Rechtsgemeinschaft ernstzunehmen, das sollte unsere erste Pflicht sein, sagen wir auf PuLa und deswegen sind wir für diesen Gastbeitrag dankbar!

Er entstammt der Feder eines uns persönlich wohlbekannten Gemeindemitglieds, dessen Gründe für den Wunsch anonym zu bleiben wir nachvollziehen und akzeptieren. Sie haben unser Wort darauf, er weiß in juristischen Dingen, wovon er redet, abgesehen davon, daß man das ja auch einfach dem Text selbst anmerkt!

Also, dem Datenschutzbeauftragten ist ganz sicher kein Vorwurf zu machen, die Rechtslage ist eindeutig und außerdem hat M. Ullrich seinen Sitz in  Schönebeck, das liegt im Salzlandkreis, was ergänzend für seine Unvoreingenommenheit spricht; „unser“ Diözesandatenschutzbeauftrager ist nämlich auch für die Bistümer Magdeburg, Dresden-Meißen und Görlitz zuständig

Wie kommt es also zu den harten Worten in den Vermeldungen, wie sie hier zitiert werden und den engagierten Reaktionen mehrerer Priester unserer Pfarrei vom Ambo aus?
Der Schlüssel dafür wird wohl eher in dem Begriff der „Herzlosigkeit“ zu suchen sein, den ich schon vom sprachlichen Befund des Pfarrblatt-Textes her mit dem Datenschutz (-beauftragten) überhaupt nicht in Verbindung bringen würde.

Wie sieht es aber mit der Person aus, die ihn angerufen hat? Auch da hat unser Gastautor natürlich vom Grunde her recht: Wenn man nur auf die Sache schaut, auf den Vorgang der Anrufung selbst, so verbietet sich die (Ab-) Qualifizierung eigentlich. Und eine so deutliche Sprache ist ja für das Pfarrblatt auch gar nicht typisch. Für das heutige Pfarrblatt, früher wurde hier ja durchaus mal noch ganz anders „hingelangt“, wer wüßte das besser als wir? (vgl. hierhier und hier)

Also nochmal: Wie kam es zu dieser Wortwahl?
Nun, zum einen ist klar, diese Veränderung macht vor allem (aber nicht nur!) den eigentlich Betroffenen, den Senioren nämlich, wirklich etwas aus, man muß wohl davon ausgehen, daß hier ein echter emotionaler Verlust entsteht. Was auch stark dagegen spricht, daß die Meldung nach Schönebeck etwa von einem tatsächlich betroffenen Pfarrkind kam!
Nein, und damit kommen wir zu dem vermutlich anzunehmenden weiteren Grund der heftigen Reaktion: Dies ist ja nicht die einzige derartige Aktion, die in letzter Zeit vermehrt zu verzeichnen ist. Das wissen wir, gemeindeöffentlich, aus bischöflichem Munde! Wer hier am Werke ist, dem ist das Herzeleid der Senioren völlig gleichgültig, wenn, ja wenn nur vordergründig der Eindruck erweckt werden kann, „neuerdings“ funktioniere ja alles nicht mehr „wie früher“. Und weil das natürlich Unsinn ist und in Wahrheit alles erheblich viel besser „funktioniert“ als in den zurückliegenden Jahren, deswegen schreckt man eben auch nicht davor zurück, selber nachteilige Fakten erst zu 
schaffen, freilich so, daß niemand es beweisen kann.
Wenn das so weitergeht, steht uns für die Gremienwahlen im nächsten Januar ein heißer Wahlkampf bevor. Wir haben das hier schon einmal geschrieben: Wer meint, wir hätten in den vergangenen fünf Jahren unser Pulver schon verschossen und könnten nicht noch wesentlich deutlicher werden, wenn versucht würde, die Früchte der Veränderungen seit dem September 2015 zu gefährden, der hätte sich geschnitten!

Bis dahin gilt für die Sache selbst, das, was Hw. Pfr. Riethmüller heute in der Abendmesse gesagt hat: Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen und unser Gastbeitrag weist ja auf gleich zwei denkbare Lösungswege hin!

Gereon Lamers


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