Evangelium: Vom Zeichen an der Sonne [Lk 25, 25; 33]
»Und alsdann werden sie sehen des Menschen Sohn kommen in einer Wolke mit großer Macht und Herrlichkeit. – Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.«
Wo bleibst du, Wolke, die den Menschensohn Soll tragen? Seh ich das Morgenrot im Osten schon Nicht leise ragen? Die Dunkel steigen, die Zeit rollt matt und gleich. Ich seh es flimmern, aber bleich ach, bleich! Mein eignes Sinnen ist es was da quillt Entzündet, Wie aus dem Teiche grün und schlammerfüllt Sich wohl entbindet Ein Flämmchen und vom Schilfgestöhn umwankt Unsicher in dem grauen Dunste schwankt. So muß die allerkühnste Phantasie Ermatten; So in der Mondesscheibe sah ich nie Des Berges Schatten Gewiß, ob ein Koloß die Formen zog, Ob eine Träne mich im Auge trog. So ragt und wälzt sich in der Zukunft Reich Ein Schemen. Mein Sinnen sonder Kraft, Gedanke bleich – Wer will mir nehmen Das Hoffen, was ich in des Herzens Schrein Gehegt als meiner Armut Edelstein? Gib dich gefangen, törichter Verstand! Steig nieder Und zünde an des Glaubens reinem Brand Dein Döchtlein wieder! Die arme Lampe, deren matter Hauch Verdumpft, erstickt in eignen Qualmes Rauch. Du seltsam rätselhaft Geschöpf aus Ton Mit Kräften, Die leben, wühlen, zischen wie zum Hohn In allen Säften, O bade deinen wüsten Fiebertraum Im einz’gen Quell, der ohne Schlamm und Schaum! Wehr ab, stoß fort, was gleich dem frechen Feind Dir sendet Die Macht, so wetterleuchtet und verneint; Und starr gewendet Wie zum Polarstern halt das eine fest, Sein Wort, sein heilig Wort – und Schach dem Rest! Dann wirst du auf der Wolke deinen Herrn Erkennen, Dann sind Jahrtausende nicht kalt und fern, Und zitternd nennen Darfst du der Worte Wort, des Lebens Mark, Wenn dem Geheimnis deine Seele stark. Und heute schon, es steht in Gottes Hand, Erschauen Magst du den Heiland in der Seele Brand, Glühndem Vertrauen. Zerfallen mögen Erd und Himmels Höhn, Doch seine Worte werden nicht vergehn.
Erfahrene Leser wissen, wir versuchen, den Advent von Mißklängen durch Auseinandersetzungen jeglicher Art freizuhalten.
Dementsprechend möchte ich auch heute nicht über den sog. „Synodalen Weg“ schreiben, der, sehr im Gegensatz zu der oben geschilderten, von uns gepflegten Haltung, mit diesem neuen Kirchenjahr begonnen hat.
Nein, es soll genügen, am 7. Dezember, an dem Ambrosius im Jahr 374 zum Bischof geweiht wurde, das heutige Tagesgebet zu zitieren und es Ihnen zum Mitbeten zu empfehlen:
GOtt, du hast uns im heiligen Bischof Ambrosius einen hervorragenden Lehrer des katholischen Glaubens und ein Beispiel apostolischen Freimutes gegeben. Höre auf seine Fürsprache und berufe in deiner Kirche Bischöfe, die deinem Willen gehorsam sind und dein Volk mit Kraft und Weisheit leiten. Darum bitten wir durch Jesus Christus.
Ein guter Hirt läßt seine Schafe nimmer! O wehe, Hirt! den ein verkümmert Lamm Einst klagend nennen wird mit Angstgewimmer, Ein blutend wundes, eins voll Wust und Schlamm. Was willst du sagen? Schweig! Dein Wort ist tot, der Stirne Zeichen Kains gleich. Weh, Fürsten euch! die ihr des Volkes Seelen Gen Vorteil wägt und irdisches Gedeihn. Weh, Eltern! denen Kindes glänzend Fehlen Weit lieber ist als Einfalt sonder Schein. Ihr warbt euch das Gericht; Sprecht nicht von Ehre! eure kennt man drüben nicht! Hausväter, wehe! die ein dienend Wesen Nur an sich nahmen wie gedingten Leib; Unwürdig seid zu Hirten ihr erlesen Freundlosem Manne, unberatnem Weib. Habt ihr gewußt und schwiegt; Seht, jeder Flecken brandig an der Hand euch liegt! Und wehe, wehe allen! deren Händen Ward anvertraut ein überschwenglich Gut. Weh, Lehrer euch! die Herzen, leicht zu wenden, Vergiftet habt mit Hohn und Übermut. Die Pfund‘ euch vorgestreckt, Nicht wohl vergrubt ihr sie, habt sie mit Rost befleckt. Doch bist du frei? darfst du so kühn denn sprechen Das Bannwort über tausend Menschen aus? Wem Kron‘ und Macht, wem Haus und Hof gebrechen, Schließt ihn die Pflicht von ihren Schranken aus? Denk nach! schwer ist die Frag‘; Um dein‘ und fremde Seele gilt’s, denk nach! Wenn Kinderohr an deinen Lippen hänget, Wenn Kinderblick in deinen Augen liest, Wenn jedes kecke Wort, das vor sich dränget, Wie glühend Blei in zarte Ohren fließt: Bist du dann nicht der Hirt? Ist dein die Schuld nicht, wenn das arme Lamm verirrt? Und wenn ein schwach Gemüt, ein stumpfes Sinnen, Neugierig horcht auf jedes Wort von dir, Um alles möchte Gleichheit sich gewinnen, Aufzeichnet jede Miene mit Begier: O, spricht nicht dies Gesicht: Ich acht‘ auf dich, bei Gott verdirb mich nicht? Hast du mir Herr an diesem Tag erschlossen, Wem nie so ernst zuvor ich nachgedacht, So knie ich denn in Flehen hingegossen: Hier ist der Wille, gib mir nun die Macht! Der Sinn so rasch und leicht – Leg deine schwere Hand auf ihn, bis er entweicht! Gewitter kannst mit deinem Hauch du hemmen, Aus dürrem Sande Palmeninseln ziehn; O hilf auch mir den wilden Strom zu dämmen, Laß nicht an meiner Stirn das Kainszeichen glühn Und steht vielleicht es dort, Nimm meine Tränen Herr und lösch es fort!
Wundersdorf, Oderbruch. Die allseits bekannte Schafweide. Trotz der Eiseskälte stehen die Schafe dicht gedrängt am Gatter und drücken sich die Schnauzen platt. Auf irgend etwas scheinen sie zu warten …
Ein Schaf: Warum kommt er nicht?
Ein anderes Schaf: Vorhin dachte ich, ich hätte etwas Rotes durch die Luft fliegen sehen. Aber dann war er es doch nicht …
Ein drittes Schaf: Warten wir noch ein bißchen!
Ein viertes Schaf: Das wird schon!
Die armen Schafe! Offenbar war der Nikolaus noch nicht da und scheint auch nicht in Sicht zu sein. Ob ihm etwas zugestoßen ist? – Naja, in den nächsten Tagen werden wir es sicherlich erfahren.
»Über ein kleines werdet ihr mich sehen.« [Joh. 16, 16]
Ich seh dich nicht! Wo bist du denn, o Hort, o Lebenshauch? Kannst du nicht wehen, daß mein Ohr es hört? Was nebelst, was verflatterst du wie Rauch, Wenn sich das Aug‘ nach deinen Zeichen kehrt? Mein Wüstenlicht, Mein Aaronsstab, der lieblich könnte grünen, Du tust es nicht; So muß ich eigne Schuld und Torheit sühnen! Heiß ist der Tag; Die Sonne prallt von meiner Zelle Wand, Ein traulich Vöglein flattert ein und aus; Sein glänzend Auge fragt mich unverwandt: Schaut nicht der Herr zu diesen Fenstern aus? Was fragst du nach? Die Stirne muß ich senken und erröten. O bittre Schmach! Mein Wissen mußte meinen Glauben töten. Die Wolke steigt, Und langsam über den azurnen Bau Hat eine Schwefelhülle sich gelegt. Die Lüfte wehn so seufzervoll und lau Und Angstgestöhn sich in den Zweigen regt; Die Herde keucht. Was fühlt das stumpfe Tier, ist’s deine Schwüle? Ich steh gebeugt; Mein Herr berühre mich, daß ich dich fühle! Ein Donnerschlag! Entsetzen hat den kranken Wald gepackt. Ich sehe, wie im Nest mein Vogel duckt, Wie Ast an Ast sich ächzend reibt und knackt, Wie Blitz an Blitz durch Schwefelgassen zuckt; Ich schau ihm nach. Ist’s deine Leuchte nicht, gewaltig Wesen? Warum denn, ach! Warum nur fällt mir ein was ich gelesen? Das Dunkel weicht; Und wie ein leises Weinen fällt herab Der Wolkentau; Geflüster fern und nah. Die Sonne senkt den goldnen Gnadenstab, Und plötzlich steht der Friedensbogen da. Wie? wird denn feucht Mein Auge, ist nicht Dunstgebild der Regen? Mir wird so leicht! Wie? kann denn Halmes Reibung mich bewegen? Auf Bergeshöhn Stand ein Prophet und suchte dich wie ich: Da brach ein Sturm der Riesenfichte Ast, Da fraß ein Feuer durch die Wipfel sich; Doch unerschüttert stand der Wüste Gast. Da kam ein Wehn Wie Gnadenhauch und zitternd überwunden Sank der Prophet, Und weinte laut und hatte dich gefunden. Hat denn dein Hauch Verkündet mir, was sich im Sturme barg, Was nicht im Blitze sich enträtselt hat? So will ich harren auch, schon wächst mein Sarg, Der Regen fällt auf meine Schlummerstatt. Dann wird wie Rauch Entschwinden eitler Weisheit Nebelschemen, Dann schau ich auch, »Und meine Freude wird mir niemand nehmen.«
Annette von Droste-Hülshoff
Der große mitteldeutsche 😉 Komponist Händel hat mit dem folgenden Duett aus dem Oratorium L’Allegro, il Penseroso ed il Moderato (Premiere im Februar 1740) nicht nur Musik geschaffen, so schön, daß sie vielleicht erreicht, aber m.E. nicht übertroffen werden konnte, nein, er hat, recht betrachtet, auch echt adventliche Musik geschrieben! Hören Sie nur:
Der Text:
As steals the morn upon the night, And melts the shades away: So Truth does Fancy’s charm dissolve, And rising Reason puts to flight The fumes that did the mind involve, Restoring intellectual day.
basierend auf William Shakespeares „Tempest“ (Akt 5, Szene 1) aufgegriffen von John Milton und dann verarbeitet von Händels Librettisten Charles Jennens wird gerne als „aufklärerisch“ verstanden, immer nach dem Motto: Wo „Verstand“ (Reason) draufsteht, da kann „natürlich“ nur Weltliches gemeint sein, die „Wissenschaft“.
Und in der Tat, das ist eine der größten und unseligsten Propagandaleistungen der „Aufklärer“ und ihrer Nachbeter bis heute, die es geschafft haben, daß die so verstandene „Wahrheit“ (Truth) in einen Gegensatz gerückt wird zum (trügerischen) „Zauber“ (charm) bloßer „Neigung“ (fancy), der seinerseits identifiziert wird mit der als Aberglauben verunglimpften Religion.
Seufz! 🙁
Aber das ist natürlich alles Unsinn. Zunächst ist schon rein historisch darauf hinzuweisen, daß wir es hier nicht mit dem zu tun haben, was gemeinhin mit „Aufklärung“ assoziiert wird, nämlich deren vorwiegend französisch dominierte Spätphase, 30, 40 Jahre später, mit ihrer ausgeprägt antichristlichen Tendenz. Haltungen, die den Freunden Händel und Jennens, der einer besonders strengen Richtung des Anglikanismus anhing, völlig fremd waren.
Weiterhin ist ja inzwischen nun wirklich jedermann klar und über-deutlich geworden, daß der Versuch auf der Basis der „Aufklärung“ eine in sich schlüssige und tragfähige Begründung allgemein verbindlichen moralischen Wertens und Verhaltens zu finden, die in der Lage wäre, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gewährleisten, als gescheitert gelten muß. Seit langem. Was letztlich genau daran liegt, daß diese Versuche an der epistemologischen Frage, was denn „Wahrheit“ wirklich sei, scheitern müssen.
Dieses Ungenügen an dem vermeintlichen (Bücher-) Wissen, das die Wahrheit nicht erschöpfend umfaßt, hat die Droste auch bereits schmerzlich empfunden:
Die Stirne muß ich senken und erröten.
O bittre Schmach!
Mein Wissen mußte meinen Glauben töten.
Und:
Ist’s deine Leuchte nicht, gewaltig Wesen? Warum denn, ach! Warum nur fällt mir ein was ich gelesen? (Hervorhebung von mir)
Nun, sie wußte es letztlich dank göttlicher Gnade, wie auch dieses Gedicht zeigt, besser und wir wissen es auch: Die Wahrheit, das ist eine Person und Er hat es uns selbst gesagt: „Ich bin die Wahrheit“. Und er ist der Logos und so muß man folglich diesen Text lesen:
So heißt der HErr unseliger Neigung Zauber sich zu heben,
Und der aufgehende Logos macht fliehen
Die Dünste, die den Geist verstrickten
Oder mit den Worten Annettes:
Dann wird wie Rauch Entschwinden eitler Weisheit Nebelschemen
Und im Advent hoffen und warten wir genau darauf, auf den „Aufgang“, Seinen Aufgang , den des Logos, den „Ortus“ der Sonne der Gerechtigkeit (Mal 4,2), Christus, den HErrn.
Und deshalb haben Händel&Jennens mit diesem Stück adventliche Musik par excellence geschaffen, die mir bei eben diesem Gedicht einfallen mußte! 🙂
»Darum sage ich euch, machet euch Freunde mit dem ungetreuen Mammon, damit, wenn ihr Mangel leidet, sie euch in die ewigen Wohnungen aufnehmen.« [Lk 16,9]
Warum den eitlen Mammon mir Hast du gesellt nach deinem Willen? Nicht daß er, eine blanke Zier, Soll eingefreßne Schäden hüllen; Auch nicht die flücht’gen Stunden hier Mit frischem Erdenreiz zu füllen, Nein, anders wohl; O was du gibst ist nicht so leer und hohl! Ich soll mit seinem bunten Strahl In deinem Segen Wucher treiben; Für meinen Hunger soll ein Mahl Ich in die ew’ge Rechnung schreiben; Und meiner Blöße, matt und fahl, Soll er ein warmer Mantel bleiben, Wenn bricht herein Die Zeit, wo stäubt und rostet, was nicht mein. Dann bin ich krank und ganz verarmt, Dann wird der bittre Mangel kommen, Wo starrt, woran mein Herz erwarmt, Zerstäubt, woher ich Trost genommen; Wenn deine Hand sich nicht erbarmt Und zeichnet noch zu meinem Frommen In Mildigkeit Den Heller heimgelegt für jene Zeit. Laß, Herr, in jener Stunde Macht Mich nicht so hülfeweinend fallen! Die vor mir steht wie Chaos‘ Nacht, Wie Dunkel über Dunkel wallen. Weh mir, ich hab‘ es nicht bedacht! So laß es mir fortan vor allen Gewärtig sein; O rege mich durch Milde oder Pein! Laß mich hinfort der Worte Gold Ausgeben mit des Wuchrers Sorgen, Daß, wenn das Heute nun entrollt, Mir nicht verloren ist das Morgen; Laß mich bedenken, daß der Sold, Den eitlem Ruhm ich mußte borgen, Genommen ward Dem goldnen Hort für einst und Gegenwart! Und eine Feder laß mich nur Betrachten mit geheimem Beben, Bedenkend, daß der schwarzen Spur Folgt leise schleichend Tod und Leben. Den Pfunden, so mir gab Natur, O Herr laß Zinsen mich entheben; Ich bin so arm, So nur in dem geborgten Pelze warm! Ach Gott, wie wird mein Herz so schwer, Gepreßt vom dämmernden Verstande! Ob es gelingt die Gaben hehr Zu legen mir auf edle Pfande? O nur aus deiner Weisheit Meer Ein einzig Tröpflein mir vom Rande! Durch des Genuß Die Galle selbst zu Honig werden muß!
Und er sprach zu seinen Jüngern: »Ich habe Mitleiden mit dem Volke, denn seht, sie harren schon drei Tage bei mir, und haben nichts zu essen, und wenn ich sie ungespeiset von mir nach Hause gehen lasse, so werden sie auf dem Wege verschmachten, denn einige aus ihnen sind von ferne gekommen.« Und seine Jünger antworteten: »Wie wird sie jemand hier in der Wüste mit Brod sättigen können?« – Und sie aßen und wurden satt, und huben auf, was von den Brocken übriggeblieben war, sieben Körbe. [Mt 15, 32-39]
Wohl sehr erschöpft die Menge war Und wohl der Hunger nagte sehr, Da nahmst du treulich ihrer wahr. Ach, für die Seele matt und leer, Nach jahrelanger Dürr‘ und Schwüle, Hast du nicht einen Bissen auch, Nicht einen Labetrunk für sie, Nicht einen frischen Gnadenhauch, Der in der Wüste Brand und Müh‘ Das siedende Gehirne kühle? Denn sieh, von ferne kam ich ja, Und ob ich selber mich verbannt: Du stehst mir drum nicht minder nah. Wer einmal sich zu dir gewandt Mit neu erwachendem Gefühle, Wer einmal aus des Treibers Joch Sich flüchtete zu deinem Ohr, Und sei er so verkümmert noch, Du bist so mild, hältst ihm nicht vor Der Sklavenpeitsche harte Schwiele. O rette mich, daß nicht der Trug Des Hungers mich bezwingen kann, Daß ich nicht unter Wahnsinns Fluch Die Hände strecke, greife an Die gift’ge Frucht am welken Stiele, So aus dem Paradiese trieb Und die Erkenntnis wird genannt! Stiehlt sie das Leben wie ein Dieb: So lockt sie doch des Gaumens Brand Mit scheinbar frischen Saftes Spiele. Ach, nicht die Wüste neben mir, Die Wüste mir im Busen liegt! Wo find‘ ich denn, wo find‘ ich hier Was meinen Hunger nicht betrügt, Was meine dürre Kehle spüle? So sprachen deine Jünger auch; Du Gnäd’ger fandest doch ein Brod, Wo sengenden Samumes Hauch Dir keine fromme Ähre bot, Nur Sand und stäubendes Gewühle. »Da aßen sie und wurden satt, Und sammelten was übrigblieb«; War keiner krank mehr, keiner matt Und der Genesne ward dir lieb, So lieb als der Gesunden viele.
[Hinweis: Annette v. Droste Hülshoff hat nicht zu allen Gedichten die Perikope des Tages (hier wäre sie aus Mk 16) vermerkt. Wo sie das nicht getan hat, wie z.B. zu diesem Festtag, nehmen die Verse auch nicht explizit auf das Tagesevangelium Bezug, und ich lasse es daher selbstverständlich ebenfalls weg]
Er war ihr eigen drei und dreißig Jahr. Die Zeit ist hin, ist hin! Wie ist sie doch nun alles Glanzes bar, Die öde Erd‘, auf der ich atm‘ und bin! Warum durft‘ ich nicht leben, als sein Hauch Die Luft versüßte, als sein reines Aug‘ Gesegnet jedes Kraut und jeden Stein? Warum nicht mich? Warum nicht mich allein O Herr, du hättest mich gesegnet auch!
Dir nachgeschlichen wär‘ ich überall Und hätte ganz von fern, Verborgen von gebüschesgrünem Wall, Geheim betrachtet meinen liebsten Herrn. Zu Martha hätt‘ ich bittend mich gewandt Um einen kleinen Dienst für meine Hand: Vielleicht den Herd zu schüren dir zum Mahl, Zum Quell zu gehn, zu lüften dir den Saal – Du hättest meine Liebe wohl erkannt.
Und draußen in des Volkes dichtem Schwarm Hätt‘ ich versteckt gelauscht, Und deine Worte, lebensreich und warm, So gern um jede andre Lust getauscht; Mit Magdalena hätt‘ ich wollen knien, Auch meine Träne hätte sollen glühn Auf deinem Fuß; vielleicht dann, ach, vielleicht Wohl hätte mich dein selig Wort erreicht: „Geh hin, auch deine Sünden sind verziehn!“
Umsonst! Und zwei Jahrtausende nun fast Sind ihrem Schlusse nah‘, Seitdem die Erde ihren süßen Gast Zuletzt getragen in Bethania. Schon längst sind deine Märtyrer erhöht, Und lange Unkraut hat der Feind gesät; Gespalten längst ist deiner Kirche Reich, Und trauernd hängt der mühbeladne Zweig An deinem Baume; doch die Wurzel steht.
Geboren bin ich in bedrängter Zeit; Nach langer Glaubensrast Hat nun verschollner Frevel sich erneut; Wir tragen wieder eine fast vergeßne Last, Und wieder deine Opfer stehn geweiht. Ach, ist nicht Lieben seliger im Leid? Bist du nicht näher, wenn die Trauer weint. Wo Drei in deinem Namen sind vereint, Als Tausenden in Schmuck und Feierkleid?
‚S ist sichtbar, wie die Glaubensflamme reich Empor im Sturme schlägt, Wie Mancher, der zuvor Nachtwandlern gleich, Jetzt frisch und kräftig seine Glieder regt. Gesundet sind die Kranken; wer da lag Und träumte, ward vom Stundenschlage wach; Was sonst zerstreut, verflattert in der Welt, Das hat um deine Fahne sich gestellt, Und jeder alte, zähe Firnis brach.
Was will ich mehr? Ist es vergönnt dem Knecht, Die Gabe seines Herrn Zu meistern? Was du tust, das sei ihm recht! Und ist dein Lieben auch ein Flammenstern, Willst läutern du durch Glut, wie den Asbest, Dein Eigentum von fauler Flecken Pest: Wir sehen deine Hand und sind getrost, Ob über uns die Wetterwolke tost, Wir sehen deine Hand und stehen fest.
Evangelium: Vom kranken Sohn des Königleins [Joh 4, 49f.]
Das Königlein sprach: Herr! komm doch hinab, ehe denn mein Sohn stirbt!“ Jesus sprach: “ Gehe hin, dein Sohn lebt.“ Und der Mensch glaubte dem Worte, und ging hin.
Der Sonnenstrahl, ein goldner Spieß,
Prallt von des Sees kristallnen Flächen
Und fahrend gen den Marmorflies
Palastes Mauern will durchstechen.
Auf seidnen Polstern windet sich,
Die magern Ärmchen ringt das Kind,
Und eine Träne bitterlich
Noch möchte aus dem Auge lind,
Dem halberstarrten, brechen.
Schon hat der Tod die Hand gelegt
Auf seine Beute ohn‘ Erbarmen;
Doch ob er Eis zum Herzen trägt,
Noch schmilzt im Blutstrom es, dem warmen.
O Jugend, Jugend, wie so fest
Hast du verstrickt das Leben dir,
Wie sich das Schlinggewächse preßt
Mit Wurzeln dort und Fasern hier
Als vielen tausend Armen.
O Anblick, stärker als ein Weib,
Das Wachen, Angst und Kummer nagen!
Betäubt und schwer, gleich totem Leib,
Hat man die Fürstin fortgetragen.
Noch weilt der Vater; wenn ein Sklav‘
Des Bornes frische Labung reicht,
Mit zitternd kalter Hand den Schlaf
Des Kindes netzt er sacht gebeugt
Und flüstert leise Fragen.
Wer regt sich an des Fürsten Ohr?
Menipp, der Jüngling aus Euböa.
»Herr«, keucht er, »hebt den Blick empor!
Herr, der Prophete aus Judäa,
Von dem das ganze Land erfüllt,
Er kömmt, er naht Capharnaum,
Und wie aus hundert Adern quillt
Entgegen ihm und nach und um
Ein Glutstrom Galiläa.«
»Sind denn die alten Götter tot,
So müssen wir die neuen wahren.
Es sei, es sei, und meine Not
Mag sich dem Volke offenbaren!«
Die Rosse stampfen. Einmal schaut
Der Vater auf sein sterbend Kind,
Und nun voran! – »Was rauscht so laut?
Was streicht am Berge wie ein Wind?«
»Herr, des Propheten Scharen!«
O, wie die Angst den Stolz zerbricht!
Demütig, zitternd, als zur Frohne,
Er weiß es nicht, zu wem er spricht,
Doch wie der Sklave vor dem Throne,
Gebrochen steht der reiche Mann.
Die bleiche Lippe zuckt vor Schmerz,
Und heißer, als das Wort es kann,
Viel heißer fleht das bange Herz:
»Hilf, Rabbi, meinem Sohne!«
Ein Murmeln durch die Masse geht,
Erwartend sich die Wangen färben.
»Wenn ihr nicht Wunderzeichen seht,
Dann muß der Zweifel euch verderben!«
So spricht der Heiland abgewandt.
Unwillig rauscht es in dem Kreis;
Doch angstvoll hebt sich eine Hand,
Und wie ein Seufzer quillt es leis:
»Rabbi, mein Sohn will sterben!«
Du hast geglaubt, und wärst du arm
Wie Irus, was dich immer quäle,
Du wahrhaft Reicher, liebewarm
Hast einen Schatz, den Keiner zähle!
O der in dir, als Alles brach,
Es machen konnte froh und still,
Hat er gehört mich, als ich sprach:
Herr, meine Seele sterben will;
O Herr, hilf meiner Seele!
Ein Sketchlet zum Ersten Advent für fünf Schafe
und zwei Lämmchen
Irgendwo am Stadtrand von Berlin. Der uns wohlbekannte Pritschenwagen tuckert im Sonntagsfahrertempo die B 1 entlang Richtung Osten und biegt soeben auf die Landstraße nach Wundersdorf ein. Nanu? Was gibt es denn am ersten Advent zu transportieren? Schauen wir mal auf die Ladefläche. Oh! Sie ist wegen der Kälte mit einer Plane überspannt. Darunter hört man aber den eifrigen Disput uns wohlbekannter Stimmen: Die Schafe! Na endlich! Das wurde aber auch Zeit, daß sie mal wieder von sich hören lassen. Sie sind also unterwegs. Ok. Wo mögen sie sich herumgetrieben haben? Moment … irgendwie scheinen sie … kann das sein? Sie kommen aus einem lateinischen Hochamt?
Huf: Wie der Priester sich immer herumgedreht hat bei der Feier Eucharistie. Immer von Gott zu den Menschen und wieder zurück. Wie ein Vermittler zwischen den Welten.
Kohle: Das hast du gut beobachtet, Huf!
Fixi: Die eine Sache hast du aber falsch mitgebetet, Tante Flocke!
Flocke: Ich? Kann nicht sein! Ich hab doch alles abgelesen – wie alle andern Neulinge auch!
Fixi: Aber alle anderen haben es anders gesagt!
Huf: Genau. Du warst die einzige.
Flocke: Und wann soll das bitte schön gewesen sein?
Fixi: Das direkt vor der Kommunion.
Huf: Wenn man normalerweise betet „Herr ich bin nicht würdig…“
Blütenweiß: Was heißt hier: Normalerweise? Im novus ordo halt.
Wolle: Ich hab’s auch gehört: „Domine, non sum digna“, hast du gesagt. Dreimal.
Fixi: Statt dignus!
Kohle: Na, das dreimal ist ja nicht ihre Schuld – das ist im vetus ordo einfach so! Aber stimmt: warum „digna“?
Flocke (nicht ohne Stolz): Natürlich habe ich „digna“ gebetet. Ich bin doch weiblich! (zu Fixi und Huf) Habt ihr nicht aufgepaßt in Latein? Die Adjektive werden doch an das genus angepaßt! Dignus – digna – dignum.
Kohle: Ja … aber … Moment! Das ist doch ein Zitat aus der Bibel, vom Hauptmann von Kafarnaum …
Grauchen: … wo der Knecht krank ist …
Blütenweiß: … oder der Sohn …
Kohle: …und wo der Hauptmann dann sagt: „Herr, ich bin nicht würdig, daß du eingehst unter mein Dach“…
Flocke (angriffslustig): Ja? Und dann? Dann geht es weiter: „Aber sprich nur ein Wort, so wird mein Diener gesund“.
Wolle: Flocke hat Recht! In der Messe beten wir was anderes. Das ist kein reines Bibelzitat!
Flocke: Das ist auf die einzelnen Gläubigen zugeschnitten: „sprich nur ein Wort, so wird meineSeele gesund“! Also – das kann ich nicht beten, als wäre ich ein Schafbock wie du, Kohle!
Kohle: Hm … Vielleicht hast du Recht …
Huf (zu Fixi): Dann mußt du das auch anders lernen!
Fixi: „Domine, non sum digna, ut intres sub tectum meum.
Alle Schafe (fallen ein): Sed tantum dic verbo, et sanabitur anima mea“!
Grauchen: Das ist schön!
Blütenweiß: Mir hat das auch alles gleich gut gefallen.
Kohle: Eine Liturgiesprache hebt alles eben automatisch aus dem Alltag heraus!
Die Schafe: So ist es!
ENDE
Cornelie Becker-Lamers
Diese Schafe! Da machen sie sich auf den Weg und organisieren sich auf eigene Faust einen Meßbesuch im vetus ordo. Tja – wenn diese Messen nicht zu den Schäfchen kommen, müssen die Schäfchen eben irgendwie zu dieser Messe kommen. Von Wundersdorf aus … mal überlegen. Ach ja! In St. Afra werden sie gewesen sein, im Institut Philip Neri, der Gesellschaft päpstlichen Rechts, die Benedikt XVI. ausgestattet und gefördert hat. Na – da bin ich ja mal gespannt, was ihnen sonst noch dazu einfällt … außer Flockes gegendertes, aber eben darum völlig korrektes Domine, non sum digna …
Wir werden sehen! Und das mit dem Hauptmann aus Kafarnaum … dazu geht’s gleich morgen bei Annette von Droste-Hülshoff weiter – wenn auch mit der Parallelstelle bei Joh 4.