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Diaphthora

Oder vielmehr: Besser nicht!

Österliche Fragen zur Übersetzung der Heiligen Schrift 1/3 

Seit einigen Jahren habe ich es mir angewöhnt, über die Kar- und Ostertage die Jesus-Bücher von J. Ratzinger/Papst Benedikt wieder zu lesen, Hermeneutischer Zirkel und so, Sie wissen schon… 😉 Und es bleibt denn auch nie aus, daß ich in diesem wunderbaren Werk voll ebenso großem Glaubens- wie wissenschaftlichem Ernst, auf etwas “Neues” stoße, das zu weiterer Betrachtung anregt.

Geistliche Lektüre bei österlichem Wetter (eigenes Bild)

So las ich in diesem Jahr im zweiten Teil (“Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung”, Freiburg 2011) u.a. den Abschnitt: “Die Frage des leeren Grabes” (S. 278 – 282).
J. Ratzinger referiert hier zunächst kurz den Versuch der modernen Theologie, sich um die Frage herumzudrücken, ob denn das Grab wirklich leer gewesen sei, der tatsächlich allzu oft nur den Unglauben daran mühsam verdecke, um dann auch unter Bezugnahme auf andere (incl. protestantische) Wissenschaftler die Unmöglichkeit derartiger “Erfindungen” von Auferstehung, “für die das Schicksal des Leichnams unerheblich ist” deutlich zu machen. Das leere Grab als solches sei freilich kein Beweis der Auferstehung aber notwendige Bedingung für den entstehenden Auferstehungsglauben.

In diesem Zusammenhang kommt er dann auf die Pfingstpredigt des Hl. Petrus zu sprechen (Apg 2, 14 – 36, hier 26 ff), in der in Bezug auf diese Frage Petrus den Psalm 16 (gerade aktuelle Zählung) in den Versen 8 – 11 zitiert. Besonders geht es um den Psalmvers 10:

denn du gibst meine Seele nicht der Unterwelt preis,/ noch lässt du deinen Frommen die Verwesung schauen.

Hier, so Ratzinger weiter, habe Petrus den “Psalmtext nach der Fassung der griechischen Bibel” “zitiert”, der sich “vom hebräischen Text” unterscheide, in dem der Vers 10 heißt:

Du gibst mich nicht der Unterwelt preis; du lässt deinen Frommen das Grab nicht schauen.

Der Unterschied, namentlich in diesem Kontext, ist natürlich erheblich: Einmal, in der “hebräischen Variante” bleiben wir einfach diesseits des Grabes, im (irdischen) Leben, während im zweiten Fall wirklich gestorben und begraben wird – wie im Falle Jesu! (vgl. 1 Kor 3f, v.a. 4a) aber eben Verwesung nicht stattfindet – sondern leibliche Auferstehung.
Papst Benedikt betont dann weiterhin den besonderen Rang dieser Verkündigung, ‘ganz am Anfang’ und wie “Die Verwesung nicht schauen” im damaligen Kontext notwendig “geradezu die Definition von Auferstehung” war und folgert weiter: “In diesem Sinn ist das leere Grab als Teil der Auferstehungsverkündigung ein streng schriftgemäßes Faktum”.

Nun ist mir Psalm 15 (traditionelle und richtige Zählung) gut vertraut, lese/bete ich ihn doch seit Jahren jeden Dienstag, denn er ist Teil der Komplet, des Nachtgebets in der außerordentlichen Form. (Tatsächlich freue ich mich immer schon auf die drei “Dienstagspsalmen”! 🙂 ) Da heißt es dann, natürlich in der Fassung der Vulgata (Ps 15,10):

quoniam non derelinques animam meam in inferno, non dabis sanctum tuum videre corruptionem. 

Und ich weiß gar nicht so recht warum, jedenfalls habe ich dann begonnen, mal zu schauen, wie diese zentrale Stelle denn in einigen mir unmittelbar zugänglichen Büchern übersetzt ist. Der erste Teil der von mir so geliebten Spaemann-Meditationen über die Psalmen (Sie erinnern sich?)  hat bekanntlich im Grundsatz die im wahrsten Wortsinne ‘gute alte’ Allioli-Übersetzung:

denn du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen, und deinen Heiligen nicht zu sehen geben die Verwesung.

Allioli-Bibel, Psalmenbuch (eigenes Bild)

Was lesen wir in der erst 2016 überarbeiteten ‘Einheitsübersetzung’ (Ps 16,10)?

Du überlässt mein Leben nicht der Totenwelt; * du lässt deinen Frommen die Grube nicht schauen

samt Verweis auf Apg 2,31 und 13,35.

Den Verweis gab es auch schon in der alten EÜ (hier der Text von 1980) aber der Psalmvers lautet doch anders:

Denn du gibst mich nicht der Unterwelt preis; / du lässt deinen Frommen das Grab nicht schauen.

Da hat also zwischen 1980 und 2016 in Bezug auf den Psalmtext Veränderung stattgefunden.

Hingegen ist keine Veränderung festzustellen in Bezug auf die Verwendung des entscheidenden Wortes in der zitathaften Wiedergabe des Psalmverses in der Apostelgeschichte und zwar weder im Text von 1980, noch in dem von 2016. Vielmehr verwenden beide Fassungen der EÜ in Apg 2, 27 das Wort „Verwesung“ (hier die Fassung von 1980).

So ist zunächst der Befund eindeutig: Seit vielen Jahrzehnten beinhaltet die für den “normalen” katholischen Bibelleser wichtigste Ausgabe der Hl. Schrift hier einen offenkundigen Widerspruch, einen Widerspruch zwischen Altem und Neuem Testament in einem Fall unmittelbarer Bezugnahme. Und es handelt sich dabei eben nicht um ein philologisches Detail, denn wir haben ja gesehen, wie wichtig die Stelle ist Erinnern wir uns: “Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer, leer auch euer Glaube.” (1 Kor 15, 14).

Und das einzige, wörtlich ‘winzige’, Signal, dafür, daß es hier ein Problem geben könnte, ist der Verweis zu Apg 2, 25-28, wo in der neuen EÜ nämlich steht: “Ps 16, 8-11 G” (Hervorhebung von mir). Dieses “G”, so lernt man auf der vorletzten Seite, S. 1551, noch hinter den Karten, im Abkürzungsverzeichnis, steht für: “griechische Übersetzung, sog. Septuaginta” (In den Verweisen zu Apg. 13, 35 fehlt übrigens selbst dieser Hinweis, von dem ich aber auch nicht weiß, ob wirklich jeder etwas damit anfangen kann und übrigens ist diese Uneinheitlichkeit schlechtes Lektorat, bzw. Schlamperei).

Dabei heißt es im Vorwort der Bischöfe zur neuen EÜ doch explizit: “Deshalb wird das Neue Testament im Lichte des Alten Testaments und das Alte Testament wird im Lichte des Neuen Testaments gelesen.” (a.a.O, S. 9, Hervorhebung von mir).

Das ist dann aber offenbar an einer wichtigen Stelle  gründlich schiefgegangen, oder?

Nun höre ich förmlich die Frage: “Und wenn es nicht anders geht, weil im hebräischen Urtext nun mal nicht ‘Verwesung’ steht?”

Das schauen wir uns morgen an!

Gereon Lamers

Ein Trackback/Pingback

  1. Pulchra ut Luna › Henne-Rösch on Samstag, 2. Mai 2020 um 13:35

    […] Gerade schreibe ich was zur Blogœzese (bzw. fange damit an), daß ich sie für durchaus lebendig halte, und daß ich Menschen aus diesem Kreis vermisse, da meldet sich ein besonders liebenswürdiges und, wenn ich das sagen darf, ‘urviechiges’ Exemplar aus unseren Reihen mit zwei Kommentaren zu der kleinen Reihe, die sich an einem konkreten Beispiel Fragen zur aktuellen Übersetzungspraxis der Einheitsübersetzung stellte (erster Beitrag hier).  […]

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