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Sketch des Monats: Der Kuchen-Computer

Ein Sketch für drei Erwachsene, etwa acht Kinder
und einen sprechenden Computer

Petershagen im Landkreis Märkisch-Oderland. Das neue Bildungs- und Gemeindehaus ist liebevoll mit Girlanden geschmückt. Drinnen hört man die ersten Sektkorken knallen. Eine Reihe goldfarbiger Luftballons, die unter der Decke kleben, bildet die Worte „Happy Birthday“. Ah! Ich weiß: Man feiert 25 Jahre Wiedergründung der Großpfarrei Petershagen-Rüdersdorf-Wundersdorf. Aus diesem Anlaß hat man hier ein neues Bildungshaus hingesetzt, dessen Eingangsbereich durch ein computergesteuertes Drehkreuz geschützt ist. Donnerwetter! An alles gedacht – oder doch nicht? Gerade hat sich hier eine kleine Warteschlange am Einlaß gebildet. Mal hören, was da so lange dauert. – Natürlich! Edith mit ein paar Kindern … Man hätte es sich ja denken können!

Der Computer (neutral): Name?

Edith: Langenfeld.

Der Computer: Vorname?

Edith: Edith.

Der Computer: Kuchen?

Edith: Keinen.

Der Computer (informiert): Sie haben keinen Kuchen angemeldet.

Edith (geduldig): Ich habe ja auch keinen mit.

Der Computer: Geschlecht?

Edith: Wie bitte?

Der Computer (sanft): Ich habe Sie nicht verstanden.

Edith: Weiblich.

Der Computer (das Display verfinstert sich): Wenn Sie weiblich sind, werden Sie doch einen Kuchen mithaben?!

Edith (freundlich): Ich habe ein paar Kinder mit. Wir machen Musik.

Der Computer (auf dem Display erscheint das Wort „Musik“ und es ertönt „Ja so woarn’s, die oalten Rittersleit‘“ mit Gitarrenbegleitung)

Edith (langsam genervt): So ein Käse! (Im Display erscheint das Wort „Käsekuchen“)

Der Computer (im Säuselton): Haben Sie auch daran gedacht, Ihre Ware ganz durchzubacken?

Edith (ärgerlich): Ich sage doch, ich habe keinen Kuchen mit. Ich komme mit dem Kinderchor.

Teresa (zu den anderen): Sind wir durchgebacken?

Annemarie (platzt heraus): Wir sind doch keine Backfische! (Die Mädchen prusten los.)

Der Computer: Ich habe Sie nicht verstanden.

Edith (ärgerlich): Kin-der-chor!

Der Computer: Dieses Wort kenne ich nicht.

Freddy: Hee! Warum springen wir nicht einfach drüber?

Der Computer: Ich habe Sie nicht verstanden.

Hedwig (hinter Edith, ein Backblech auf dem Arm, dringlich): Edith! Mein Kuchenblech ist ziemlich schwer. Könntest du dich bitte ein bißchen beeilen?

Edith: Ach! Entschuldige! Klar! Geh du mal vor, dann sehen wir, wie das hier überhaupt funktioniert. (Sie wechseln die Plätze.)

Der Computer: Name?

Hedwig: Falkner.

Der Computer: Vorname?

Hedwig: Hedwig. (Auf dem Display erscheint das Wort „Kirschstreusel“.)

Der Computer: Kuchen?

Hedwig: Donauwellen.

Der Computer (sanft): Sie hatten Kirschstreusel angemeldet.

Hedwig (errötet): Puh! Oh! Ja – aber dann habe ich gesehen, daß die Kirschen nicht mehr für ein ganzes Blech reichen. Und weil dieses Wochenende alles ein bißchen hektisch war …

Der Computer (sanft): Ich habe Sie nicht verstanden.

Hedwig (fest): Donauwellen. (Auf dem Display wird das Wort „Kirschstreusel“ durch das Wort „Donauwellen“ ersetzt.)

Der Computer (säuselnd): Haben Sie auch daran gedacht, Ihre Ware ganz durchzubacken?

Hedwig: Ja. (Das Display färbt sich rosa.)

Der Computer: Haben Sie auch daran gedacht, einen Tortenheber mitzubringen?

Hedwig (stolz): Ja. (Das Display beginnt zu glitzern.)

Der Computer: Haben Sie auch daran gedacht, Ihren Kuchen in einem verschlossenen Behältnis zu verwahren und dieses mit Ihrem Namen zu beschriften?

Hedwig (erschrocken): Oh, Mist – nein! Ich hab‘ ein Kuchenblech mit.

Der Computer (milde): Ich habe Sie nicht verstanden.

Edith (flüstert): Sag um Himmels Willen „ja“, sonst fängt er wieder von vorne an!

Hedwig (flüstert zurück): Du hast Recht! (Zum Computer, laut) Ja! (Auf dem Display beginnt es kleine Sternchen zu regnen.)

Der Computer: Haben Sie auch daran gedacht, Ihren Kuchen bereits zu Hause in Stücke zu schneiden?

Hedwig (blickt Edith entsetzt an): Natürlich nicht! So ein Blödsinn! Vor der Fahrt im Auto! Da verliert er doch die Form! Was mache ich denn jetzt?

Der Computer: Ich habe Sie nicht verstanden.

Edith: Komm, wir schneiden es schnell mit dem Tortenheber! Das ist doch Rührteig?

Hedwig (leise): Ja, du hast Recht, das geht! (Die Kinder fassen zu viert, jedes an einer Seite, das Blech unter und Hedwig zieht mit fliegenden Händen einige Bahnen durch ihre Donauwellen. Zugleich zum Computer, freudig): Ja-haa!!! (Dem Computer entströmt eine lieblich orchestrierte Version von „Backe, backe Kuchen“ in der dreigestrichenen Oktave.)

Der Computer: Wir bedanken uns! Sie dürfen passieren. Bitte bringen Sie Ihren Kuchen über den Hof in den Vorratskeller. Sie haben die Möglichkeit, den Kuchen nur abzugeben oder ihn, wenn Sie ihn brauchen, selber wieder abzuholen. Bitte geben Sie eine Bewertung dieses Computerprogramms ab. Einen schönen Tag noch!

Hedwig (tippt auf einen Daumen auf dem Display, genervt und erleichtert zugleich): Na prima! Danke, gleichfalls! (Sie blinzelt den Kindern zum Abschied zu, sagt leise „danke“ und passiert das Drehkreuz.)

Lenni: Frau Langenfeld, ich muß zur Toilette!

Edith: Ok, Lenni, wir versuchen jetzt so schnell wie möglich ins Haus zu kommen! (zum Computer) Langenfeld, Edith. Kinderchor. Angemeldet.

Der Computer (mit schwarzem Display): Ich habe Sie nicht verstanden.

Edith will gerade Lenni über das Drehkreuz heben, als Tina aufgeregt aus dem Innern des Hauses zum Eingangsbereich gelaufen kommt.

Edith (erleichtert): Tina! Dich schickt der Himmel!

Tina (zerstreut): Hallo! (Sie macht sich am Computer zu schaffen und scheint eine Art Verlaufsprotokoll aufzurufen, für sich) Das gibt’s doch gar nicht!

Edith: Was ist los? Stimmt was nicht?

Tina: Und ob! Da marschiert Hedwig doch gerade freudestrahlend mit einem offenen Kuchenblech an mir vorbei zum Vorratskeller!

Edith: Hab ich gesehen. Wir stehen hier schon eine Weile.

Tina: Das geht so nicht! Die reißen uns den Kopf ab! Sie muß den Computer einfach angelogen haben!

Edith (verlegen): … Äh … Aber das … das kann ich mir bei Hedwig gar nicht vorstellen … das paßt doch gar nicht zu ihr … (zu den Kindern gewandt legt sie einen Finger auf die geschlossenen Lippen.)

Tina (verzweifelt): Ich habe gleich gesagt, wir brauchen an dem Ding auch eine Kamera! Die kann sowas prüfen, damit das nicht nochmal vorkommt!

Der Computer: Ich habe Sie nicht verstanden.

Edith: Hm! Könnte man eurem Computer nicht lieber beibringen, wie man einen Kinderchor von einer Torte unterscheidet?

Tina (verständnislos): Kinderchor? (ärgerlich) Was hat das denn jetzt mit dem Kinderchor zu tun? Wir können nicht mehr, wie arbeiten. Mit diesem Computer haben wir jetzt erstmal das Wichtigste abgesichert.

Edith: Ach so. Ok. Sag mal, könntest du uns ausnahmsweise reinlassen? Wir wollten uns noch umziehen …

Tina: Ja, kommt rein. (Sie entriegelt das Drehkreuz von innen.) Aber du weißt ja: Der Pfarrer hat gesagt, wenn ein Kinderchor eingeht, ist das kein Beinbruch! Also haltet mal den Ball flach!

Der Computer (zugleich): Wir bedanken uns! Sie dürfen passieren. Bitte bringen Sie Ihren Kuchen über den Hof in den Vorratskeller. Sie haben die Möglichkeit, den Kuchen nur abzugeben oder ihn, wenn Sie ihn brauchen, selber wieder abzuholen. Bitte geben Sie eine Bewertung dieses Computerprogramms ab. Einen schönen Tag noch!

Edith (zu Tina): Es ist eine Weile her, daß er das gesagt hat. Ich glaube nicht, daß er das heute noch so formulieren würde. (Sie tippt auf das Kommentarfeld des Bildschirms und schreibt mit gefetteten Großbuchstaben):

Erst wenn die letzte Frau

im Küchendienst untergepflügt ist

werdet ihr merken,

daß man sich eine Pfarrjugend

nicht backen kann!

 

ENDE

Cornelie Becker-Lamers

 

Tja – so geht’s zu in Wundersdorf! Bloß gut, daß im Bistum Erfurt alles noch schön mit Papier und Bleistift funktioniert! Das ist doch gleich viel menschlicher!

„Das ist wichtig zu wissen“; ausliegender Kuchenzettel zur Erfurter Bistumswallfahrt 2019 (eigenes Bild)

Was den bevorzugten Einsatz gut ausgebildeter und gebildeter Frauen im Küchen- und Putzdienst anbelangt, könnte es freilich sein, daß hier und da auch in unserem Bistum ein veraltetes Fra uenbild noch ein Problem für die lebendige Gemeindearbeit darstellt; besonders gefährlich in Pfarreien, in denen das Führungspersonal noch locker 20 – 25 Jahre wird durchhalten müssen…

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