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Arme Anne! Oder: Was die TLZ mit der Seelsorgeamtsleiterin macht

Arme Anne Rademacher! Da hat sich offenkundig die Leiterin „unseres“ Seelsorgeamts, Frau Dr. Anne Rademacher, der TLZ gegenüber zu dem allseits beliebten Thema: „Umfrage des Vatikan: ‚Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Rahmen der Evangelisierung‘“ (man beachte den genauen Titel!) geäußert; ein Interview kann man es aber nicht nennen.

Näherhin handelte es sich bei dem Anfragenden um den „Kirchenfachmann“ des in Weimar erscheinenden Blatts, den PuLa-Lesern ja wohlvertrauten stellvertretenden Chefredakteur Hartmut Kaczmarek (vgl. z.B. hier und hier).

Nach der Lektüre wundere ich mich nicht, daß es dieser Beitrag, wenn ich recht sehe, nicht in die Printausgabe geschafft hat. Denn wie hier verschiedenste Äußerungen, man kann es nicht anders sagen, zusammengerührt werden, das verdiente es im Grunde gar nicht, daß man darauf eingeht, wenn es nicht einerseits ein in seiner geradezu plakativen Plumpheit ein gutes Lehrstück wäre in der Kunst: „Wie erkenne ich, was die Zeitung wirklich sagt“ und wenn es nicht andererseits gälte, Frau Dr. Rademacher in Schutz zu nehmen vor möglichen (beabsichtigten?) Fehlinterpretationen hinsichtlich dessen, was sie tatsächlich gesagt hat!

Lesen Sie sich bitte zu Beginn den Beitrag hier durch.

Und beginnen wir dann zunächst mit der „Statistik“. In dem Artikel, der schon mit seiner Überschrift das Bistum Erfurt im allgemeinen und im näheren für das Bistum sprechend Frau Dr. Rademacher in Beschlag zu nehmen versucht, und zwar nicht zuletzt durch die (untergründig) stark wirkende Verwendung des Photos!, äußert sich die Seelsorgeamtsleiterin genau dreimal (wenn man die Wiederholungen durch Bildunterschrift und Überschrift beiseite läßt):

1. „Überall in Deutschland gehen die kirchliche Lehre und das Leben signifikant auseinander“

2. Ein großes Problem [sei] in Erfurt wie in allen anderen Bistümern auch die Position der wiederverheirateten Geschiedenen und die Haltung der Kirche dazu. Dabei werde die Frage des Ausschlusses von der Kommunion in der Kirche heftig diskutiert.

3. Anne Rademacher [sei] jedenfalls […] froh, daß dieses Stimmungsbild jetzt zusammengetragen worden wäre.

Das hat sie gesagt, „unsere“ Seelsorgeamtsleiterin und vielleicht noch den sich an Nr. 3 anschließenden Satz: ‚Vielen ist es wichtig, dass die Kirche sich mit dieser Kluft zwischen Lehre und Realität auseinandersetzt.‘, der aber nicht in wörtlicher Rede wiedergegeben ist (die einfachen Anführungszeichen hier beziehen sich lediglich auf die Tatsache, daß ich hier aus der TLZ zitiere!),der mit dem bezeichnend unklaren Übergangshalbsatz: ‚Eins ist in der Umfrage deutlich geworden:‘ angeschlossen wird, der nicht mehr eindeutig erkennen läßt, wer hier spricht.

Nun, das sind ziemlich harmlose Sätze, man könnte auch sagen, Frau Dr. Rademacher hat eigentlich gar nicht viel gesagt. Freilich, als traditionsorientierter Blogger hätte man sich vielleicht gewünscht, sie hätte mehr gesagt, aber vielleicht hat sie ja sogar, wer weiß? Vermutlich aber nicht und das war dann wohl auch nur klug, bei diesem Thema! Jedenfalls erfahren wir es nicht.

Darum herum wird nun ein ganzer Nebel von Äußerungen plaziert, die auch die Sätze von Anne Rademacher in einem bestimmten Licht erscheinen lassen (sollen?): Insgesamt 16 (oder 15, je nach Zählung) irgendwie wertende Sätze werden aus allen möglichen Ecken herbeigezogen (natürlich ohne präzise Quellenangaben). In Worten sechzehn! Und wer da alles vorkommt! Kardinal Lehmann, mehrere Bistümer, ohne daß immer klar wird wer sich da genau geäußert hat, „ein Dechant aus dem Bistum Erfurt“, „ein Pfarrer“ und, jetzt fällt es schwer ernst zu bleiben: „ein anderer Pfarrer“; na so was! Ein „anderer Pfarrer“ auch noch, na Potzblitz, da ist die Lage ja ernst! (2012 gab es ca. 14.600 deutsche und noch einmal fast 1.500 ausländische Priester in Deutschland, Quelle: DBK, hier).

Und auch die „üblichen Verdächtigen“ dürfen natürlich, prominent an letzter Stelle plaziert, nicht fehlen: die „WisiKis“ und das nichts und niemanden außer sich selbst repräsentierende Alt-Politiker-Versorgungsgremium namens ZdK (Gähn!). Du liebe Güte!

O ja und nicht zu vergessen der Familienbund deutscher Katholiken, dessen jungdynamische Präsidentin von einer „nicht zu stoppenden Dynamik“ spricht.

Wäre es nicht so traurig, man käme aus dem Lachen nicht mehr raus, wie sich hier Menschen den kleinen, kleinen deutschen Ausschnitt (weniger als 2%!) der weiten, weiten Kirche, ihre persönliche Nabelschau, großreden und nicht müde werden, zu wähnen, sie stünden an der Spitze irgendeiner „unaufhaltsamen Entwicklung“ namens Säkularisierung und, vor allem, der „notwendigen“ Anpassung daran.
Man muß freilich die Augen für die weltweite Entwicklung von Religion in den vergangenen Jahrzehnten und die wissenschaftliche Debatte darüber schon ganz, ganz fest zugemacht haben, um das immer noch meinen zu können…

Von der (wichtigeren) Frage des Fühlens mit der Kirche, dem ‚sentire cum ecclesia‘ mal ganz zu schweigen.

Wie es darum bei Hartmut Kaczmarek bestellt ist, scheint erneut auf in dem Satz: „Zwischen der offiziellen Meinung der Kirche und den Auffassungen der Gläubigen gibt es eine große Kluft.“ Aha, „Meinung der Kirche“ (Hervorhebung von mir), obendrein ‚bloß‘ die „offizielle“, und „Auffassungen der Gläubigen“; bemerken Sie die semantische Gleich-Ordnung?
Nur, so ist Kirche eben nicht! Sie ist vielmehr, wie es natürlich auch ausdrücklich das zweite Vaticanum lehrt, eine hierarchisch verfaßte Gemeinschaft. Da haben falsche „Auffassungen der Gläubigen“ einfach Pech, wenn sie meinen, sie wären in gleicher Weise wichtig; sind sie nicht. Und ggf. ist es Aufgabe der Gläubigen, die Kluft von sich aus zu schließen (Metanoia). So einfach ist das. Anne Rademacher hingegen sprach insoweit völlig korrekt von dem, worum es wirklich geht: Dem „Lehramt der Kirche“.

Ja, arme Anne Rademacher, so ging’s zu, daß sie semantisch „unter die Räuber geriet“, und das hat „unsere“ Seelsorgeamtsleiterin nicht verdient!

Und außerdem haben wir an diesem praktischen Beispiel einmal mehr gelernt, „was uns die Zeitung eigentlich sagen wollte“. Sie wollte nämlich nur am Rande vom Bistum Erfurt erzählen und eigentlich schon gar nichts von Dr. Rademacher, nein, sie wollte, wieder einmal, eine ganz bestimmte ideologisch verzerrte und vollständig verstaubte Perspektive des latent romfeindlichen deutschen Laienkatholizismus propagieren und ich frage mich immer wieder und wieder, warum sich eine Zeitung, die für ein vorwiegend ungetauftes Publikum schreibt, dafür eigentlich hergibt.

Hl. Anna, Patronin glücklicher Ehen, bitte für uns!

Hl. Anna, Fresko, Kloster Faras, 8. Jh (Bild: Wikipedia Commons, Nationalmuseum Warschau)

PS: Auf weitere inhaltliche Fragen einzugehen, wollte ich mir eigentlich versagen, das haben andere schon besser getan, als ich das überhaupt könnte (z.B. hier und hier), aber eine Ausnahme liegt mir schon lange auf der Seele: Da ist immer die Rede von der „Barmherzigkeit“ gegenüber den „Wiederverheirateten Geschiedenen“ und ich will das wahre Problem, das im Scheitern einer Ehe und den daraus folgenden Entwicklungen liegen kann, gewiß nicht verdrängen!

Aber wer kennte nicht aus eigener Anschauung ebenso die Fälle, in denen verlassene Ehepartner erleben müssen, wie ggf. schon informelle neue Verbindungen des Ehepartners „barmherzig angenommen werden“, bis hin zum Empfang der Hl. Kommunion durch pflichtvergessene Priester! Das spielt sich häufig im sozialen Nahraum, in der gleichen Gemeinde ab, denn ein Ausweichen ist eben nicht immer praktikabel, gerade hier bei uns in der Diaspora, wo es so viele Gemeinden selbst in Städten einfach nicht gibt.

Wer redet von diesem Leiden? Wer?! Mir scheint, das ist wieder einmal ein Fall der gnadenlosen öffentlichen Rede, die über ganze Kategorien von Opfern kaltherzig hinweggeht, ein weiterer Fall der „Privilegierung der Täter“, die wir de facto nur allzuoft erleben müssen, die aber im kirchlichen Raum ganz besonders anstößig und eigentlich kaum erträglich ist.

Ein Trackback/Pingback

  1. […] Erfurter Seelsorgeamtsleiterin vor den Zumutungen durch die örtliche Presse in Schutz genommen (hier). Und jetzt ist es an der Zeit, für unseren Diözesanadministrator, Weihbischof Dr. R. Hauke, eine […]

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