Zufälle gibt es … Da spricht der unschätzbare Kommentar in Dantes Göttlicher Komödie zu den Versen 34-39 des XVI. Gesanges im „Paradiso“ vom Jahresbeginn im mittelalterlichen Florenz, und er tut dies ausgerechnet auf Seite 365 des dritten Buches der kommentierten Neuübersetzung dieses Jahrtausendwerkes – also auf einer Seite, deren Zahl man unweigerlich mit dem Sonnenjahr in Verbindung bringt.
Definitiv kein Zufall ist, daß dieser Jahresbeginn am 25. März – Mariä Verkündigung – gefeiert wurde: „die Florentiner zählten im übrigen die Jahre vom Tag der Inkarnation an, dem 25. März, der hier [in den Versen von Dantes epischem Gedicht] als der Tag der Verkündigung nach Lk 1,28 umschrieben wird“, schreibt Hartmut Köhler.
Man stößt immer wieder auf die Relevanz dieses Datums über die „neun Monate vor Weihnachten“ hinaus. In seinem Marienbuch trägt Klaus Schreiner im Kapitel „An welchem Tag und zu welcher Stunde kam der Engel“ Beispiele zusammen für das „Bemühen, die großen Heilstaten Gottes an ein und demselben Tag [nämlich dem 25. März] stattfinden zu lassen“. Hans Förster belegt in seinem Weihnachtsbuch die Berechnung des Verkündigungsdatums aus den Schilderungen der Bibel. Wir haben das alles auf PuLa schon wiederholt zitiert (vgl. hier, hier und hier.
Und wir haben wiederholt beklagt – auf PuLa wie in Diskussionen nach Vortragsveranstaltungen zum Thema –, daß der katholische Festkalender diesem Datum wenig bis gar keinen Raum zum Feiern läßt.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen am 25. Dezember in die Kirche. Es ist eine gewöhnliche Vorabendmesse und die einzige Messe des Tages. Nicht der Ortsgeistliche zelebriert, sondern ein Pfarrvikar im Ruhestand. Gelesen werden die Perikopen des folgenden Sonntags und die Predigt beschäftigt sich mit Tod und Auferstehung. Vor dem Schlußsegen weist der Zelebrant in einem Nebensatz auf das Weihnachtsdatum hin, um die Wahl des Schlußliedes „Stille Nacht“ zu erläutern.
Kann man sich nicht vorstellen, schon klar. Heute ist es in Herz Jesu Weimar mit dem Fest Erster Klasse, dem Hochfest Verkündigung des Herrn, so geschehen. Nachdem im letzten Jahr, das haben wir auf PuLa festgehalten an einem Freitag vor- und nachmittags Messen zu Mariä Verkündigung stattfanden (und die Kreuzwegandachten auch wieder auf den Freitagen lagen), hat man offenbar dieses Jahr keine Lust, läßt das Hochfest ausfallen (und die Kreuzwegandachten an den Sonntagen begehen. Das hatten wir 2019 schon einmal – es funktioniert stimmungsmäßig überhaupt nicht, zumal die Koppelung an eine Abendmesse: 17 Uhr Kreuzwegandacht, 18 Uhr Messe. Ich hatte wirklich gehofft, diese Experimente seien durch).
Wenn man die weitestgehende Ignoranz evangelischer Christen dem Fest Mariä Verkündigung gegenüber hinzunimmt (obwohl Luther es noch als relevant apostrophiert hatte), muß man zu dem Schluß kommen: Die Inkarnation des Herrn – dessen Herabkunft auf die Erde und der Beschluß des Heilsplans – ist hierzulande das verkannteste Fest des Christentums. Die Feiern bleiben aus, es gibt keine Rituale für das Fest, keine Ideen für einen zeitgebundenen heimischen Wohnungsschmuck, kein passendes, wie auch immer fastenverträglich gestaltetes Festtagsgebäck (ohne Schokoguß 😉 ) und keine volkstümlichen Lieder außerhalb des „Gotteslobs“. Zu Weihnachten ist der Jesusknabe dann plötzlich da.
Nur die Bildkünstlerische Darstellung seiner Verkündigung hört bis heute nicht auf.
Cornelie Becker-Lamers
Zitatnachweise:
Dante Alighieri, La Commedia. Die Göttliche Komödie. III. Paradiso/ Paradies. Italienisch/ Deutsch. In Prosa übersetzt und kommentiert von Hartmut Köhler, Stuttgart: Reclam 2021, S. 365, Anm.
Klaus Schreiner, Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin, Köln: Anaconda 2006, S. 35.
Hans Förster, Weihnachten. Eine Spurensuche, Berlin: Kadmos.
PS: Daß somit eine Kreuzwegandacht am 19. März, also ausgerechnet am Sonntag Laetare, dem milde freudigen “Bergfest” der Fastenzeit stattfand, ist ein sprechendes Detail.
2 Kommentare
Erfreuliche Ausnahmen gibt es: Unweit, im Erfurter Dom wird das Hochfest seit einigen Jahren mit einem Pontifikalamt begangen. Auch in diesem Jahr wieder mit weihnachtlicher Predigt von Bischof Neymeyr und festlicher Musik mit dem „Kinder- und Jugendchor am Erfurter Dom“. U.a. „Ave Maria“ von Franz Biebl und „Suscepit Israel“ von Bach; Und selbstverständlich Credo III mit 4-stimmmigem Incarnatus-Einschubsatz, währenddessen – wie im Messbuch (nur noch) für 25. Dez. und 25. März vorgeschrieben – alle niederknien. Rite et recte.
Oh! Welch wertvoller Hinweis! Herzlichen Dank, JLD – das sollten wir sogar noch einmal aus den Kommentaren herausholen in einen nächsten Beitrag zum Datum.
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