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PuLa-Reloaded: Spekulatius

Dieses Reload (ja, die Reihe geht weiter!), ursprünglich veröffentlicht zu Neujahr 2012 (!) gehört zu unseren Lieblingstexten. Und auch, wenn es jahreszeitlich so gar nicht passend erscheinen will, nach dem gestrigen Beitrag müssen wir wohl nicht erklären, warum wir es mitten im Sommer bringen, oder? 😉 

 

DIE SPEKULATIUSPLÄTZCHEN

Ein Sketchlet zu Neujahr 2012 für vier Personen

(Wundersdorf, Haus der Familie Langenfeld. Küche. Edith, Emily und Teresa versuchen sich zum ersten Mal an echten Spekulatiuskeksen. Teresa ist gerade dabei, dem vorbereiteten Teig aus Butter und Gewürzen das Mehl hinzuzufügen.)

Edith (alarmiert): Nicht von so weit oben!

Emily: Darf ich jetzt den Speck schneiden?

Teresa: Das wollte ich machen!

Emily: Du hast doch schon das Mehl dazugetan!

Teresa: Na und? Dafür hast Du die Butter geschmolzen.

Emily: Du bist sowieso noch zu klein für das scharfe Messer!

Teresa: Das ist gemein! Immer willst du alles machen!

Emily: Wo ist überhaupt der Speck? Hol ihn doch erst mal aus dem Kühlschrank!

Teresa: Ich weiß ja gar nicht wo der ist!

Emily: Siehst du! Du kannst es gar nicht!

Teresa: Du bist so gemein! (Sie bereitet sich gerade aufs Losheulen vor, als Edith dazwischengeht.)

Edith (versucht die beiden zu übertönen): Hört auf euch zu streiten! Und wieso eigentlich Speck? Da kommt doch gar kein Speck rein!

(Emily und Teresa blicken ihre Mutter entgeistert an. Einen Moment lang ist es mucksmäuschenstill im Raum. Emily hat sich als erste wieder gefangen.)

Emily: Und warum, bitte schön, heißt das ganze dann SPECKulatius?

Edith (legt ihr Gesicht in ihre bemehlten Hände): JETZT versteh ich, was ihr meint! (Sie lacht.) Ihr seid süß! Und klug!

Emily: Warum lachst du dann?

Edith (hat jetzt bemehlte Wangenknochen): Weil es trotzdem nicht stimmt! Spekulatius kommt nicht von Speck und schreibt sich auch nur mit „k“, nicht mit „ck“ …

Emily (zu Teresa): „Speck“ schreibt man nämlich mit „ck“!

Teresa (gereizt): Weiß ich!

Edith: … sondern Spekulatius kommt von „speculator“, das ist lateinisch und heißt in etwa „der Späher“.

Emily: Hä?

Edith: Auf den Modeln hier (sie nimmt eine der Formen von der Arbeitsfläche und zeigt sie den Kindern) war ursprünglich der Bischof abgebildet, wie er zur Visitation – also zum Besuch – auf seinem Pferd in die Gemeinden reitet.

Teresa: Warum?

Edith: Naja, das Wort „Bischof“ hat auch mit Schauen und Spähen zu tun: Bischof kommt von Epi-scopus, und „scopein“ heißt auf griechisch „Schauen“.

Emily: „Scopein“ heißt „Schauen“?

Edith: Ja! Wie in „Tele-scop“, womit man weit schaut.

Emily (begeistert): … oder „Micro-scop“ …

Teresa: … oder „Horror-scop“! (Teresa ist fasziniert. Edith muß lachen.)

Emily: Also, „scopein“ heißt „schauen“. Und „epi“? Das heißt dann wohl „weg“?

Edith: Neinneinnein, das heißt in dem Fall natürlich „drauf“; der Epi-scopus ist eigentlich der Aufseher, der herumreitet in seinem Bistum und nach dem Rechten sieht.

Emily (überlegt einen Augenblick): Und warum kommt unser Bischof dann nicht mal nach Wundersdorf?

Teresa (besorgt): Vielleicht kann er nicht reiten?

Emily: Das wird es sein!

Teresa: Was machen wir denn da?

Emily: Er könnte doch auch fahren!

Teresa: Genau! Papa fährt doch auch jeden Tag in die Hauptstadt!

Emily: Da wohnt doch der Bischof auch, oder, Mama?

Edith (ein wenig ratlos): Jaja, ihr habt völlig Recht …

Teresa: Na also! Dann kann unser Bischof das doch auch!

Emily: Am besten, wir schicken ihm ein paar von unseren Spekulatius-Plätzchen!

Teresa: Jaaaa! Das machen wir! Wo ist der Speck?

Edith und Emily (betont): Es kommt kein Speck rein!!!

Teresa: Ach, stimmt ja! (Sie setzt ihr charmantestes Garfield-Grinsen auf.)

Edith: Neinnein, wir sind fertig mit den Zutaten.

Emily: Dann los! Ich will kneten!

Teresa: Das wollte ich doch!

Edith: Geht das schon wieder los?

Emily (begütigend zu Teresa): Ich halte die Schüssel und du knetest. (Edith atmet erleichtert auf und wirft Emily einen dankbaren Blick zu. Teresa fährt mit den Händen in den fettigen Teig und hat gerade die ersten Klumpen erzeugt, als Richard den Kopf zur Tür hereinsteckt.)

Richard: Hallo Kinder! Habt ihr schon gesehen? Es schneit!

Emily und Teresa: Es schneit!!!! (Beide rennen zum Fenster, wobei Teresa jede Menge Teig auf dem Fußboden verteilt.)

Edith (macht ihr „manchmal fühle ich mich so müde“-Gesicht): Hättest du mit dieser Nachricht nicht noch fünf Minuten warten können? Wir hatten es fast geschafft!

Richard: Entschuldigung! (Er kostet die ersten fertigen Teigklumpen.) Hm! Wird aber lecker!

Emily (vom Fenster aus): Die sind ja auch für unseren Bischof!

Richard: Für den Bischof? Und ich?! (Nimmt mit gespielter Angst die Schüssel in die Arme und dreht sie ein wenig weg.)

Teresa: Ja! Damit er daran denkt, daß er auch ein Aufseher ist!

Richard: Ah, so ist das! Man bekommt Plätzchen geschenkt, zur Ermunterung für seine Arbeit? Das muß ich mir merken! (Er legt Edith den Arm um die Schulter und gibt ihr einen Kuß.)

 

ENDE

Cornelie Becker-Lamers

 

 

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