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„no-one notices the customs slip away” (2/2)

Was hat Al Stewart mit Eugen Drewermann zu tun? 

Der Titel des Beitrags ist einem 45 Jahre alten Song von Al Stewart entnommen. Das Lied „On the border“, dessen Anspielungen sich eigentlich auf baskische Separatisten und Vorgänge in Simbabwe (damals noch „Rhodesien“) beziehen, beschreibt das Wegrutschen von Bräuchen und Traditionen. Man sieht die Veränderungen nicht von Tag zu Tag – aber irgendwann sind sie irreversibel. Leere Hüllen bleiben, obsolet und irgendwann vergessen.

Gerade in der katholischen Kirche müssen wir derzeit zusehen, wie Traditionen zur leeren Hülle erklärt und gewaltsam abgeschafft werden sollen: „Traditionis Custodes“ …
So konnte aber auch etwa Eugen Drewermann beim ökumenischen Kirchentag im Mai 2021 von der Sinnlosigkeit ererbter, erlernter Gebete sprechen (hier, ab min. 11.00) – eine Einschätzung, die ich aus eigener Erfahrung nicht teile.
Meiner Ansicht nach sind diese Gebete nicht sinnentleert, sondern wir können sie wieder mit Leben füllen – gemeinsam wie individuell. Da neue Abläufe und Positionen (nicht: tradierte Inhalte in neuen Formen – das gab es ja immer) nolens volens der Erinnerungstiefe entbehren, sind sie häufig inhaltsärmer. Vor diesem Hintergrund erscheinen mir persönlich gerade die alten Muster sinnreicher und lebensvoller.

Al Stewarts lyrische Analyse nahm mich ziemlich gefangen, als ich mir das in meiner Kindheit von meiner älteren Schwester häufig gehörte Lied vor einiger Zeit einmal auf YouTube aufrief. „The spirit of the century telling us that we’re all standing on the border.“ Nicht nur das Durch-die-Finger-Gleiten wertvoller kultureller Schätze, sondern auch das Zeitgefühl unserer Tage, in denen uns manche Zeitgenossen an der Schwelle zu Totalitarismus und Diktatur, andere an der Schwelle zur vollständigen digitalen Überwachung, alle aber irgendwie in einer Umbruchszeit sehen – auch dieses Zeitgefühl ist in diesem Songtext eingefangen. Und das empfinde nicht nur ich so. Auch ein sehr junger Freund unserer Familie, für den das Lied neu war, hat mir diese Einschätzung bestätigt. Ich möchte meinen Beitrag darum damit schließen. Den Text drucken wir aus Servicegründen hier ebenfalls ab.

Enjoy: 🙂

 

Cornelie Becker-Lamers

 

Al Stewart, On The Border (1976; aus dem Album Year Of The Cat)

The fishing boats go out across the evening water
Smuggling guns and arms across the Spanish border
The wind whips up the waves so loud
The ghost moon sails among the clouds
Turns the rifles into silver on the border

On my wall the colours of the maps are running
From Africa the winds they talk of changes coming
The torches flare up in the night
The hand that sets the farms alight
Has spread the word to those who’re waiting on the border


In the village where I grew up
Nothing seems the same
Still you never see the change from day to day
And no-one notices the customs slip away

Late last night the rain was knocking at my window
I moved across the darkened room and in the lampglow
I thought I saw down in the street
The spirit of the century
Telling us that we’re all standing on the border

In the islands where I grew up
Nothing seems the same
It’s just the patterns that remain
An empty shell
But there’s a strangeness in the air you feel too well

[Chorus]

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