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PuLa-reloaded: Je öller je döller?

Manche der alten PuLa-Texte, der heutige erfuhr seine Erstveröffentlichung Ende September 2012, sind, schaut man sie heute erneut an, doch zeitgebunden. Teils reagieren sie auf damalige Weimarer Vorkommnisse, die heute nur noch von pfarrei-historischem Interesse sind, teils auf Geschehnisse in Deutschland oder der Welt, deren Aktualität mittlerweile verblaßt ist.
Und ja, mancher Optimismus der damaligen Zeit macht heute eher seufzen… 

Auf der anderen Seite finden sich aber neben den ohnehin “haltbaren” Sketchen (“was aber bleibet, stiften die Dichter”! 😉 ) auch unter meinen damaligen Hervorbringungen Texte, deren Anlaß  zwar vergangen sein mag, die aber dem Grunde nach an Relevanz nicht eingebüßt haben, zumeist leider nicht an Relevanz eingebüßt haben!

So auch die folgenden Bemerkungen zur “‘katholischen’ Journalistenschule” und älteren, bzw alten Priestern und wie sie es einem schwer machen können:

Nolite conformari…, oder: Je öller je döller?

Nolite conformari huic saeculo! Röm 12, 2

(Paßt Euch nicht dieser Welt an)

Leider wird dieser Beitrag weniger lustig, als ein Teil der Überschrift vielleicht vermuten läßt, denn er beschäftigt sich, aus mehr oder weniger aktuellem Anlaß, mit einer der vielen emotionalen Zumutungen (nicht nur aber besonders) in der real existierenden Kirche in Deutschland Anfangs des 21. Jahrhunderts.

Bei diesem Anlaß handelt es sich um einen Vorgang, den vor kurzem Dr. Alexander Kissler in seiner Kolumne in „The European“ aufgedeckt hat.

Da gibt es in München eine katholische Journalistenschule, ifp, „Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses“ geheißen,  richtiggehend in Trägerschaft der Kirche und gegründet durch die Deutsche Bischofskonferenz 1968.Was folgt, bestätigt den spontanen Verdacht, daß aus diesem annus horribilis kaum etwas Gutes kommen kann (Menschen, die in diesem Jahr geboren wurden natürlich ausgenommen!).

Haben sich doch dort 15 angehende Journalisten und ihre Trainerin (Expertin für „crossmedialen Journalismus“) als „Mitwirkende“ an einem Projekt zusammengefunden, das sich ausgeschlachtet, das Fleisch-Dossier“ nennt.  Der ästhetische Gesamteindruck ist m.E. durchaus geeignet, sensiblen Naturen auf den Magen zu schlagen und die Themenpalette ist, nun ja, breit angelegt: Vom Wurstquiz über den Bauchtanz bis zur vielversprechenden Überschrift: „Menschenfleisch als Dünger“ ist alles im Angebot und das „Rituelle Aufhängen“ ist wirklich vom Allerfeinsten! (Dabei, es sei ausdrücklich betont, gibt es aber auch wirklich solide gemachte und interessante Beiträge, z.B. hier, um die es schade ist, daß sie in diesem Umfeld erscheinen mußten)

Zweifelsohne der Tiefpunkt des Projekts war allerdings, was für Kissler der Ausgangspunkt seiner Anfrage an das kirchensteuerfinanzierte Unternehmen wurde, eine Reportage dreier junger Leute über einen Münchener Swingerclub. Dieses mittlerweile von der Site entfernte Machwerk („Der Artikel wurde zur redaktionellen Überarbeitung vorübergehend offline geschaltet. Wir bitten um Verständnis“)  halte ich nun wohlgemerkt nicht deshalb für anstößig, weil ich meinte, katholische (oder einfach nur christliche) Nachwuchsjournalisten dürften sich nicht mit Swingerclubs beschäftigen, doch, „dürfen“ sie, aber die schiere Beliebigkeit, in der diese Behandlung passiert ist, die scheinbar oder anscheinend vollständige Distanzlosigkeit zu dem, was ihnen dort begegnet ist, das Fehlen aber auch jedweder Fragestellung, die jenseits der bloßen Beschreibung zu einer wie auch immer gearteten Erhellung des Phänomens hätte beitragen können, das alles ist schon abenteuerlich und rechtfertigt Kisslers Fazit vollauf: „[…] scheint hier Kirche als Weltverdoppelungsverein in ihre letzte Phase eingetreten.“

Und so frage nicht nur ich mich, was sich eigentlich die Eltern der jungen Leute so denken werden über die Gesellschaft, in die ihre Kinder da geraten sind, vor allem aber, was sich unter solchen Bedingungen lernen läßt, was andernorts nicht auch, und dann wohl sogar „besser“, soll heißen „rücksichtsloser“, bzw. „vorurteilsfreier“ und was dergleichen Vokabeln der Beliebigkeit mehr sind, lernen ließe.

Nun mögen Sie sich fragen, warum erzählt er uns das alles noch einmal? PuLas Beitrag zur aktuell erneut aufgeflammten Kirchensteuerdiskussion ? Nein, der kommt noch, obwohl man sich in diese Richtung gerne seine Gedanken machen darf.

Und es sind auch nicht die Reaktionen bzw. Nicht-Reaktionen auf den Vorgang, aber die sollen immerhin kurz gestreift werden. Auf der Seite des ifp: „Nichts“ (wenn man von dem dürren Satz, den ich oben zitiert habe absieht). Immerhin gab es seitens des Leiters des ifp (ein Priester…) eine persönliche Stellungnahme an Dr. Kissler, immerhin! Von Seiten der DBK? Das übliche dröhnende Schweigen und ob es Thema im Rahmen der Herbstvollversammlung wird, werden wir im Zweifelsfall nicht erfahren.

Und warum auch mögen sich manche dortigen „Strategen“ fragen, denn auch die medialen Reaktionen waren erstens ausgesprochen flau und paßten zweitens jedem ins Konzept, der Menschen wie Kissler für bloße Störenfriede auf dem Weg der deutsch-national-kirchlichen Selbstverwirklichung unter weitestgehendem Ausschluß der (kirchensteuerzahlenden) Öffentlichkeit hält.

Immerhin bat in „Christ und Welt“ die Redaktionsleiterin, Dr. Christiane Florin Kissler zum Interview über das Thema. Doch die Gesamtseite stand dann unter der Überschrift: „Wieviel Moral braucht der Sex?“ (hier, dazu gehörten im Print die Texte unten von Kissler und „Spirituell brisant“) und darum ging es eben diesmal gerade nicht. Sondern um Beliebigkeit oder Profil. Frau Florin hält aber lieber Dr. Kissler „ethisch fragwürdiges Verhalten“ vor, weil er drei junge Journalisten “vorführe“. Ok, das kennen wir ja auch aus Weimar zur Genüge: „Shoot the Messenger“  lautet das Motto, wenn einer unbequeme Wahrheiten ausspricht und diese Verhaltensweise ist immerhin wirklich richtig alt…

„Alter“ ist übrigens das Stichwort für das, worauf ich eigentlich hinauswill.

Aber zunächst, was tut der Netz-affine Mensch, wenn er einem solchen Geschehen begegnet? Er durchsucht die Homepage der Institution, um die es geht. Da stößt man dann z.B. auf den Aufsichtsrat des ifp  (auch mit hochkarätigen Journalisten aus Thüringen…) vor allem aber auf die Seite: „Unser Selbstverständnis“ .

Nach der Lektüre dieser Seite habe ich mich über nichts mehr gewundert. Leider. Sie besteht aus einer Ansprache von P. Dr. Wolfgang Seibel SJ, dem ersten Direktor des ifp. Überschrift: „Über den kirchlichen Charakter des ifp“:

„Es (sc. das ifp) soll also ein Stück lebendige Kirche erfahren lassen. Glaube wird ja nicht durch Belehrung und Wissensvermittlung geweckt. (sic!)

Glaube kann nur wachsen in einem Raum der Mitmenschlichkeit, der Freiheit, der Offenheit, des Vertrauens […]. Dem Glauben als einer in freier Entscheidung übernommenen Lebensform widerspricht ja jeder Versuch der Indoktrinierung, jede Art von Druck, Disziplinierung oder gar von Zwang.

Zum kirchlichen Charakter des Instituts gehört es auch, daß es keine bestimmte innerkirchliche Richtung vertritt oder favorisiert, sondern offen ist für die Vielfalt christlicher Glaubens- und Lebensstile. Alle, die in der großen Kirche Platz haben, sollen auch im Institut Platz haben – vorausgesetzt allerdings, daß sie dialogfähig sind, das heißt, daß sie ihre eigene Meinung nicht absolut setzen und nicht als die christlich und kirchlich allein mögliche hinstellen.“

Und weiter:

„Als Journalisten haben Christen keine andere Aufgabe und keine anderen Normen als die Kolleginnen und Kollegen, die von einer anderen Welt- und Lebensanschauung herkommen. Auch die ethischen Normen sind für alle gleich, weil sie ja in der unveräußerlichen Würde des Menschen und seinen Grundrechten wurzeln.“

Mit anderen Worten: Beliebigkeit und Lehramtsferne als Programm von Anfang an. Die Anpassung an die Welt wird offensiv verteidigt, und man zitiert dabei auch noch den Hl. Apostel Paulus. 🙁

Ok, der Tenor dieser Ausführungen ist uns ja allen seit mindestens 50 Jahren wohlvertraut, aber es scheint mir doch, als sei es nachgerade eine Karikatur jesuitischer Rhetorik („Die Kuh hat drei Beine! (Mindestens.)“), die explizite Absage an jede kirchliche Bindung, die diesen Namen verdient, als „kirchlichen Charakter“ zu deklarieren.

Und so fragen wir weiter: Wer ist Wolfgang Seibel SJ? Insider werden nun schmunzeln, denn ihnen ist natürlich bekannt, daß es sich um den langjährigen Leiter der Zeitschrift „Stimmen der Zeit“ handelt. Über deren Profil muß hier vermutlich kein Wort verloren werden, aber wer möchte kann hier das aktuelle Editorial aus der Feder des Nachfolgers von W. Seibel lesen: A.R. Batlogg SJ, „Ist das Konzil schuld?“. Man stößt dabei auf einen wenig subtil bemäntelten „Konzil, Konzil über alles“ Text (incl. dem Gespenst „Geist des Konzils“, dessen Erbe auf dem Spiel stehe…), mir scheint, die jesuitische Kunst der dialektisch verschlungenen Agitation war schon mal auf höherem Niveau. 😉

Und Pater Seibel (nach dem mittlerweile der Preis für Nachwuchsjournalisten des ifp benannt wurde) ist eben auch ein glasklarer Vertreter der romfernen Theologie der „Hermeneutik des Bruchs“, handlich nachzulesen z.B. hier in einem langen Interview mit br alpha aus dem Jahr 1999.

Kostproben gefällig?

„[…] denn die ganze Situation in der Kirche war eine Situation des Unterdrücktseins. Man hatte den Eindruck, dass alles unter dem Deckel gehalten würde. […] Schon damit hatte man den Eindruck, dass jetzt eine Epoche der Kirchengeschichte abgeschlossen ist.“

oder:

„Das Schlimme ist dabei, dass Rom wieder bestimmt, was Lehrfragen sind. Wenn ich Dokumente der Deutschen Bischofskonferenz anschaue, z. B. die berühmte Königsteiner Erklärung, die 1968 nach der Enzyklica Humanae Vitae zum Thema Empfängnisverhütung erschien: Sie wäre unter diesen Voraussetzungen nicht mehr möglich.“ (Hervorhebungen von mir)

Ich glaube, mehr ist zur Charakterisierung der Richtung nicht erforderlich, oder? Der traditionelle Katholik weiß, welcher theologischen Richtung der Mensch, mit dem er es zu tun hat, anhängt und wendet sich mit Grausen.

Nun ist aber Pater Seibel auch ein „älterer“ Herr (Jg. 1928). Sohn eines Zentrums-Abgeordneten. Und er ist Priester.

Und was möchte der traditionelle Katholik, wenn er es mit einem über 80-jährigen Geweihten zu tun hat? Er möchte mit Hochachtung, ja Liebe und Verehrung zu ihm aufschauen.

Geht aber nicht.

Das gleiche Phänomen haben wir im Urlaub erlebt: Ein ähnlich alter und schon gebrechlicher Priester (auch ein Jesuit, aus Amerika, der seit Jahrzehnten seine Urlaube in Österreich verbringt, Name bekannt, tut aber ja hier nichts zur Sache) wird, zu Mariä Himmelfahrt, an den Ambo geführt und dann folgt eine Predigt, die, ich kann es nicht sanfter sagen, vom gewöhnlichsten allgemeinen Heilsoptimismus durchdrungen war.

Essig war’s mit der Bereitschaft zur Verehrung.

Das ist das, was man eine „Frustration“ im strengen Sinne des Wortes nennt, eine enttäuschte Gefühlserwartung. Und wer immer sich regelmäßig aufregt und sich fragt, warum denn Traditionalisten gelegentlich so aggressiv unterwegs sind, findet hier einen Grund. Ja, ich empfinde es tatsächlich als persönliche Zumutung, sogar Kränkung, immer wieder das Alter nicht ehren zu können. Und ich bekenne mich dazu, daß mich das wütend macht. Ich möchte nicht über 80-jährige Priester kritisieren müssen, das schmerzt mich!

Freilich, es gibt keine Wahl. Ich würde ja auch nichts von liturgischen Einzelheiten wissen wollen, wenn man sich denn darauf verlassen könnte, daß immer alles in Ordnung ist. Wir wissen aber, das ist nicht der Fall. Ebensowenig wie eben Predigten und Texte über 80-jähriger Ordensleute in Ordnung sein müssen.

Die schmerzliche Verwirrung, die hier um sich gegriffen hat, ist eines der üblen Zeichen der Zeit, dieser ver-rückten Zeit nach der Moderne, die sich ihrerseits ja schon so viel darauf zugute getan hat, gerade hinsichtlich der natürlichen Empfindungen keinen Stein auf dem anderen lassen zu wollen.

Sie mögen einwenden, die Betrachtung sei sehr einseitig. Das stimmt.

Daher plädiere ich auch dafür, die umgekehrte Blickrichtung zumindest zu versuchen. Ich kann mich den Seibels dieser Welt (es gibt ihrer ja gar viele!) durchaus empathisch nähern. Ja, ich kann mir vorstellen, daß es ein sehr unschönes Gefühl ist, wenn man in der Jugend sozusagen „auch seine Revolution“ („Das Konzil“) hatte (alle anderen redeten ja auch von so was!) und die war edler und schöner als die der anderen (und das war sie ja nun auch wirklich) und nun reden auf einmal jüngere, viel jüngere, Menschen (fast) wie die Gegner von damals und das, was der „Geist“ der Veranstaltung gebracht hatte (und noch bringen sollte), das wird nun langsam wieder abgebaut. Die ganze Stimmung hat sich gedreht, auf die hoffnungsvollen „jungen“ Kirchen in der sog. Dritten Welt ist auch kein Verlaß mehr (sondern sie entdecken den Wert der Mundkommunion) usw. usf.….

Ganz ehrlich, ich kann mich hineinfühlen in einem Menschen, den das Gefühl beschleicht, die Grundkoordinaten seines intellektuellen Lebens, vor allem das Dogma der einlinigen Entwicklung, des „Fortschritts“, wie sie es nannten, stimmen nicht mehr. Solche Menschen verdienen unser Mitgefühl.

Nur sollte das Bemühen eben kein einseitiges sein. Wolfgang Seibel macht in dem Interview vor, wie es nicht geht, wenn er (1999!) unsereinen zur „untergehenden Art“ erklärt und Katholiken, die ihr weltkirchlich verbrieftes Recht auf eine unverkürzte Liturgie verteidigen, zu „Denunzianten“ erklärt. Schade.

Und schlußendlich: Empathie ist kein Ersatz für Aufrichtigkeit. Die kann schmerzhaft sein, aber es geht ja auch um was. Es geht um – Alles!

Und so sehe ich, durchaus traurig, am Ende dieser ein wenig länglichen Ausführungen leider nicht, wie auch künftig der Schmerz, Priester mit weißem Haar zu kritisieren, vermieden werden könnte.

Allein gilt:

Jesus antwortete: Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen: Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser, Brüder, Schwestern, Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben. (Mk 10, 29 f.)

Amen!

 

Gereon Lamers

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