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Der „Zwei katholische Bücher-Adventskalender“ – Tag 20, Das nachkonziliare Rätesystem im Aufbau

„Aus den Aufzeichnungen von Bischof Aufderbeck

In etwa dreiviertel bis vierfünftel der Gemeinden besteht ein Pfarrgemeinderat. Alle Dekanate haben einen Dekanatsrat. Das bedeutet aber durchaus nicht, daß alle Dekanatsräte und Pfarrgemeinderäte gut arbeiten. Es besteht erst das äußere Gerüst. Die Arbeitsweise ist sehr unterschiedlich.

Fast alle Dekanate haben in diesem Jahre zum dritten Mal einen Laienkonvent gehabt, an dem alle Mitglieder der Pfarrgemeinderäte eines Dekanates teilnehmen. Ein Höhepunkt unserer bisherigen Arbeit war der Laienkongreß in Erfurt zu Pfingsten 1969. Es nahmen daran etwa 190 Damen und Herren teil, einschließlich 30 Jugendlicher. Wir haben am Sonnabend vor Pfingsten begonnen und am Pfingstmontag nachmittag geschlossen. Manchen war der Termin aus familiären Gründen sehr ungelegen. Die Tage waren aber überaus schön. Sie verliefen ohne jede Mißstimmung. (8. 1. 1970)

Es besteht der äußere Aufbau, was natürlich in keiner Weise heißt, daß alles gut funktioniert. Wir werden aber auch hier Geduld haben müssen. Die Dekanatsräte arbeiten z. T. ganz gut. Aber die Arbeit ist doch noch sehr in den Anfängen. Vielleicht wird die kommende Synode uns hier ein wenig weiterhelfen. Das Miteinander und Füreinander ist doch oft recht schwierig. Es fehlt uns viel an der Erfahrung der eigenen Armut und an dem Glauben, daß der Heilige Geist in der Gemeinschaft der Brüder und Schwestern besonders wirksam ist. Vielleicht ist auch unsere Erziehung schuld, daß der Priester aufgrund seiner Weihe und seines Studiums meint, er könne alles und wisse alles. Aber es finden sich auch hier hoffnungsvolle Zeichen. Jedenfalls ist die Willigkeit von allen Seiten da. (28. 1. 1971)“

(Im Land der […], S. 269)

 

Bischof Aufderbeck, ganz wie wir ihn nun schon einige Male kennenlernen durften: Aufmerksam, im besten Sinne kritisch und auf der Suche nach dem Fehler bei sich, bzw. der „Seite der Priester“. Bei aller tiefempfundenen Sympathie könnte (müßte?!) man allerdings wohl aus heutiger Sicht, nach den Erfahrungen mit Jahrzehnten der Gremienarbeit, hinzufügen, daß schöne pfingstliche Tage „ohne Mißstimmung“ nicht notwendigerweise bei der Lösung möglicher Probleme oder gar Konflikte helfen. Und ich habe auch so meine Zweifel, ob es gerechtfertigt ist, in jeder Gremiensitzung „automatisch“ eine solche Gemeinschaft der Brüder und Schwestern anzunehmen, in der der Hl. Geist besonders wirksam ist. Ob da nicht auch manches menschlich-allzumenschliche unter dem schönen Schein der Konfliktvermeidung in eine ganz andere Richtung gewirkt hat? (Wir werden Bischof Aufderbeck auch zum Thema „Konflikte“ noch hören.)

Und was die Bereit-Willigkeit zur Übernahme von Aufgaben angeht, so finden sich dazu in „Im Land der heiligen Elisabeth“ überaus aufschlußreiche Sätze in einem Text von W. Hentrich und Chr. Kendzia über „Mitarbeit der Erwachsenen für eine lebendige Gemeinde“:

„Es galt, nach den Beschlüssen des Konzils zu einem lebendigen und von vielen mitgetragenen Gemeindeleben zu kommen. Das Wort von der gemeinsamen Berufung aller im Volk Gottes gab großen Auftrieb. Und es war ein Aufbruch ( ;-), GL), als 1969 nach einem eigenen Pastoralkongreß über die »Mitverantwortung der Laien« die Pfarrgemeinderäte eingerichtet wurden. Darauf erfolgten die Dekanatsräte und der Pastoralrat.

Es fehlte keineswegs an Bereitwilligkeit, wohl mußte bald erkannt werden, daß jede Bereitschaft nach konkreten Aufgaben verlangt. Aufgaben für ein gemeinsames Werk aber galt es zu »teilen« – und zwar in dem Bewußtsein, daß alle auf Grund ihres gemeinsamen Priestertums durch Taufe und Firmung berufen sind, Seelsorge in gemeinsamer Verantwortung zu sehen und zu tragen.

Das verlangte einerseits vom Priester die Bereitschaft, Laien mitarbeiten zu lassen und [andererseits, GL] vom Volke Gottes, mitarbeiten zu können.

Diese Aufgabe des Gemeindeleiters, »die Heiligen heranzubilden zur Ausübung ihres Dienstes« und andererseits die klare Aussage des Konzils, daß Laien nicht ein belangloser Aufwand, notwendige Übel in Zeiten des Priestermangels sind, ist bis heute nicht befriedigend gelöst. Vielleicht sind damals, als Erkenntnis und Bereitschaft aufeinandertrafen, gerade bei den Ämtern die Zeichen der Zeit nicht genug erkannt worden.

Die Frage bleibt, ob heute der rechte Augenblick gekommen ist, die Verantwortung des gesamten Gottesvolkes in der Seelsorge als »Not-wendigkeit« zu begreifen.“

(Im Land der […], S. 117) Hervorhebungen von mir.

Hier, wo ein Priester und ein Laie gemeinsam schreiben, nicht mehr am Anfang, sondern Mitte der 80er-Jahre, sieht man, daß auch der Ablauf von ca. 15 Jahren keineswegs jede Skepsis getilgt hat, ja, mir will scheinen, darin sind geradezu paradigmatische Aussagen über die Zusammenarbeit und ihre notwendigen Voraussetzungen enthalten:

  • Konkrete Aufgaben sind ebenso erforderlich wie es ihre klare Definition ist
  • Ob jemand mitarbeitet und worin ist nicht nur eine Frage des (guten) Willens, sondern ebenso der Kompetenz der Ehrenamtlichen
  • Und so ist die Aufgabe der priesterlichen Leitung keinesfalls geringer, sondern größer und schwieriger, sozusagen „leitender“ geworden

Persönlich glaube ich ja, das „Erkennen der Zeichen der Zeit“, war auf Dauer nicht eine Frage der Bereitschaft, (immer mehr) abzugeben an Verantwortung (was ja von Fall zu Fall auch ganz bequem sein konnte!), sondern die Herausforderung, sich über die gewachsene Rolle des Priesters Rechenschaft abzulegen, der immer verantwortlich bleiben muß und wird, für das, was in „seiner Gemeinde“ geschieht, oder auch nicht!

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