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Betten im Verhältnis oder: Weimar für Schneller-Denker

Was immer man über Martin Mosebach denken mag, auf PuLa scheint er immer wieder zu Debatten zu führen, die nachwirken. Aber nicht nur hier! Seine Bemerkungen über Weimar anläßlich der KAS-Literaturpreisverleihung sind auch sonst nicht ohne Echo geblieben. Und so freue ich mich (ganz im Sinne der sich andeutenden guten Kooperation zwischen lokaler Zeitungsberichterstattung und der Blogosphäre 😉 ), Ihnen mit freundlicher Genehmigung des Autors einen Text präsentieren zu können, der ursprünglich als Leserbrief in der TLZ vom 22. Juli erscheinen ist:

„Der Bericht machte doch neugierig: Der Frankfurter Schriftsteller Martin Mosebach empfing den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung, im Musikgymnasium Belvedere Weimar. Mit einer brillanten Rede bedankte sich der Geehrte, man kann sie genussvoll anhören und lesen. Da ist auch viel Sprachwitz dabei. Das Publikum geht mit und belohnt mit Beifall: Goethes und des Preisträgers Heimatstadt bekommt einiges ab. Dann das Gedankenspiel: „Warum nicht nach Weimar ziehen? Die weimaraner Schönheit in ihrer Puppenhaftigkeit ist beinah perfekt.“

Nun gut, das ist natürlich nicht der Fall. Dichterphantasie darf da aber wohl schon einmal zuspitzen. Doch weiter, der Zuhörer fühlt, wie auch dieser Meister des Wortes einer Versuchung nicht widerstehen kann: „Ein wenig beunruhigend sind für mich nur die vielen Betten in Dichterhäusern und Schlössern, in denen niemals mehr jemand schlafen, die vielen Tische, die für Mahlzeiten bereit stehen, aber an denen niemals mehr jemand essen wird.“ „Das Schloss ohne Herzog und Hof, die Stadt ohne die Geistesriesen, die hier eigentlich um jede Ecke kommen müssten. Dafür nur die ungehemmt wachsende Menge von Papier, die nur noch mehr anschwillt, wenn etwas von ihr verbrennt.“ „Eine Geisterstadt, ein in der Geschichte der Totenkulte einzigartiger Spezialfall von Grabkammern voller Hausrat der Toten, die zur Besichtigung freigegeben sind.“

Freilich, Kernsätze für die Stadtwerbung waren nicht zu erwarten. Doch darf man annehmen, dass sich nicht allein des Klassikstiftungspräsidenten Stirn umwölkte? Im Beifall des Auditoriums ist jedoch geradezu Schadenfreude zu spüren. Die reinste Freude.

Man müsste weiter ausholen, um die Geschichte und Vielfalt der Erinnerungskultur in Weimar und im Lande – und auch wohl manche Auswüchse – zu beleuchten.
Nun sind Wahrnehmung und Realität verschiedene Dinge. Nehmen wir nur mal die vielen Betten. Man kann sechs unbenutzte Betten in sechs Häusern finden, zwei von Anna Amalia, zwei von Goethe, je eines von Schiller und Liszt. Ein museales Bett also auf zehntausend von prallem Leben erfüllte Betten. (Rechnen wir mal die Hotelbetten nicht mit, in deren allermeisten auch geschlafen wird.) [Anm. der Red.: Weimar hat ca. 65.000 Einwohner]

Das wäre doch zu verkraften, oder? Und, halten zu Gnaden, um Grabkammern handelt es sich hier nicht. Es sind Häuser! Eindeutig! Und sowohl beim Geheimrat als beim Hofrat ist der Hausrat, Kochtöpfe oder Nachtgeschirr, eher marginal vertreten. Sollte hier ein wenig abgespeckt werden, um sich in dieser Stadt mit seinem Welterbe rückwärts der Normalität zu nähern? „Geisterstadt“! – da waren die großen Spötter Heine und Kisch mit „Musenwitwensitz“ und „Naturschutzpark der Geistigkeit“ schon origineller. Aber vielleicht, Herr Mosebach, wollten Sie hier etwas testen? Oder Sie erläutern doch noch einmal, für langsamer Denkende?

Bernd Mende“

Mit der Bemerkung über das „anschwellende Papier trotz Verbrennen“ kann realistischerweise nur der Brand der Anna-Amalia-Bibliothek vom 2. September 2004 gemeint gewesen sein und falls das wirklich der Fall ist, war sie seitens eines Schriftstellers nicht nur unverständlich, sondern leider auch ziemlich geschmacklos.
Tatsächlich hat sich anhand dieser nationalen (!) Katastrophe im übrigen aber auch gezeigt, was Engagement Weimarer Bürger für das Geistesleben wirklich bedeuten kann: Eine erhebliche Anzahl von Menschen hat es in dieser Nacht durch die Inkaufnahme von Gefahr für Leib und Leben bei der Rettung von Büchern unter Beweis gestellt; der Autor des Leserbriefs gehörte zu ihnen.

Und wer das jetzt auf einem katholischen Blog ein wenig Off Topic fand, den muß ich darauf hinweisen, daß die Titelzeile eben ‚Katholisch in Weimar‘ heißt.
Außerdem: Der Brand war für uns wirklich und wahrhaftig der letzte Auslöser, von Erfurt nach Weimar zu ziehen (im November 2004). Eine Entscheidung, die wenige Jahre später mit dazu geführt hat, das katholische Leben in Weimar ein wenig über die Stadtgrenzen hinaus bekannt zu machen; wie doch alles mit allem zusammenhängt… 🙂

 

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