Woran denken Sie, wenn Sie ‚Zeitz‘ hören? Wie, an nichts?!
Ok, weiterlesen! 😉
An Briketts, Kinderwagen und Otto Baensch, den Erbauer des Nord-Ostsee-Kanals? Sehr gut, aber ein wenig vergangenheitsorientiert.
An Zucker und Wein? Ausgezeichnet; ja Zeitz ist wieder eine Weinstadt (wie in Zeiten des mittelalterlichen Klimaoptimums) und die Weine, die an der Weißen Elster wachsen, lohnen sehr; der dort produzierte Zucker landet gewiß nicht in den vorwiegend trocken ausgebauten Gewächsen… 🙂
Aber wenn Sie nichtsahnend durch das ziemlich überdimensionierte barocke Torhaus von Schloß Moritzburg schreiten, wartet eine doppelte Überraschung auf Sie.
Sie stehen unversehens an der Langseite (Norden) einer größeren gotischen Hallenkirche, der zwar die Türme abhanden gekommen sind, die aber auch noch (an der Südseite) über wesentliche Teile eines Kreuzgangs verfügt. Nach Westen schließt ein angebauter Blendflügel des barocken Schlosses von geringer Tiefe das Kirchengebäude ab.
Aber die Verblüffung ist steigerbar. Denn wer den sehr angenehmen, hellen und freundlichen Kirchenraum betritt, stellt fest: Bei allen sehr ‚protestantischen Einbauten‘ des 17. Jahrhunderts handelt es sich um eine katholische Kirche! Seit 1946 nutzt die örtliche katholische Gemeinde den Dom St. Peter und Paul, wiewohl sie in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts eine eigene kleine Kirche erbaut hatte.
Dom? Ja, Dom, denn Zeitz war, von 968 bis zur Verlegung des Sitzes nach Naumburg 1028 (sprechen Sie die Zeitzer aber besser immer noch nicht darauf an!) Bischofssitz. In Zeitz blieb ein Kollegiatsstift, unter dessen Regie der heutige Bau entstand, der Ende des 15. Jahrhunderts fertiggestellt war.
Natürlich mit Türmen… Die entfernte dann erst der Erbauer des Schlosses Moritzburg, Herzog Moritz von Sachsen-Zeitz, weil sie, das muß man bei allem Bedauern zugeben, die typische Silhouette eines barocken Schlosses völlig unmöglich gemacht hätten. Die Glocken zogen glücklicherweise in das Torhaus um.
Von dort aus rufen sie auch heute zum sonntäglichen Gottesdienst, zur Hl. Messe. Und, was soll ich Ihnen sagen, die leise Bänglichkeit, wie denn eine mitteldeutsche Diasporagemeinde einen so großen Kirchenraum füllen würde, erwies sich als völlig unbegründet; es war voll! Auf ein funktionierendes Gemeindeleben deutete auch hin, in wie großer Zahl und wie ausgesprochen lange die Meßbesucher im Anschluß noch vor der Kirche stehenblieben, bald auch zusammen mit ihrem Hirten (in schwarz und mit Kollarhemd…).
Der Besuch des Museums im Schloß ist sehr zu empfehlen, und das nicht nur wegen des Deutschen Kinderwagenmuseums, sondern auch wegen der gut gemachten neueren historischen Ausstellung zur Stadtgeschichte, die mich mit der beeindruckenden Gestalt des im Chor des Doms beigesetzten ‚letzten Zeitzer Bischofs‘, Julius von Pflug, ins Nachdenken gebracht hat über ein angemesseneres Verhältnis zur „Reformationszeit“ (Stichwort: Nicht nur Betrachtung der Verlustgeschichte, sondern mehr Betrachtung von katholischen Biographien, die nach wie vor etwas zu sagen haben).
Und war Ihnen der „Kardinal von Sachsen“, Christian August von Sachsen-Zeitz bekannt? Ich muß gestehen, mir nicht, aber dieser Sohn von Herzog Moritz hat es bis zum Erzbischof von Gran (bzw. Esztergom, Ungarn) und Stellvertreter des Kaisers gebracht!
Woran man mal wieder sieht: Katholische Karrieren konnten sogar aus dem Tal der Weißen Elster ganz schön weit führen… 🙂
Merke: Es gibt mitten im ‚Kernland der Reformation‘ sehr lohnenswerte „katholische“ Reiseziele und Zeitz gehört dazu.
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[…] ausfallen… Wie klug übrigens, daß es Gemeinden hier in Mitteldeutschland gibt, wie z.B. die in Zeitz, die sich schon im Frühsommer entschlossen haben, die Einführung erst im kommenden (Kalender-) […]
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