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„Du bist gebenedeit unter den Frauen“ 2/2

Ein Close reading zur Begegnung in Ain Karim

Im vorangeganenen Teil des vorliegenden Beitrags hatten wir begonnen uns Gedanken zu machen, wie der Evangelientext zum Besuch Marias bei der schwangeren Elisabeth innerhalb der Bibel intertextuell vernetzt ist, was er für unseren Glauben und was er für Nachrichten über Marias Lebensumstände bereithält.

Maria – ein junges unverheiratetes Mädchen – macht sich zu ihrer Verwandten auf den Weg. Vermutlich zu Fuß. Von Nazareth in Galiläa „in eine Stadt im Gebirge von Judäa“ (V. 39). Es muß nicht Jerusalem sein, wo Zacharias, der Mann Elisabeths, im Tempel Dienst tut. Schließlich war es durchaus üblich, daß auch Priester, die nicht in Jerusalem ansässig waren, sich zu ihrem Dienst dorthin begaben. Aus dem biblischen Text erfahren wir leider nichts Konkretes, sondern es heißt: „ Als die Tage seines [des Zacharias] Dienstes zu Ende waren, kehrte er nach Hause zurück.“ (V. 23) Doch Katholizismus bedeutet bekanntlich, Schrift und Tradition zu Rate zu ziehen, und da ich natürlich nicht die erste bin, die sich über diese Unschärfe in der Überlieferung ärgert, gibt es längst eine Übereinkunft, wo man das Zuhause der Elisabeth zu vermuten hat: „Die örtliche Tradition“, schreibt Pater Martin Ramm, FSSP zum Fest der Heimsuchung Mariens, „lokalisiert die Begegnung zwischen Maria und Elisabeth an einem Ort westlich von Jerusalem namens Ain Karim (= Weinberg-Quelle)“ (Volksmissale, Thalwil 2015, zum 2. Juli auf Seite 295 S). Voilà!

Jerusalem liegt etwa im Zentrum Judäas und die Entfernung bis Nazareth beträgt in der Luftlinie 100 km, der Weg wird vom Computer mit 150 km errechnet. Aber auch wenn man der traditionellen Ortsangabe mißtraut und die Geschichte geographisch im Unscharfen belassen will: Nach Judäa ist es von Nazareth aus in jedem Fall ein ganzes Ende. Dazwischen liegt bekanntlich noch Samaria. Auch der nördlichste Zipfel Judäas dürfte also durchaus 100 km Wegstrecke von Nazareth entfernt liegen. Aber Maria geht vermutlich in die Nähe von Jerusalem. Die Heimsuchung präfiguriert damit auch den zweiten Weg der Schwangeren, den Weg zur Volkszählung nach Bethlehem, einem südlichen Vorort Jerusalems, durch den sich die Schrift erfüllt und Jesus in der Stadt Davids geboren wird. Und sie weist auf den dritten Weg nach Jerusalem voraus, auf die Pilgerfahrt zum Paschafest (schon wieder was mit „hüpfen“!), bei welcher der 12jährige Jesus im Tempel mit den Schriftgelehrten zu diskutieren beginnt, seine Eltern ihn drei Tage lang suchen müssen und er ihnen einen ersten kryptischen Hinweis auf Gott als seinem Vater gibt (Lk 2, 41-46). Der freudenreiche Rosenkranz verknüpft in seinen Gesätzen diese Reisen alle ebenfalls.

Wer begleitet Maria eigentlich auf dem ersten Weg, dem Weg zu Elisabeth? Oder – wie das ja gerne gedacht wird: wer schützt oder ‚beaufsichtigt‘ das junge Mädchen in dieser Zeit? Davon erzählt die Geschichte erstaunlich wenig. Um genau zu sein: Davon erzählt sie nichts. Anders als Tobias, der Sohn des Tobit, wird Maria offenbar auch nicht vom Erzengel Raphael, dem Begleiter der Wanderer, zu Elisabeth geführt. Sie „eilt“ (Lk 1, 39) mehrere Tage zu Fuß 100 km oder mehr durch das Land, soweit wir wissen, allein. Und sie kommt heil an. Ich liebe diese Geschichte, seit mir dieses Detail aufgefallen ist. Läßt es nicht vermuten, daß wir in das Frauenleben der damaligen Zeit doch einiges hineinprojizieren, was sich an Lebensumständen und Gefährdungen erst im Laufe der Patriarchalisierung für die Frauen verschlimmerte? Bevor Gefahren real werden, müssen sie ja immer zunächst erst einmal denkbar sein.

In Verse gefaßt und vertont habe ich die Geschichte von Ain Karim als „Magnificat oder der Besuch bei Elisabet“ im Rahmen des Liederzyklus „Weltreise durchs Kirchenjahr“ schon im Jahr 2008. Uraufgeführt haben es die Cäcilini (damals noch als Kinderschola der Herz-Jesu-Gemeinde Weimar) noch im selben Jahr zum Schuljahresabschlußgottesdienst. Das kam zeitlich gerade sehr gut aus, es war Sonntag, der 6. Juli. Eine kammermusikalisch instrumentalisierte und den Dialogen entsprechend solistisch besetzte Fassung gab es dann vier weitere Male: im Verbund mit sechs weiteren Liedern szenisch aufgeführt am 2. Juli und am 2. November 2014 auf dem Gemeindefest in Apfelstädt bzw. einem Gottesdienst in St. Christopherus Tiefurt, zum Rosenkranzmonat mit anderen meiner Marienlieder am 6. Oktober 2016 für unsere Senioren und zur Eröffnung der Maiandachten kombiniert mit dem Salve Regina am 1. Mai 2018. Nachdem der erste Film auf dem YouTube-Kanal der Cäcilini inzwischen über 1200-mal angehört worden ist, habe ich zwei weitere Versionen mit anderen Solistinnen ebenfalls ins Netz gestellt. Aber während der zuerst eingestellte Film immer mehr Aufrufe sammelt, gehen die beiden anderen Versionen nicht so richtig los. Was schade ist: Namentlich der Livemitschnitt aus der Maiandacht 2018 in Herz Jesu Weimar ist zwar akustisch durch den Kirchenhall etwas hallig, aber von den Stimmen her sehr hörenswert. Deshalb möchte ich beide neueren Filme hier einmal verlinken. Zunächst die Einspielung aus dem Jahr 2018, dann die der Uraufführung aus dem Jahr 2008. Enjoy! 🙂

 

 

Cornelie Becker-Lamers

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