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PuLa-Reloaded: Die Schafe Egalias

Ok, ok noch ist es nicht soweit, aber die wichtige Grenze von 100 Tagen bis Heiligabend ist, Moment, … genau heute! 😉

Daher fühlen wir uns mehr als berechtigt dazu, ein Adventsskechtlet zu bringen, ursprünglich veröffentlicht am 30. November 2014, hier.

Enjoy! 🙂

Sketchlet zum Advent No 1: Die Schafe Egalias

Auf der uns wohlbekannten Schafweide bei Wundersdorf im Oderbruch herrscht reges Treiben. Einige Schafe fertigen festlichen Weideschmuck aus Heu und getrockneten Blumen, andere schmücken schon die Bäume damit, wieder andere trainieren die Standardsituationen eines Krippenspiels, da sie erst zur Generalprobe in die Kirche geholt werden sollen. Eine kleine Gruppe um Kohle ist in eine heftige und emotionale Diskussion verwickelt.

Um was geht’s?

Die Schafe Egalias

Ein Sketchlet für sechs Schafe, zwei Lämmchen und beliebig viele Schafstatisten

Kohle: Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit!

Wolle (kommt neugierig aus der Krippenspielgruppe herangetrabt): Um was geht’s?

Flocke: Kohle hat beim Twittern von der Diskussion um die Frauenquote in den Vorständen gelesen. Und jetzt regt er sich total auf.

Grauchen: Da sieht man’s wieder: Man sollte die Böcke gar nicht twittern lassen!

Wolle (muß nochmal nachfragen): Ja, aber – die Frauen, die wir so kennen, betrifft das doch gar nicht – Edith, Hanna, Silke …

Flocke (unterbricht sie): Es geht ihm ja auch nicht um die Frauen, sondern um sich.

Wolle: Mä?

Kohle (laut): Begreift ihr denn gar nicht? „Rechts werden die Schafe und links die Böcke stehen“, heißt es bei Matthäus [Mt 25, 31-46; hier: 33f. 41]. Und dann sagt der Richter zu denen an seiner rechten Seite: „Kommt her! Euch hat mein Vater gesegnet. Nehmt das Reich Gottes in Besitz, das er seit Erschaffung der Welt für euch als Erbe bereithält!“ Und die auf der linken Seite sind verflucht! (Verzweiflung steht ihm ins Gesicht geschrieben.)

Grauchen: Aber Kohle! Das ist doch metaphorisch gemeint! „Die Schafe und die Böcke“. Das sind doch einfach nur die Guten und die Bösen.

Kohle: Ah ja? Metaphorisch? Und warum sind die Böcke dann die Metapher für das Böse, hm? Neineinein! Es paßt genau zum ganzen Tenor dieser Texte. Denk doch mal nach! Wenn ein Lamm geopfert werden muß, zum Pessachfest oder so, wer ist es, hm? Natürlich wieder ein männliches! (Er macht eine Kunstpause.) Dadurch sind wir überall in den Herden unterrepräsentiert!

Wolle (charmant): Aber, aber! Geht es dir denn so schlecht bei uns? So als Bock im Korb? (Sie blinzelt ihm zu.)

Kohle (ärgerlich): Nein! Mir jetzt konkret natürlich nicht! Aber es geht ums Prinzip! Verstehst du das denn nicht?!

Blütenweiß (sanft): Aber Kohle! Du siehst das völlig falsch! Daß immer nach einem männlichen Lamm gesucht wird zum Opfern – das ist doch eine Ehre!

Kohle (platzt): Eine Ehre? Wir werden umgebracht! Reihenweise umgebracht! (erhobenen Hauptes) Ich fordere eine Quotierung bei den Sündenböcken!

Die Schafe brechen in schallendes Gelächter aus.

Flocke (kriegt sich als erste wieder ein): Entschuldige, lieber Kohle, aber jetzt ist es wirklich gut. Es heißt Sündenbock. Da hört man doch schon am Wort, daß es ein männliches Tier sein muß!

Kohle (verzweifelt): Das ist es ja! Bis in die Sprache hinein ist die Bibel böckefeindlich! Was sage ich – die Bibel! Unsere ganze Gesellschaft!

Grauchen: Aber Kohle! Jetzt bist du es, der ungerecht ist. Denk doch mal an den Ausdruck „Ich hab keinen Bock“. Damit wollen Jugendliche zum Ausdruck bringen, daß sie keine Lust haben. Also ist da „Bock“ doch ein positives Wort. Bock = Lust! Das ist doch toll!

Kohle (mit tränenerstickter Stimme): Toll? Wir werden auf unsere Sexualität reduziert! Als hätten wir nichts in der Birne! Es ist zum Heulen!

Hilflos und betroffen stehen die Schafe um Kohle herum. Sie beginnen langsam zu verstehen, daß es ihm wirklich schlecht geht und überlegen nun fieberhaft, wie sie ihm helfen können.

Wolle (aufmunternd): Da freu dich doch, daß es in unserer Herde immer Krutzi ist, die sich zum Opferlamm stilisiert.

Die Schafe lachen und sehen zu Krutzi hin, die den ganzen Morgen schon mit gerecktem Kopf am Wiesenrain steht und nach dem Hirten Ausschau hält.

Blütenweiß: Ja! Weil Krutzi halt lieber ein Bock wäre!

Flocke (blickt liebevoll zu Fixi und Huf hinüber, die am Bach herumtollen): Völlig unverständlich!

Wolle: Aber es gibt so Schafe, die haben einfach nichts begriffen …

Grauchen (seufzt; dann, resolut): Okay! Aber um Krutzis Probleme geht’s jetzt nicht. Kohle geht es schlecht!

Flocke: Am besten, wir kreisen ihn ein und wärmen ihn ein bißchen.

Blütenweiß (mitfühlend): Ich glaube auch: Mehr können wir jetzt nicht für ihn tun …

Die Schafe kreisen den unglücklichen Kohle ein, wärmen ihn und versuchen ihm Mut zuzusprechen.

Die Schafe (leise, durcheinander): Kooooohliiiiiii! – Wir wissen alle ganz genau, wie tatkräftig du bist … – … und was du alles für die Herde tust! – Denkt mal, damals, auf dem Pritschenwagen …  – Erinnere mich nicht an den Pritschenwagen!

 

ENDE

 

Ach ja, die Schafe! Wie sich doch so manches unserer Probleme in ihrer Herde widerspiegelt! Manches direkt und manches eben auch spiegelverkehrt. Wir blenden uns an dieser Stelle aus der Szene aus und erwarten gespannt, wie es mit Kohles Initiative um eine gerechtere Welt weitergehen wird …

Und für alle, die sich über den Titel dieses Sketchlets wundern, hier die Auflösung: „Die Schafe Egalias“ bezieht sich auf einen zu Recht berühmten feministischen Roman, der in der Bundesrepublik der 80er Jahre maßgeblich zur – sagen wir: – emotionalen Durchdringung der sogenannten „Frauenfrage“ beigetragen hat (hier).

Cornelie Becker-Lamers

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