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Sketch des Monats: Die Vorbildfunktion

Zugleich Das rosa Gewand 12/ … n ? NEIN: Das rosa Gewand 12/12 !
Ein Sketch für sechs Frauen, zwei Kinder und coronamaßnahmenbedingt
maximal 24 Statisten beiderlei Geschlechts

Ach ja! Das liebe Geld! Sollen Pfarreien sich wirklich für zwei Feste im Jahr ein spezielles Gewand leisten? Ein rosanes Meßgewand nur für Gaudete und Laetare, die beiden Freudensonntage in der vorweihnachtslichen bzw. vorösterlichen Buß- und Fastenzeit? Also! Das muß doch jedem halbwegs wirtschaftlich denkenden Menschen völlig irre vorkommen! Das würde sich doch kein Privathaushalt leisten … so etwas irgendwann einmal eisern durchgezogen zu haben, das ist ja wohl mal wieder typisch Kirche!

Oder?

Wundersdorf, Oderbruch. Auf dem Platz vor der katholischen Pfarrkirche Maria Hilf! haben sich auffällig viele Damen in rosafarbener Kleidung versammelt. Sogar manche Herren haben rosane Anzüge an. Was um alles in der Welt ist da los? Kostümfest in der Gemeinde? Mitten in der Fastenzeit? Das sieht ja schon sehr speziell aus … ob diese illustre Versammlung uns womöglich sogar in der Beantwortung unserer Ausgangsfrage helfen kann: Silke und Edith, Helene, Hedwig und Ines, die noch ihre beiden gleich ministrierenden Jungs, Reimer und Wenzel, im Schlepptau hat? Ah! Da kommt ja auch gerade Hanna in ihrem magentafarbenen Wintermantel. Sie wird mit großem Hallo und Gejohle begrüßt. Hören wir doch mal, worüber die Frauen sich unterhalten.

Helene: Huuuu! Grüß dich, Hanna! Jaaaa – den Mantel kennt man ja!

Hanna (umarmt Helene und schaut dann in die Runde): Grüß euch! Ihr seht ja alle toll aus!

Ines: Ich muß auch sagen! Edith – wow! Mutige Farben, das Kleid mit dem Orange und dem Pink …

Edith: Danke! Ja – das hing jetzt bestimmt 20 Jahre im Schrank.

Silke (nickt): Das war in den Nuller Jahren Mode, diese Kombination … Ich kann mich noch erinnern. Meine Schwester hatte ein ganz ähnliches.

Edith: Eben! Und wenn die Saison dann durch ist, kann man sowas ja kaum noch tragen!

Hedwig: Silke, Dich hab ich aber auch noch nie in diesem rosafarbenen Kleid gesehen. Und wie lange kennen wir uns jetzt schon? Fünfunddreißig Jahre?

Silke: Ach! Das habe ich mir vor Jahren mal zu Silvester machen lassen – da hatten wir Karten für das Silvesterkonzert in der Deutschen Oper ergattert, Bernd und ich … aber die Farbe sieht man sich dann doch schnell über. Ich hatte das dann nur noch ganz selten an.

Helene: Aber alles herrliche Kleider und Kombinationen! (Sie schaut die andern Frauen an.)

Hanna: Hedwig, warum trägst du dieses Kostüm nicht viel öfter? Steht dir gut!

Hedwig: Danke! Najaaa … ich war ein bißchen unsicher – die Farbe war ja mal zu meinen dunklen Haaren ausgesucht – und jetzt …

Hanna, Edith und Helene (durcheinander): Ach! Das steht dir hervorragend! – Das paßt auch jetzt zu den helleren Haaren! – Überhaupt kein Problem mit dem Grau! Sieht schick aus!

Hedwig: Aber sagt mal – wo haben denn die Herren um alles in der Welt ihre rosafarbenen Anzüge her?

Edith (lacht): Teresa hat Kontakt zu den Jungs, die jedes Jahr den CSD organisieren. Da hat sich was passendes gefunden …

Silke: Den was organisieren?

Edith: Ach! Nicht so wichtig! Die Anzüge sind jedenfalls nur ausgeliehen.

Hanna (zeigt in die Runde): Wie habt ihr das eigentlich hinbekommen, so einheitlich?

Ines (lacht): Silke hat zum frühestmöglichen Zeitpunkt alle verfügbaren 30 Plätze für die Messe reserviert und die Familien einzeln durchtelefoniert. 

Silke (lacht auch): Genau! Man weiß ja, wer so zur Messe kommt. Tja – und da habe ich jeder Einzelnen das Konzept erläutert.

Reimer: Und was ist das Konzept?

Silke: Na, heute ist doch Laetare.

Reimer: Ja. Und?

Hanna: Und weil die Priester sich bei uns so schwer tun mit den rosa Meßgewändern …

Edith: … sprich: die Pfarrei besitzt nicht eines …

Hanna: … genau – da haben wir uns gedacht, wir nutzen die Vorbildfunktion des Kirchenvolks.

Wenzel (unsicher): Wie … Vorbildfunktion des Kirchenvolks?

Helene: Na, guck mal! Wenn sich die Kirche schon immer mehr nach den Menschen richtet, nach ihrem ethisch-moralischen Empfinden und so weiter … 

Silke: … da dachten wir, wir könnten vielleicht einmal in Richtung rosa Meßgewand die Vorbildfunktion der Gemeinde gegenüber der Amtskirche zum Tragen bringen.

Hedwig: Arbeitstitel der Aktion: „Magenta Zwei Punkt Null“.

Ines: Und da jede Frau irgendein rosafarbenes Kleidungsstück im Schrank hat …

Edith: … wenn manche es auch praktisch nie tragen …

Hedwig: … haben wir alle angestiftet, diese seltenen Schätzchen für das heutige Hochamt hervorzuholen. Der Pfarrer wird heute eine fast komplett rosane Gemeinde vor sich haben! (Sie lacht.)

Reimer: Ich geh mich dann mal umziehen (er trollt sich in Richtung Sakristei).

Wenzel (geht seinem Bruder hinterher): Also ich find das ja Schwachsinn – für ein, zwei Feste im Jahr ein extra liturgisches Gewand …

Reimer: Sag mal … hast du grade nicht zugehört? Das ist ganz normal!

 

ENDE

 

Cornelie Becker-Lamers

 

Ja, so geht’s zu in Wundersdorf: koordiniert und voller Einfallsreichtum! Bloß gut, daß wir in Weimar …

… AN DIESEM WOCHENENDE EIN ROSA MESSGEWAND HAAABEN !!!

Ja, liebe Leserinnen und Leser, Sie haben richtig verstanden. Zwar nur als Leihgabe, aber Pfarrer Riethmüller zelebrierte gestern bereits die Vorabendmesse in einem aus Erfurt via Weihbischof ausgeliehenen rosafarbenen Meßgewand. Und Pfarrer Gothe wird es ihm heute im Hochamt für Familien gleich getan haben. Da holen wir doch gern die guten alten Timoticons einmal wieder hervor:

 

Jetzt wundert mich nicht mehr, daß unsere Gemeindereferentin schon vor über einer Woche in ihrem privaten WhatsApp-Status mit den Worten „Freut euch, es ist rosa!“ zur heutigen Messe eingeladen hat. Diesmal ist es wirklich rosa. Und wir freuen uns!

Nach dem Schlußsegen: Pfarrer Riethmüller in einem rosa Meßgewand mit schlichter, aber schöner Schauseite am Vorabend von Laetare in Herz Jesu Weimar am 13. März 2021 (eigenes Bild)

„In manchen alten Schränken“ fände sich so etwas ja noch, sagte Pfarrer Riethmüller mir nach der Messe in der Sakristei. Ja, genau. Einen wunderschönen Artikel zum Ende des „liturgischen Minimalismus des 20. Jahrhunderts“ finden Sie hier (herzlichen Dank an den, der den Artikel gefunden und uns den Link übersandt hat 🙂 ). In diesem Sinne hoffen wir auf eine Anschaffung oder zumindest eine Dauerleihgabe aus Erfurt und sind gespannt auf den nächsten Advent!

 

 

Cornelie Becker-Lamers

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