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Eine Pietà aus Meißner Porzellan

Neues vom Firmkurs

Was heißt „Neues“ – Mitte Mai war es. Aber man kommt ja nicht rum mit dem Schreiben. Also 12. Mai 2019. Muttertag 🙂 . Wir haben in der Dresdener Hofkirche eine Messe besucht und schauen uns den Kirchenbau noch ein wenig an, als mein Kind mich am Ärmel zupft: „Mama! Ich muß nochmal in diese Kapelle da.“ Sie weist zum Beginn des nördlichen Seitenschiffs. Da ich weiß, daß sie zum ersten Mal im Leben diese Kathedrale besucht, schaue ich sie verwundert an. „Da ist eine Pietà!“ erläutert sie mit der Ungeduld eines Teenagers, der davon ausgeht, daß man immer schon im Vornherein weiß, worauf er hinaus will. „Ah!“ sage ich und trabe hinterher in Richtung Gedächtniskapelle, die, wie ich später lese, ursprünglich dem böhmischen Heiligen Johann Nepomuk geweiht war, seit 1976 aber dem Gedenken des Bombenangriffs auf Dresden im Februar 1945 dient. Am Eingang der Kapelle angekommen, bin ich zunächst sprachlos. Eine Pietà. Ja. Aber was für eine!

Die Pietà in der Gedächtniskapelle der Dresdener Hofkirche; Friedrich Press (*1904 Ascheberg/Westf. +1990 Dresden) aufgestellt 1975; Meißner Porzellan

„Guck mal: die Schwerter im Herzen“, vermuten wir, lesen dann aber in der Beschreibung, daß hier Maria „die Trümmer des Krieges“ hält, „die sich zu einer Dornenkrone zusammensetzen.“ Ist Jesu Seitenwunde so vergrößert, als hätte man ihm das Herz herausgerissen? Sein Gesicht zeigt die Ruhe des Todes – anders als Marias, deren aufgerissene Augen das Weinen verlernt zu haben scheinen. Ein freistehender Altar im Vordergrund symbolisiert die im Feuersturm brennende Stadt. Die Flammen schlagen aus Totenköpfen. Erschütternd finde ich die in Gold gravierten Daten am Altar an der Wand. In memoriam mortuorum steht da, eingerahmt von den Zahlen 30.1.1933 und 13.2.1945. Nicht Kriegsausbuch und Kriegsende. Nicht Beginn und Ende der Herrschaft der Nationalsozialisten. Sondern das Datum der Machtergreifung und das der Zerstörung Dresdens. Als wäre seit 1933 alles auf diesen Tag zugelaufen und im immer weiter andauernden Kriegsverlauf nichts Schlimmeres mehr geschehen. Das ist verrückt. Aber es paßt nach Dresden und zu der Bedeutung, die man hier diesem Datum beimißt.

„Woher kennst du das?“ frage ich. „Hatten wir im Firmkurs.“ – „Bei Ikonographie und Mariendarstellungen?“ – „Ja.“ Leichthin, als wäre es selbstverständlich. Das ist es für einen Weimarer Firmkurs nicht, hatte ich ja schon erzählt. „Das ist toll!“ sage ich deshalb. „Ja, schon“, sagt mein Kind.

In der Tat scheinen Pfarrer und Gemeindereferentin, die sich wochenweise mit dem Unterricht abwechseln, den elterlichen Hinweis ernst zu nehmen, intellektuell in diesem Kurs ruhig ein bißchen aufzudrehen. (Ich hatte das im Anschluß an den diesjährigen Kreuzweg der Cäcilini – es sind zwei Firmbewerberinnen darunter – noch einmal betont, weil in deren Texten so deutlich geworden war, mit welcher Gefühlstiefe diese Mädchen nachempfinden und auf welchem Niveau sie reflektieren.) Es sind ja generell jetzt, durch das jährliche Angebot, keine Achtklässer mehr dabei. Und der verbummelte Firmtermin liegt so spät im Jahr, daß die Firmbewerber dann schon in der 10. Klasse und manche 16 Jahre alt sind. Die anderthalb Jahre Unterschied zu früheren KursteilnehmerInnen machen in dieser Altersgruppe natürlich mächtig was aus!

Wir freuen uns also gemeinsam mit den Firmlingen auf weiterhin lehrreiche und intellektuell anspruchsvolle Unterrichtseinheiten.

Cornelie Becker-Lamers

Ein Kommentar

  1. Martin Deppe schrieb:

    Vielen Dank für diesen wunderbaren Beitrag. Da war tatsächlich der ein oder andere Interpretationsansatz den ich noch nicht kannte. Soweit ich weiß, hat Friedrich Press viele Details in der Erklärung offen gelassen, eben damit man sich selbst Gedanken bei der Betrachtung macht.

    Etwas anders sehe ich allerdings die Gegenüberstellung der beiden Daten. Ich weiß als langjähriger Einwohner dieser Stadt zwar um die (manchmal ziemlich überhöhte) Bedeutung des 13. Februar mit all ihren Absurditäten. Nichtsdestotrotz interpretiere ich die Daten in der Kapelle so: Das was am 13. Februar 1945 passiert ist, hat seine Wurzel am 31. Januar 1933.

    Ein ähnliches „Bild“ bemühte man auch beim Neubau der Dresdner Synagoge, für den auch im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau der Frauenkirche Geld gesammelt wurde. Man sagte damals sinngemäß: „Die Fackel die am 9. November 1938 auf die Dresdner Synagoge (und fast alle anderen in D.) geworfen wurde, kam am 13. Februar 1945 mit voller Wucht zurück.“

    So sehe ich die beiden Daten in der Kapelle.

    Freitag, 30. September 2022 um 14:29 | Permalink

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