2 Deus, Deus meus, respice in me: quare me dereliquisti ? Longe a salute mea verba delictorum meorum.
3 Deus meus, clamabo per diem, et non exaudies ; et nocte, et non ad insipientiam mihi.
4 Tu autem in sancto habitas, laus Israël.
5 In te speraverunt patres nostri ; speraverunt, et liberasti eos.
15 Sicut aqua effusus sum ; et dispersa sunt omnia ossa mea. Factum est cor meum tamquam cera liquescens in medio ventris mei.
20 Tu autem, Domine, ne elongaveris auxilium tuum a me; ad defensionem meam conspice.
23 Narrabo nomen tuum fratribus meis; in medio ecclesiæ laudabo te.
26 Apud te laus mea in ecclesia magna; vota mea reddam in conspectu timentium eum.
27 Edent pauperes, et saturabuntur; et laudabunt Dominum qui requirunt eum ; vivent corda eorum in sæculum sæculi.
29 quoniam Domini est regnum, et ipse dominabitur gentium.
31 Et anima mea illi vivet ; et semen meum serviet ipsi.
32 Annuntiabitur Domino generatio ventura ; et annuntiabunt cæli justitiam ejus, populo qui nascetur, quem fecit Dominus.
2 Gott, mein Gott, schau auf mich; warum hast du mich verlassen? Das Geschrei meiner Sünden entfernet mein Heil.
3 Mein Gott; ich rufe des Tages und Du erhörest nicht; des Nachts, ist es nicht umsonst für mich?
4 Aber Du wohnest im Heiligthume, Lob Israels!
5 Auf dich haben gehofft unsere Väter; sie haben auf Dich gehofft, und Du hast sie errettet.
15 Wie Wasser bin ich ausgegossen, und aufgelöst sind alle meine Gebeine. Mein Herz ist wie geschmolzenes Wachs geworden in meinem Leibe.
20 Du aber, HErr, entferne Deine Hilfe nicht von mir, schau her zu meinem Schutze.
23 Ich will Deinen Namen verkündigen meinen Brüdern, mitten in der Gemeine [sic!] Dich preisen.
26 Bei Dir ist mein Lob in der großen Gemeine [sic!]; meine Gelübde will ich erfüllen im Angesicht derer, die Ihn fürchten.
27 Es werden essen die Armen, und satt werden, und den HErrn loben, die Ihn suchen; ihre Herzen werden leben in alle Ewigkeit.
29 Denn das Reich ist des HErrn; und er wird herrschen über die Heiden.
31 Und meine Seele wird ihm leben; und mein Same ihm dienen.
32 Nach dem HErrn wird genannt werden das künftige Geschlecht; und die Himmel werden erzählen seine Gerechtigkeit dem Volke, so geboren wird, das gemacht hat der HErr.
»Eli, Eli, lama sabachtani!«
Der 2[1]. Psalm ist für jeden Christen der heiligste aller Psalmen, weil Jesus Christus selbst sich dieses Gebet am Kreuz zu eigen gemacht hat. […] Und in einem letzten Sinn ist dieser Schrei des Gottessohnes am Kreuz ein für alle Mal erklungen; niemals mehr kann er im gleichen Sinne gerufen werden, nachdem das Schicksal der Gottverlassenheit, der Einsamkeit der Gottferne – von Gott selbst erlitten […] wurde[…] Aber daß am Kreuz Christi der Psalm zum letzten Mal authentisch gebetet wurde, das gilt doch nur in einem »letzten Sinne«. Und es gilt nur, weil dieser Klageschrei bis zum Ende der Tage über der Welt schwebt. […]
Unterdessen aber wird diese Erfahrung weiter gemacht, von Generation zu Generation, von Einzelnen in Not, von Depressiven, von Christen, die die Glaubenserfahrung verlieren und ins Dunkel geraten, von der Kirche, in immer neuen Bedrängnissen, wo alle Perspektiven schwinden. […]
Das Leiden des Frommen ist deshalb so groß, weil er weiß, daß da Einer ist, der hören könnte. Darum die Frage: »Warum?« Der Gottlose stellt diese Frage nicht, denn er geht davon aus, daß es kein »Weil« gibt. Der Beter weiß, daß es ein Weil, daß es einen Sinn gibt, aber er sieht und erfährt ihn nicht. Die Warumfrage ist ein Akt der Gottesverehrung. Denn sie erkennt an, daß es den gibt, der sie beantworten könnte. […]
Daß Gott ist, ist genug. Aber Er ist darüber hinaus der Gott Seines Volkes. Er hat die Väter, die auf Ihn hofften, gerettet. […] Es gab die Zeiten größerer Nähe Gottes, es gab die unvordenkliche Vorzeit. Und unser Gottesbild gewinnt seine unendliche Tiefe nur, wenn es uns Gott nicht nur als Gott der Gegenwart und Zukunft, sondern als Gott unserer Väter verstehen läßt. […] (RS)
Christus spricht: »Mein Herz ist wie flüssiges Wachs in der Mitte meines Leibes.« Meine Weisheit, die in den heiligen Büchern von mir geschrieben steht, wurde wie gleichsam hart und verschlossen nicht begriffen, aber nachdem das Feuer meines Leidens hinzukam, wurde sie, gleichsam flüssig, offenbar, und ging ein ins Gedächtnis meiner Kirche. (AA)
Der Beter resigniert nicht vor dem Schweigen Gottes. Das ist das Kennzeichen des Glaubens. […] Der Beter hält sich in der Gottverlassenheit an Gott fest. Er hört nicht auf, »Warum« zu fragen, vor Gott an Gott zu appellieren. […]
Nur wenige Menschen können einen solchen Psalm als Ausdruck ihrer persönlichen Situation beten, obgleich es immer Menschen gibt, die ihn so beten können. Denken wir nur an Christen unseres Jahrhunderts in Ländern, in denen sie bedrängt und angegriffen werden, wo der Grausamkeit gegen sie keine Grenze gesetzt ist. Christi Agonie wird, wie Pascal sagt, »bis ans Ende der Welt dauern«. Sein Leiden setzt sich fort in jedem Seiner leidenden Glieder. […]
Auferstehung, Anfang der Ewigkeit
[…] So kann Christus als der Beter dieses Psalms mit dem Dank für seine Errettung den universalen Dank in medio ecclesiae, »in der Mitte der Gemeinde«, in Aussicht stellen. »Verkünden will ich Deinen Namen dann den Brüdern …« Daß Gottes Name weitergesagt, daß Er in der Welt, in der Gemeinschaft der Kirche, adäquat verherrlicht wird, das ist das »Gelübde« des Messias gegenüber dem Vater. […]
[…] Dieses Gelübde der großen Danksagung, der eucharistia, löst der Auferstandene ein, indem Er sein Leiden und seine Auferstehung zur dauernden Opferfeier der ecclesia magna macht. Vom Mahl aber, das zu diesem Opfer gehört, »essen die Armen und werden satt«. Und zwar ewig: Vivent corda eorum in saeculum saeculi. Die Armen — das sind die, »die den Herrn suchen«, die Trauernden, die Hunger und Durst haben nach der Gerechtigkeit. Die, die physischen Hunger und Durst haben, sind sozusagen »von Natur« prädestiniert, zu diesen Armen im Geist zu gehören. Sie alle werden, so sagt der Psalm, den Herrn preisen. […]
Der Psalm spricht einerseits von »allen Geschlechtern der Heiden«, die sich zum Herrn bekehren, dann aber von seinen »Nachkommen«, vom »Volk, das geboren wird«. Es ist die Vision der Kirche, der ecclesia magna aus allen Völkern. Immer neu wird dieses Volk geboren aus der Kraft des Todes und der Auferstehung Christi. So betet die Kirche in der Osternacht, daß Gott in dieser Nacht, wie Er versprochen, den Abraham zum Vater vieler Völker macht. Der Anfang des Psalms ist der Ausdruck der äußersten Enge und Bedrängnis, das Ende ist die Vision der großen Schar, die niemand zählen kann und die das Lamm anbetet. Ein Volk, das nicht von Natur existiert, das »nicht aus dem Verlangen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren ist« (Joh 1,13). »Denn Er hat es gemacht. « (RS)
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