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Der Psalmen-Adventskalender, Tag/Psalm 12 „Usquequo, Domine…“

1 In finem, psalmus David. Usquequo, Domine, oblivisceris me in finem? usquequo avertis faciem tuam a me?

2 Quamdiu ponam consilia in anima mea, dolorem in corde meo per diem?

3 Usquequo exaltabitur inimicus meus super me?

4 Respice, et exaudi me, Domine Deus meus. Illumina oculos meos, ne umquam obdormiam in morte;

5 nequando dicat inimicus meus: Prævalui adversus eum. Qui tribulant me exsultabunt si motus fuero;

6 ego autem in misericordia tua speravi. Exsultabit cor meum in salutari tuo. Cantabo Domino qui bona tribuit mihi; et psallam nomini Domini altissimi.

 

1 Zum Ende, ein Psalm Davids. Wie lange, Herr, wirst Du mein so ganz vergessen? Wie lange wendest Du dein Angesicht von mir?

2 Wie lang soll ich rathschlagen in meiner Seele, Schmerzen leiden in meinem Herzen täglich?

3 Wie lang soll sich mein Feind über mich erheben?

4 Schau doch und erhöre mich, HErr, mein Gott! Erleuchte meine Augen, daß ich nicht etwa entschlafe zum Tode,

5 daß mein Feind nicht etwa sage: Ich bin seiner mächtig geworden; denn die mich quälen, frohlocken, wenn ich wanke.

6 Aber ich hoffe auf Deine Barmherzigkeit, es frohlockt mein Herz in deinem Heile; ich will singen dem HErrn, der mir Gutes gethan, und lobsingen dem Namen des HErrn, des Allerhöchsten.

 

 

»Wie lange noch?«, beginnt der Psalm. Diese Frage gehört zum Wesen des Menschen. Denn wir sind endliche Wesen. […] Es gibt im menschlichen Leben das »zu spät!«. […]
Die Pseudoewigkeit der Wissenschaft mit ihrer Fortschrittsidee ist Opium des Volkes angesichts jener Leiden, die entweder jetzt oder gar nicht geheilt werden. […]

Für den Psalmis­ten steht hinter aller Angst des Einzelnen um sich selbst immer noch eine andere: daß die Feinde triumphieren, wenn sie den Frommen wanken sehen. Das ist zunächst ein ganz elementares Motiv – niemand gönnt seinem wirklichen Gegner den wirk­lichen Sieg, noch weniger das Triumphgefühl auf meine Kosten.
Das Psalmengebet unterdrückt kein elementares menschliches Motiv. Es kennt nicht die Verleugnung der ganzen Dimension der Aggressivität. Und auch das Christentum lehrt nicht die Ver­leugnung dieser Dimension, sondern ihre Reinigung. Jesus be­fiehlt dem Petrus, das Schwert, das er für Ihn gezogen hatte, in die Scheide zu stecken (Joh 18,11). Aber es war ja Liebe in diesem Ziehen des Schwertes. Nur reichte die Liebe nicht aus, im Zu­stand der Wehrlosigkeit Christus nicht zu verleugnen. Wie viele aber ziehen ihr Schwert nur deshalb nicht, weil ihre Liebe nicht einmal so weit reicht? […]

Der Psalmist betet um Rettung schlechthin. Und das heißt beten, daß Gott unsere Augen er­leuchtet. Die Angst des Beters geht aufs Ganze: das Verschwin­den des göttlichen Gesichts, Verdunkelung des Sinns, Triumph der Feinde, Verschwinden der Welt, Tod. Die Bedrohung kennt keine Grenzen, wenn einmal Gottes Gesicht sich verhüllt. […]

Unvermittelt die Peripetie, wie so oft im Psalm. Das Gebet selbst ist schon der Anfang der Rettung. Solange der Mensch zu Gott ruft, hat das Böse nicht gesiegt. (RS)

 

Auch dieser Psalm ist Teil der Komplet am Dienstag. Durchhalten: Realistisch schildert der Psalm, was geschähe, wenn man es nicht täte, wenn man „wankte“. Und er vermittelt zugleich den wahren Grund für die Fähigkeit dazu: Kein eigenes Verdienst, sondern „Barmherzigkeit“ und die kann nur „erhofft“, erbetet werden, „in finem“, bis zum Ende. (GL)

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