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Herzlichen Glückwunsch! oder: Sachen gibt’s, die gibt’s nicht. Ein Zwischenruf

Am Freitag, 26. September (vermutlich) verschwand ein Behältnis mit einer Reliquie des sel. Otto-Neururer,  kreuzförmig, mit der Aufschrift „Ich fürchte mich nur vor einem, nämlich vor dem Richterstuhl Gottes“, aus der St. Bonifatius-Kirche in Weimar-Schöndorf. Obwohl das Reliquiar dort an einer Steinplatte festgemacht war – stellen Sie sich das mal vor.
Jaja: So kann‘s gehen, wenn Kirchen nachmittags einfach für alle zugänglich sind …  Wie weise ist da doch im Vergleich das Vorgehen in Herz-Jesu, unserer Hauptkirche, die nach dem Sonntagsgottesdienst immer so schnell schon wieder abgesperrt wird, daß regelmäßig die Gemeindemitglieder, die sich nach der Messe draußen noch ein wenig unterhalten, Zeugen werden, wie Touristen an der verschlossenen Kirchentür ruckeln.

Aber zurück zu unserem Fall: Das Behältnis war weg, seit dem 26. September (vermutlich), aber man hörte das ganze folgende Wochenende nichts von dem Vorfall, obwohl sich anläßlich des Kirchweihfestes unserer Hauptkirche alles Volk in der Herz-Jesu-Kirche tummelte und ja immerhin nicht jeden Tag Reliquien verschwinden! Hätt‘ man ja nach der Messe mal einen Ton sagen können … Wird ja auch sonst alles mögliche kommentiert. Allein man las von dem Vorfall erst am nachfolgenden Dienstag in der Lokalzeitung, hier.

Als das kleine Kreuz (15×30 Zentimeter) mit kreisförmigem Behältnis  – von, wie immer wieder betont  wurde, geringem materiellen, aber hohem „ideellen“ Wert – nicht sofort wieder auftauchte, schwang die Gemeindeleitung sich zur Aussetzung einer Belohnung in Höhe von 1.000 Euro auf. So. Und wissen Sie, wer diese 1.000 Euro jetzt bekommen soll? Ausgerechnet der auch auf unserem Blog schon bekannte Photograph Michael Paech (vgl. hier). Das ist doch wohl irre, freut uns außerordentlich und wir gratulieren ganz herzlich! Ihm zur Belohnung und, vor allem, uns, zur glücklichen Wiederauffindung!

Aber damit noch nicht genug der Kuriositäten: Sie werden nicht glauben, wo Herr Paech das Reliquiar fand: in der evangelischen Jakobskirche in der Weimarer Altstadt, einem der touristisch höher frequentierten Orte unseres Städtchens aufgrund der auf dem historischen Kirchhof bestatteten Berühmtheiten (Cranach d.Ä., Frau Herder, Frau Goethe vulgo „die Vulpius“ etc., hier. Da lag oder stand – wo genau, darf noch nicht verraten werden von wegen der Ermittlungsarbeit – „scheinbar achtlos abgesetzt“, wie die TLZ am vergangenen Samstag festhielt, das gesuchte Stück.

Also, Sie können sagen, was Sie wollen: Da muß doch jemand ein schlechtes Gewissen bekommen haben! Am Sonntag zuvor war von dem Fall nämlich auch noch bei „Kripo live“ im mdr-Fernsehen berichtet worden, hier. Dort hieß es zwar, das Kreuz sei erst drei Tage später, am 29.9., verschwunden (was auch erklären würde, warum der Pfarrer am 28.9. seinen Schreck über den gemeinen Diebstahl noch nicht mit seinen Schäfchen hatte teilen können, obwohl das Reliquiar doch für die Gemeinde einen so irre hohen ideellen Wert hat) – aber unser Dieb, sage ich Ihnen, der wird schon gewußt haben, daß es sich um seine Missetat handelt! Journalisten können schließlich auch nur aufarbeiten, was man ihnen mitteilt, und man kann als überlastete Verantwortliche für Öffentlichkeitsarbeit und alles andere (Sie wissen schon: „Es macht ja sonst keiner…“) ja auch mal durcheinander kommen.

Der Dieb jedenfalls hat wahrscheinlich ferngesehen, Angst bekommen, sich den Spruch auf dem Diebesgut durchgelesen, vor dem Richterstuhl Gottes  ebenfalls Angst bekommen und das gestohlene Reliquiar klammheimlich im Laufe der Woche in einer offenen Kirche abgestellt. Also manchmal ist es ja dann doch auch wieder gut, wenn Kirchen einfach so offen und für alle zugänglich sind, nicht wahr?, sonst hätte der Dieb ja gar nicht gewußt, wohin. Und Herr Paech hätte seine Vermutung, daß es sich um unser Reliquiar handelt, gar nicht so ohne weiteres überprüfen können. Er hat es nämlich wohl erstmal in aller Ruhe fotografiert und das Bild dann in der Zeitungsredaktion mit dem Foto des Artikels verglichen, in dem das Kreuz als gestohlen gemeldet wurde. Und dann wahrscheinlich die Polizei alarmiert und als sie in die Jakobskirche (zurück-) kamen, war die Kirche immer noch offen und das Reliquiar immer noch da. Obwohl es „achtlos abgestellt schien“ und nicht befestigt war.

Sachen gibt’s, die gibt’s nicht. Und je phantastischer die Informationen werden, desto neugieriger wird man ja, zu erfahren, was eigentlich wirklich passiert ist, an jenem 26. oder 29. September 2014 zwischen 14.30 und 19.00 Uhr, als die Schöndorfer Kirche für jedermann zugänglich war. Wo das Reliquiar für die Gemeinde doch einen so hohen ideellen Wert hat!

Cornelie Becker-Lamers

Tja, schon eigentümlich, die Umstände um diesen Kriminalfall, oder? Aber auf jeden Fall freut sich PuLa natürlich erst mal von Herzen mit, daß die Reliquie bald (erstmal ist sie ja noch bei der Polizei, und die Staatsanwaltschaft muß sie nach Abschluß der Ermittlungen dann erst wieder freigeben), daß die Reliquie also bald wieder da ist, wo sie hingehört! Wohlgemerkt, die Reliquie, von der in der ganzen Berichterstattung auffällig wenig die Rede gewesen ist, im Vergleich zu ihrem Behältnis. Vielleicht hätte man auch mal erwähnen können, daß es hier um einen geistlichen Schatz ging, der Gegenstand der Verehrung ist, aber (katholisch) formulieren ist halt Glückssache…

Übrigens, so für die Leser außerhalb Weimars: Für den Ort in der Bonifatiuskirche, an dem des seligen Otto Neururer und anderer Märtyrer im Zusammenhang mit dem KZ Buchenwald gedacht wird, wurde natürlich mal wieder was umgebaut. Das erfuhr die Gemeinde genauso nachträglich wie den Diebstahl des Reliquiars. Etwas mußte für die Gebetsecke weichen, was den Raum ebenfalls als katholischen auswies: ein Beichtstuhl aus der Bauzeit nämlich 🙁 Ob der für die Gemeinde nicht auch einen hohen ideellen Stellenwert hatte? Aber das ist wieder eine andere Geschichte …

"Ich war ein Beichtstuhl", Gedenkort für O. Neururer und M. Spanlang (noch ohne Reliquiar; eigenes Bild)

„Ich war ein Beichtstuhl“, Gedenkort für O. Neururer und M. Spanlang (noch ohne Reliquiar; eigenes Bild)

Ein Kommentar

  1. So ein Klau passierte vor drei Jahren in meiner Heimatgemeinde. Aber der Pastor meinte nur, daß das Reliquiar ja nicht viel wert gewesen sei – alles halb so schlimm… – oder so ähnlich

    http://www.derwesten.de/wp/staedte/balve/ganove-entkommt-unerkannt-mit-reliquie-id4718312.html

    Dienstag, 28. Oktober 2014 um 21:59 | Permalink

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