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Das apostolische Lehrschreiben, Ein Sketch für drei Personen und ein Schaf

Das apostolische Lehrschreiben

Ein Sketch für drei Personen und ein Schaf

Wundersdorf im Oderbruch. Die Küche der Familie Langenfeld. Edith und Richard schlürfen des Jahres ersten Glühwein, während sie einen gut 250 Seiten dicken Papierstapel unter sich aufgeteilt haben, und, hin und wieder daraus vorlesend, eifrig schmökern.

 

Richard (hat bis fast ganz nach hinten geblättert): Ah ja! Natürlich endet er mit Maria, wie sich das gehört. Hör mal: „Es gibt einen marianischen Stil bei der missionarischen Tätigkeit der Kirche. Denn jedes Mal, wenn wir auf Maria schauen, glauben wir wieder an das Revolutionäre der Zärtlichkeit und der Liebe. An ihr sehen wir, daß die Demut und die Zärtlichkeit nicht Tugenden der Schwachen, sondern der Starken sind, die nicht andere schlecht zu behandeln brauchen, um sich wichtig zu fühlen.“

Edith (im Plauderton): Sehr schön! Das ist ja hier gewissen Leuten wieder wie auf den Leib geschrieben. Maria kommt vorne aber auch schon, als es um Textstellen geht, wo Leute sich freuen – Johannes im Bauch zum Beispiel. Aber hör mal das hier ist auch herrlich: „Es gibt Christen, deren Lebensart wie eine Fastenzeit ohne Ostern erscheint.“ (Sie lacht).

Richard (grunzt): Mhm! Siehe Gemeindefest, wo man die Caritas am besten gleich mal nach neuen Mitgliedern rumrennen läßt, wo man die Truppe einmal beisammen hat …

Edith: … und wo die ehrenamtlichen Chorleiter nach einer einstündigen Musicalaufführung der PGR-Vorsitzenden am Getränkestand noch 50 Cent für ein Glas Wasser rüberreichen dürfen.

Richard: Das war was anderes: Das war der Strafzoll, weil das Stück bei den Leuten so gut angekommen ist!

Edith: Stimmt! Da hat kaum noch einer von den Zuhörern so richtig unerlöst geguckt …

Richard (grinst): Frechheit so was!

Beide lachen und prosten sich mit ihren Glühweinbechern zu, als plötzlich ein schwarzes, uns wohlbekanntes Schaf die Bühne betritt.

Edith (stutzt): Nanu! Kohle! Was machst du denn hier? (Sie streicht Kohle über den Rücken und krault ihn ein bißchen hinter den Ohren.) Hm?

Kohle (brummelt völlig geistesabwesend): Aber wenn λαός im Gegensatz zu έθνος das auserwählte Volk Israels meint …

Richard: Kohle! Haaaallooooo! (Er wischt ihm mit der Hand vor den Augen hin und her.)

Kohle (schreckt auf): Huch! Wo bin ich? Richard, du? Bei uns auf der Weide? Mitten im kalten Winter?

Richard (lacht): Wir sind nicht auf der Weide, Kohle, wir sind „in der Küche der Familie Langenfeld“ …

Edith: … und Richard und ich trinken „des Jahres ersten Glühwein“. (Sie grinst.)

Kohle: Au Backe! So ein Mist! Ich bin ja heute gar nicht dran!

Edith: Nee, das hat noch zwei Tage Zeit, vermute ich mal …

Richard: … bis Nikolaus …

Edith: … oder was hast du da gerade gebrummelt?

Kohle: Ihr habt vollkommen Recht! (Er wendet sich dem Publikum zu und strahlt) „Seien Sie gespannt auf den nächsten Nikolaus-Sketch, der wieder spannende Fragen und Anregungen rund um die Figur des Heiligen bereithält!“

Er trottet, schlagartig wieder völlig zerstreut, von der Bühne und stößt dabei fast mit Hanna zusammen, die gerade die Küche betritt.

Hanna: Was geht ’n hier? Bringen wir jetzt schon Sketche mit Werbepause? (Sie lacht.)

Edith (ein bißchen besorgt): Kohle war aber komisch drauf … so kenne ich ihn gar nicht …

Richard: Schade, daß Teresa nicht da war. Die hätte ihn aufgemuntert.

Hanna: Ob die Schafe sich Sorgen machen, weil es in Brandenburg Wölfe gibt?

Richard: Ooooch! Die haben doch Tatze! Tatze ist ein Kerl! (Er schöpft Hanna am Herd einen Becher voll Glühwein aus dem Topf.)

Hanna (zieht sich einen der Papierstapel ran): Und, was lest ihr hier Schönes?

Edith: Evangelii gaudium, vom jetzigen Heiligen Vater.

Hanna (lacht): „vom jetzigen Heiligen Vater“? Ist jetzt sogar schon die katholische Christenheit in der Patchworkfamilie angekommen?

Richard (setzt sich wieder hin, jovial): Na, da kommt Mutter Kirche auch noch drüber. Es gab schon schlimmere Zeiten, wo wir echt zwei Päpste hatten.

Edith: Stimmt. Unsere beiden zitieren sich ja auch gegenseitig.

Hanna (liest den Schluß des Lehrschreibens): „Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, zum Abschluß des Jahres des Glaubens, am 24. November – Hochfest unseres Herrn Jesus Christus, König des Weltalls – im Jahr 2013, dem ersten meines Pontifikats“. Ist schon interessant, wie er die weltlichen mit den kirchlichen Zeitangaben verbindet …

Edith: Tja! Der gute Francesco geht halt mit der Zeit. Prost! (Die drei trinken sich zu und beginnen wieder zu lesen.)

 

ENDE

 

Cornelie Becker-Lamers, Weimar

Oha, so geht’s zu Wundersdorf! Aber lassen Sie sich nicht von Kohles Verwirrung anstecken! Was er da vor sich hinbrummelt hat tüchtig Hintergrund! Nikolaus mehr!

 

Ein Trackback/Pingback

  1. […] den Wind, daß du unseren Auftritt versemmelt hast und dann plötzlich bei Edith und Richard in der Küche standest ? War das echt nur wegen […]

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