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Ein Pulverfaß?

Nein, ich meine nicht die Situation um die Auslieferung oder Nicht-Auslieferung des ‚Neuen Gotteslobs‘, da scheint sich, im besten Fall, der Nebel gerade ein bißchen zu lichten, denn seit ganz kurzem (man kann das vermutlich noch nach Stunden zählen!), sind die Ausgaben für diejenigen Bistümer, die von der „Dünndruck-Krise“ nicht betroffen sind, z.T. lieferbar, zum anderen Teil immerhin mal bestellbar, z.B. hier (zur Dünndruck-Krise vgl. hier beim ‚Frischen Wind‘).

Über die Fanfarenstöße, mit denen heute im „Tag des Herren“ (und vermutlich auch in anderen Teilen der Bistumspresse, also überall dort, wo die Aussicht auf Beginn der Nutzung zum 1. Advent realistisch besteht), über die könnte man nicht einen, sondern gleich mehrere Beiträge schreiben (auch ein bestimmter Erfurter Professor ist wieder dabei…) aber, wie gesagt (noch) nicht heute, auch weil es zu dem Thema ‚Neues Gotteslob‘ noch erheblich Interessanteres gibt, das aber noch ein wenig Zeit braucht.
Basteln Sie gerne mit Schere, Karton und Kleber? Freuen Sie sich schon mal, denn Sie werden Gelegenheit erhalten…

Nein, heute möchte ich, pünktlich zum in weiten Teilen Deutschlands verregneten Wochenende, bitteschön, zum Filme gucken einladen.

Da wird nämlich Ende des Monats im Thüringischen Mühlhausen eine hochinteressante Ausstellung eröffnet, die sich unter dem etwas reißerisch-makabren Titel: „Umsonst ist der Tod“ mit der Religiosität und religiösen Alltagskultur (insbesondere) in Mitteldeutschland im unmittelbaren Vorfeld der ‚Reformation‘ befaßt. Die Ausstellungsmacher werfen dafür einen neuen Blick auf alltagskuturelle historische Sachzeugnisse und verfolgen damit einen ganz bestimmten, wie ich finde, sehr wichtigen Zweck:

„Nach einem weit verbreiteten Vorurteil gelten die Jahrzehnte am Ausgang des Mittelalters als eine von Verweltlichungserscheinungen der Kirche, von Glaubenskrisen und klerikalen Missbräuchen geprägte Zeit, die die Reformation als einschneidende Wende und erlösenden Ausweg erscheinen lässt. Dem Jahrhundert, das der Reformation voranging, wurde ein eigener Wert abgesprochen – die Bezeichnung „Vorreformation“ bringt es auf den Punkt. Das „Morgenrot der Reformation“ scheint das vermeintlich „finstere Mittelalter“ zu überstrahlen.“

Klingt spannend, oder? Und weiter:

„Doch das Bild einer allgemeinen Krise des abendländischen Christentums, das von der älteren protestantischen Geschichtsschreibung vermittelt wurde, deckt sich nicht mit den Befunden zur Frömmigkeitskultur um 1500. Im Gegenteil: „Die Kirche hatte Hochkonjunktur“ (Bernd Moeller).“

Ich würde hinzufügen wollen: Dieses Zerr-Bild von der „Krise der Papstkirche“ wird in der üblichen vulgarisierten und vergröberten Art und Weise zu Propagandazwecken nach wie vor instrumentalisiert! Und zwar nicht unbedingt in erster Linie von protestantischer Seite: Wenn als Beschimpfung das „vorkonziliar“ nicht mehr auszureichen scheint, wird ja auch im innerkatholischen Diskurs zuverlässig das „mittelalterlich“ hervorgeholt, und zwar als „Keule“. Dabei sind regelmäßig die begründeten Kenntnisse über das Mittelalter auf seiten derjenigen, die diese Keule schwingen, strikt umgekehrt proportional zur Heftigkeit des Zuschlagens…

Wissenschaft geht aber natürlich ganz anders: Sie ist immer dazu angetan, ‚schwarze Legenden‘ zu entlarven. In dem Sinne traut sich die Ausstellung auch an ein ganz heißes Eisen:

„Das siebte Kapitel widmet sich dem Thema des Ablasses als einem zentralen und differenzierten Sektor der Frömmigkeitspraxis, an dem sich schließlich jener Protest Luthers entzündete, der zur Reformation führte.“

Eine differenzierte Betrachtung der Ablaßpraxis; wow! Also, wir werden diese Ausstellung (die nach Mühlhausen noch in Leipzig und Magdeburg zu sehen sein wird) auf jeden Fall anschauen und PuLa wird berichten.

Aber hatte ich nicht was von „Filme-Gucken“ geschrieben? Ja, genau, denn auf L.I.S.A., dem Wissenschaftsportal der Gerda-Henkel-Stiftung, finden Sie nicht nur Videos zur Forschungsvorarbeit der Ausstellung (hier), sondern auch etliche sehr, sehr interessante Interviews mit Wissenschaftlern zur Reformationsgeschichte und – zur Geschichte der Reformationsgeschichte… (hier und hier, z.B.).

Also, machen Sie es sich mit einem Tee (oder einem „echt katholischen Grappa“ 😉 ) auf dem Sofa gemütlich und schauen Sie, es lohnt sich!

Mit dem ganzen historischen Komplex muß man sich wohl einmal näher befassen, als mitteldeutscher Katholik, bevor die Woge „Reformationsjubiläum“ über uns schwappt, ähem!

Naja, sind ja noch ein paar Jährchen! 🙂

 

Ein Trackback/Pingback

  1. […] waren (schienen?) die Bücher auf vivat.de (ebenfalls Benno-Verlag) ja auch lieferbar (PuLa berichtete). Um 16.43 Uhr stand dort zum Lieferstatus: “Versandfertig in 1 Tag”, muß […]

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