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Ab wann kann man sich Stullen schmieren?

Die aktuelle Menschenwürde-Diskussion vollzieht sich an Scheinargumentationen

Da ist ja gerade richtig was los, im ethischen Überbau des bundesdeutschen politischen Diskurses.

Vielleicht auch nicht. Vielleicht geht es doch wieder ausschließlich ums Geld, koste es, was es wolle. Das vermute ich ehrlich gesagt. Deshalb schreibe ich diesen Text. Jedenfalls aber ist etwas los, das alle mündigen Christen, vor allem aber alle Vertreter der Kirche, zu einer eindeutigen Stellungnahme zwingen sollte.

Die Erwählte

Ich spreche vom Auslöser der Diskussion um die Personalie Brosius-Gersdorf, welchletztere sich der politischen Linken durch ihre seit Jahren andauernde gesellschaftspolitische Positionierung als parteiische Juristin für das Amt einer Verfassungsrichterin empfohlen hat. Gegen sie sprechen und stimmen all jene, die entweder nicht vom Gedanken der Gewaltenteilung und damit einer unabhängigen Justiz lassen wollen, oder die die Positionen der Potsdamer Jura-Professorin mit wachsendem Entsetzen zu Ende denken.

Konkret sind es die Äußerungen, die die Frau mit den dauergeblähten Nasenlöchern zum Thema Schwangerschaftsabbruch und einer neuen Definition der Menschenwürde zu Protokoll gibt. Frühere Stellungnahmen der (wie auch immer promovierten) Juristin beispielsweise über eine mögliche verfassungsgemäße „Pflicht zur Impfpflicht“ stehen dabei im Widerspruch zur scheinbaren Stärkung des „my body my choice“-Arguments in diesem Zusammenhang. Aber das ist nur der Aufhänger der Diskussion, in der sich bisher erstaunlich wenige deutsche Bischöfe zu Wort gemeldet haben. Und natürlich waren es wieder nur die üblichen Verdächtigen wie die Bischöfe Voderholzer, Regensburg, Oster, Passau und Kardinal Woelki aus Köln. Den lobenswerten Aufschlag von Erzbischof Gössl aus Bamberg hat er inzwischen selbst in sein Gegenteil verkehrt.  Dabei wären die verhandelten Aspekte doch eine Steilvorlage. Bloß gut, daß die CDU sich ohnehin schon immer nur „Union“ nennt. Denn nachdem bereits eine schwerwiegende Grundgesetzänderung mithilfe des abgewählten Parlaments sowie sonstiger Wahlbetrug durch Friedrich Merz das „D“ im Namen ad absurdum geführt haben, steht nun das „C“ zur Disposition.

Die Ungewählte

Worum geht es? Am vergangenen Freitag wurde eine Wahl zur Neubesetzung des Bundesverfassungsgerichts von der Tagesordnung des Parlamentsplenums genommen, da ein eigentlich in der Koalition schon zu Ende gemauschelter Vorschlag der SPD-Fraktion – eben Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf – die erforderliche Zweidrittelmehrheit der Stimmen zu verfehlen drohte. Teile der CDU-Fraktion hatten offenbar rechtzeitig ihr Gewissen wiederentdeckt, was von interessierter Seite dann umgehend der Einflußnahme („Haß und Hetze“) der seit Jahren erstarkenden unabhängigen Medien in die Schuhe geschoben wurde.

Dabei bedurfte es gar keiner Medienkampagnen, sondern lediglich der Bekanntmachung einiger Äußerungen der Frau, die gerade den Stein des Anstoßes abgibt. Sich als Verfassungsrichterin unmöglich zu machen, hat Brosius-Gersdorf bei Markus Lanz ganz alleine geschafft. Am heftigsten stoßen ihre Forderungen zur Abschaffung des § 218 des Grundgesetzes auf Ablehnung. Denn die Begründungen der „Rechtswissenschaftlerin“, als die Brosius-Gersdorf sich immer herausstreicht, um die politische Schlagseite ihrer Äußerungen zu kaschieren, scheinen geeignet, weit mehr in Bewegung zu bringen als nur das Abtreibungsrecht.

Die Unwählbare

Die in diesem Zusammenhang von Brosius-Gersdorf nämlich vertretene Neubewertung der Menschenwürde soll den Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen nicht nur nach Beratung straffrei stellen. Das ist ja bereits geltendes Recht. Sondern der Straftatbestand eines Abbruchs im ersten Vierteljahr der Schwangerschaft soll komplett vom Tisch, und zwar via Aberkennung der Menschenwürde für diese jüngeren Embryonen. Die entsprechende Feststellung der Tötung in diesem Zeitraum soll eine Abänderung des Grundgesetzes aus der Welt räumen. Von der 12. bis zur 22. Schwangerschaftswoche ist die Menschenwürde des Fötus dann schon ein bißchen ausgeprägter, in den letzten acht Wochen dann also ja im Prinzip doch dann eher schon. Also Abtreibung bis kurz vor der Geburt – äh nein! Aber die volle Menschenwürde kommt dem Kind erst bei der Geburt zu. Lebensrecht und Menschenwürde sind rechtlich zwei Paar Schuh, sagt Frauke Brosius-Gersdorf sinngemäß. Und für Menschenwürde muß man alleine lebensfähig sein.

Wie kommt man auf sowas? In einer Gesellschaft, die seit geraumer Zeit orthographische Unzulänglichkeiten bei Kindern fördert, weil man sie nach dem Hören schreiben läßt, während man zugleich fest an den pädagogischen Erfolg dieses langen Weges zur Rechtschreibung glaubt – in dieser Gesellschaft sollte man ausgerechnet bei der Entstehung neuen Lebens den Aspekt der Entwicklung ausschließen? Das paßt doch nicht zusammen. „Wunder dauern etwas länger“ – das weiß man doch. Ende der Parenthese.

Und zurück zu den Forderungen von Brosius-Gersdorf. In einem ausführlichen Kommentar auf dem Nachrichtenportal NIUS stellt Markus Brandstetter als möglichen Denkhorizont ihrer Ansichten die Ethik des 1946 in Melbourne geborenen Philosophen Peter Singer vor. In seinem 1979 erschienenen Werk Praktische Ethik knüpft dieser den Wert eines Lebewesens an seine Fähigkeit zu Selbst-, Vergangenheits- und Zukunftsbewußtsein. Wen das alles ausschließt, muß ich hier nicht aufzählen – und so ist diese Ethik denn auch höchst umstritten. Nur als soziales Wesen kommt dem Menschen aus dieser Sicht wirklich Menschenwürde zu – und damit sind die Embryonen halt raus. So einfach ist das.

Eventuell – aber das kann ich nicht beurteilen, weil ich die Bücher von Singer nur aus Zusammenfassungen kenne – krankt sein Gedankengebäude auch an der Unterbewertung der Interaktion zwischen Ungeborenem und Mutter. Kinder im Mutterleib kriegen ja schon alles mögliche mit – Berührungsimpulse, den Herzschlag, Bewegungen und Ruhe. Mit Freude und Streß, Lachen und Weinen und den entsprechend ausgeschütteten Hormonen machen sie vermutlich selber körperliche Erfahrungen, eben weil sie mit dem Körper der Mutter verbunden sind. Musik und die Stimme nicht nur der Mutter, sondern auch anderer Menschen im näheren Umfeld lernen sie kennen und erkennen sie nach der Geburt wieder. Und sie machen sich ihrerseits bemerkbar, bewegen sich und boxen. Vielleicht weiß Peter Singer das nicht und vielleicht Frau Brosius-Gersdorf auch nicht. Aber das kann ich nicht beurteilen.

Vorgeschoben jedenfalls wird in dieser ganzen Debatte eine angebliche Abwägung zwischen dem Lebensrecht des im Mutterleib heranwachsenden Kindes und dem Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frau. Die Bewerbung der Corona-‚Impfung‘ für Schwangere, und zwar auch dann noch, als sich das inzwischen belegte erhöhte Risiko von Fehlgeburten durch diese Injektionen abzeichnete, läßt allerdings erhebliche Zweifel daran aufkommen, ob es denn dann in der jetzigen Diskussion tatsächlich mal um die einzelne Schwangere geht. Der Titel, unter welchem der damalige Bundesgesundheitsminister Karl-„nebenwirkungsfrei“-Lauterbach während der Ampel-Regierung (gemeinsam mit Familienministerin Paus, Grüne und Justizminister Buschmann, FDP) eine vorbereitende Studie in Auftrag gegeben hat, spricht freilich Bände. Die Kommission, der auch Frau Professor Brosius-Gersdorf angehörte, hatte einen „Bericht zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ zu erarbeiten. Von Anfang an also standen nicht nur die Fragen der Menschenwürde des Fötus und einer aus unterschiedlichen Gründen möglicherweise problematischen Schwangerschaft zur Diskussion. Zur Diskussion standen von Beginn der Debatte an auch die rechtlichen Möglichkeiten des medizinischen Eingreifens in den Fortpflanzungsprozeß und damit in die göttliche Schöpfung.

Das Erzählbare

In der christlichen Tradition, die all unser Denken in unhintergehbarer Weise prägt, die Idee der Menschenwürde begründet und damit die Grundlagen unseres Menschenbildes wie unseres Grundgesetzes speist, steht der Beginn menschlichen Lebens außer Frage. Es ist der Moment der Befruchtung bzw. der Nidation, also der Einnistung der befruchteten Eizelle in der Gebärmutter. Es ist der Moment, in welchem jeder einzelne Mensch mit seinen im Laufe des Lebens unzähligen Entwicklungsmöglichkeiten unter Einwirkung seiner ständigen freien Willensentscheidungen als Idee Gottes geschaffen wird.

Jeder spätere Zeitpunkt ist willkürlich gewählt. Auch der der Geburt. Wir alle wissen, daß Menschen ‚zu früh‘ geboren werden. Wir alle waren keine Kälbchen, die aufstehen und auf die Weide stolpern, sobald das Muttertier sie trockengeleckt hat. Das menschliche Neugeborene ist noch lange auf die Mutter und deren spezifische, je nach Alter des Kindes sogar angepaßte Muttermilch als Nahrungsquelle angewiesen. Wenn es um die Fähigkeit zum eigenständigen Überleben geht, müßten wir also ein Grundgesetz formulieren, das die Menschenwürde an die Fähigkeit knüpft, sich selber Stullen zu schmieren. Ein dummer Gedanke.

Sichtbar macht die christliche Kunstgeschichte den Beginn des menschlichen Lebens und damit der Menschenwürde übrigens in den Darstellungen der Verkündigung, in denen Jesus auf das „Ja“ der Gottesmutter hin als fertiger Mensch vom Himmel herabschwebt. Dementsprechend ist Jesu Geburtstag, also das Weihnachtsdatum, nach dem Termin der Verkündigung berechnet und nicht umgekehrt.

Das perfekte Datum

Das Zählbare

Also ich halte in der hitzigen Debatte, die sich da gerade vollzieht, die Rede vom Selbstbestimmungsrecht der Frau für vorgeschoben. Es paßt alles nicht zusammen. Und überhaupt: Wann ging es linker Politik je um das Individuum?

Ich vermute, daß die Spur des Geldes mal wieder die bessere Erklärung für die Stoßrichtung der Debatte liefert. Wäre eine Abtreibung bis zur zwölften Woche keine Tötung, weil dem Embryo keine Menschenwürde zukäme – dann könnte man die Anträge zur Embryonenforschung gleich im Anschluß stellen. Inklusive der Anträge auf die Forschungsgelder.

Schon lange blicken doch die deutschen Labormediziner neidvoll ins Reich der aufgehenden Sonne, woher die Milliarden, die dort in der Embryonenforschung verdient werden, das Sonnenlicht längst überstrahlen. Unsere abendländisch-christliche Ethik und die daraus resultierende Idee der Menschenwürde ist das einzige, was die deutsche Reproduktionsmedizin von diesen Futtertrögen trennt.

Das Unzählbare

Die Neubestimmung der Menschenwürde vor der Geburt wäre also ein gefährlicher Schritt in die ‚schöne neue Welt‘, in der nicht mehr Gott einer Frau und in der Folge eine Frau ihrem Mann „ein Kind schenkt“; wäre ein gefährlicher Schritt hin zu einer Welt, in der ein Kind überhaupt kein Geschenk mehr ist, sondern alle Verdienste im doppelten Sinne des Wortes bei den Medizinern liegen. Endlich könnte mit der Schwangerschaft die letzte Bastion gestürmt werden, in der sich der Lebensvollzug seiner Ökonomisierung entzieht. Daß Konzeption, Austragen und Gebären eines Kindes nur die Kraft einer Frau kostet, ist eine Tatsache, die Frauen einen außergewöhnlichen Rang zuweist und als Gebärneid den Machbarkeitswahn patriarchalen Denkens schon lange plagt.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/17/Faust_image_19thcentury.jpg

Ein Homunkulus – der Traum der Alchimisten; Illustration zu Goethes Faust II (Quelle LINK https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Faust_image_19thcentury.jpg gemeinfrei)

Gehen wir diesen Schritt nicht! Akzeptieren wir die Abwicklung der Menschenwürde auf keinen Fall – nicht als Gesellschaft und nicht als Kirche! Machen wir uns vielmehr wieder das unschätzbare Geschenk bewußt, das ein Kind bedeutet – von den ersten Tagen seiner Entwicklung an. Wenn wir uns dieses Geschenk wieder mehr bewußt machten und Konzepte der Selbstverwirklichung wieder mehr öffneten – nach dem Motto: Mutterschaft – mehr Frau sein geht nicht! – dann, ja dann wäre richtig was los, im ethischen Überbau des bundesdeutschen politischen Diskurses.

 

Cornelie Becker-Lamers

 

PS: Cornelie erwähnt es zu Beginn ihres Textes, aber es muß einfach noch deutlicher gesagt werden: Wir erleben anhand dieser causa gerade etwas, was das Zeug hat, die neumodische Institution der „Deutschen Bischofskonferenz“ derart zu beschädigen, daß ihre ohnehin fragwürdige Existenzberechtigung vollends zur Disposition steht.

Als wäre das beschämende Schweigen der übergroßen Mehrheit der Ordinarien (3-4 von 27 haben sich geäußert!) nicht schon schlimm genug, ist das, was der Vorsitzende der DBK, Limburgs Bischof Georg Bätzing, sich leistet, einfach bodenlos. Niemand hatte sich wohl nach seiner Vorgehensweise in Bezug auf den sog. „Synodalen Weg” noch viele Illusionen gemacht, aber daß er sich jetzt ausgerechnet von seiner Partnerin in dem kirchenrechtswidrigen Putsch, den die Nachfolgegremien des „Synodalen Wegs” gerade versuchen, der Vorsitzenden des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp mit Kritik in dieser Kernfrage katholischer Lehre übertreffen läßt, das hat selbst langjährigen Kennern der deutschen katholischen Szen den Atem verschlagen.

Aber dieser #Abbruchunternehmer am deutschen Katholizismus, wie ich ihn auf X (vormals Twitter) gerne nenne, hat es doch tatsächlich fertig gebracht, die Lage über das (wie immer seinen Amtsbrüdern gegenüber unsolidarische) Schweigen hinaus noch schlimmer zu machen. Lesen Sie seine Bemerkungen im Rahmen eines Interviews mit der “Augsburger Allgemeinen“, hier auf den Seiten der DBK selbst zitiert, die damit offenbar meint, den Skandal, den diese Worte bedeuten, noch abmildern zu können. Ich weigere mich, das auch nur in Auszügen wiederzugeben, Sie müssen es sich ggf. selbst antun.

Bischof Bätzing agiert, nochmals sei es gesagt, an einer Stelle, die nun wirklich das ‘Eingemachte’ betrifft, wie ein beliebiger Parteipolitiker und so geht vor unseren Augen das schon ach, so lange währende Schauspiel der kollektiven Selbstentmannung des deutschen Episkopats, mit ganz wenigen Ausnahmen, weiter.

Ich lese zur Zeit gerade ein wissenschaftliches Buch, das sich u.a. mit der Bedeutung des Widerstands der beiden Konfessionen gegen das NS-Regime befaßt. Damals negierte niemand, daß man sich in einem existentiellen “Kulturkampf” befand und die Bischöfe haben – gekämpft! Heute lassen es die allermeisten zu, daß ihre Ehre und ihre Autorität durch ihren “Vorsitzenden” gefährdet werden.

Usquequo, Domine, usquequo? 

PPS: Wer zur Sache noch mehr lesen möchte, dem seien hier und hier zwei sehr gute Artikel auf COMMUNIO empfohlen, die sozusagen ebenfalls zeigen, daß nicht alle deutschen Katholiken kapituliert haben, weder intellektuell noch überhaupt.

Gereon Lamers

 

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 24

And with that thought came a larger one, and the colossal figure of her Master had also crossed the theatre of my thoughts. The same modern difficulty which darkened the subject-matter of Anatole France also darkened that of Ernest Renan. Renan also divided his hero’s pity from his hero’s pugnacity. Renan even represented the righteous anger at Jerusalem as a mere nervous breakdown after the idyllic expectations of Galilee. As if there were any inconsistency between having a love for humanity and having a hatred for inhumanity! Altruists, with thin, weak voices, denounce Christ as an egoist. Egoists (with even thinner and weaker voices) denounce Him as an altruist. In our present atmosphere such cavils are comprehensible enough. The love of a hero is more terrible than the hatred of a tyrant. The hatred of a hero is more generous than the love of a philanthropist. There is a huge and heroic sanity of which moderns can only collect the fragments. There is a giant of whom we see only the lopped arms and legs walking about. They have torn the soul of Christ into silly strips, labelled egoism and altruism, and they are equally puzzled by His insane magnificence and His insane meekness. They have parted His garments among them, and for His vesture they have cast lots; though the coat was without seam woven from the top throughout. (Ch. III, The Suicide of Thought)

Und mit diesem Gedanken kam mir ein noch größerer, und die kolossale Gestalt ihres Meisters erschien auf der Bühne meines Denkens. Es war dieselbe Schwierigkeit, wie sie alle Modernen haben, die den Gegenstand von Anatole France verdunkelte, die auch denjenigen von Ernest Renan ins Dämmerlicht rückte.
Auch Renan hatte das Erbarmen seines Helden von seiner Kampfeslust getrennt. Renan hatte sogar Seinen gerechten Zorn auf Jerusalem als bloßen Nervenzusammenbruch nach den Hoffnungen in der Idylle von Galiläa dargestellt. Als ob es irgendeinen Widerspruch zwischen der Liebe zur Menschheit und dem Haß auf die Unmenschlichkeit gäbe!
Altruisten verurteilen Christus mit dünner, schwacher Stimme  als Egoisten. Egoisten (mit noch dünnerer und schwächerer Stimme) verurteilen ihn als Altruisten. In unserer gegenwärtigen Atmosphäre sind solche Kritteleien durchaus verständlich. Heute erscheint die Liebe eines Helden schrecklicher als der Haß eines Tyrannen und der Haß eines Helden generöser als die Zuneigung eines Philanthropen.
Es gibt eine gewaltige und heroische Form geistiger Gesundheit, von der die Modernen nur noch Bruchstücke zusammenzutragen in der Lage sind. Es gibt da einen Giganten, von dem wir nurmehr die abgehackten Arme und Beine herumlaufen sehen.
Sie haben die Seele Christi in läppische Streifen gerissen, Egoismus und Altruismus genannt, und sind gleichermaßen verwirrt über seine irre Herrlichkeit und seine nicht minder verrückte Sanftmut. Sie haben seine Gewänder unter sich aufgeteilt und um sein Gewand gelost, obwohl der Mantel von oben bis unten nahtlos gewebt war. (Kap. III. Der Selbstmord des Denkens)

 

Frohes und gesegnetes Weihnachtsfest! 

Gereon Lamers

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 23

And as I turn and tumble over the clever, wonderful, tiresome, and useless modern books, the title of one of them rivets my eye. It is called „Jeanne d’Arc,“ by Anatole France. I have only glanced at it, but a glance was enough to remind me of Renan’s „Vie de Jésus.“ It has the same strange method of the reverent sceptic. It discredits supernatural stories that have some foundation, simply by telling natural stories that have no foundation. Because we cannot believe in what a saint did, we are to pretend that we know exactly what he felt. But I do not mention either book in order to criticise it, but because the accidental combination of the names called up two startling images of sanity which blasted all the books before me. Joan of Arc was not stuck at the cross-roads, either by rejecting all the paths like Tolstoy, or by accepting them all like Nietzsche. She chose a path, and went down it like a thunderbolt. Yet Joan, when I came to think of her, had in her all that was true either in Tolstoy or Nietzsche, all that was even tolerable in either of them. I thought of all that is noble in Tolstoy, the pleasure in plain things, especially in plain pity, the actualities of the earth, the reverence for the poor, the dignity of the bowed back. Joan of Arc had all that and with this great addition, that she endured poverty as well as admiring it; whereas Tolstoy is only a typical aristocrat trying to find out its secret. And then I thought of all that was brave and proud and pathetic in poor Nietzsche, and his mutiny against the emptiness and timidity of our time. I thought of his cry for the ecstatic equilibrium of danger, his hunger for the rush of great horses, his cry to arms. Well, Joan of Arc had all that, and again with this difference, that she did not praise fighting, but fought. We know that she was not afraid of an army, while Nietzsche, for all we know, was afraid of a cow. Tolstoy only praised the peasant; she was the peasant. Nietzsche only praised the warrior; she was the warrior. She beat them both at their own antagonistic ideals; she was more gentle than the one, more violent than the other. Yet she was a perfectly practical person who did something, while they are wild speculators who do nothing. It was impossible that the thought should not cross my mind that she and her faith had perhaps some secret of moral unity and utility that has been lost. (Ch. III, The Suicide of Thought)

Und so drehe ich mich um und stolpere über all die klugen, wunderbaren, ermüdenden und völlig nutzlosen modernen Bücher, und dabei sticht mir ein Titel ins Auge. Es ist „Jeanne d’Arc“ von Anatole France. Ich habe nur einen flüchtigen Blick darauf geworfen, aber dieser flüchtige Blick genügte, um mich an Renans „Vie de Jésus“ zu erinnern.
Das Werk verwendet dieselbe eigentümliche Methode des ‘ehrfürchtigen Skeptikers‘. Es diskreditiert übernatürliche Erzählungen, die eine gewisse Grundlage haben, einfach indem es natürliche Geschichten erzählt, die gar keine Grundlage haben. Weil wir nicht an das glauben können, was ein Heiliger getan hat, müssen wir so tun, als wüßten wir genau, was er gefühlt hat.

Aber ich erwähne keines dieser beiden Bücher, um es zu kritisieren, sondern weil die zufällige Kombination der Namen, die sie mit sich brachten, zwei aufregende Bilder geistiger Gesundheit  heraufbeschworen hat, die alle Bücher, die da vor mir lagen, mit einem Schlag hinwegfegten.

Johanna von Orleans stand nicht gelähmt an der Kreuzung, weder indem sie wie Tolstoi alle Wege ablehnte, noch indem sie wie Nietzsche alle Wege guthieß. Sie wählte einen Weg und fuhr ihn hinab wie ein Blitz.
Aber Johanna von Orleans barg, wenn ich es recht bedachte, alles in sich, was es Wahres gab, sowohl an Tolstoi als auch an Nietzsche – oder was an beiden auch nur erträglich erschien. Ich dachte an alles, was edel an Tolstoi ist, die Freude an einfachen Dingen, besonders am schlichten Erbarmen, an der schieren Tatsächlichkeit der Erde, die Ehrfurcht vor den Armen, die Würde des gebeugten Rückens. 

Johanna von Orleans hatte all das und noch dazu hatte sie den großen Vorteil, daß sie wirklich Armut ertrug und sie bewunderte, während Tolstoi nur ein typischer Aristokrat ist, der versucht, das Geheimnis der Armut zu ergründen. Und dann dachte ich an alles, was an dem armen Nietzsche mutig, stolz und mitleiderregend war, und an seine Meuterei gegen die Leere und die Furchtsamkeit unserer Zeit. Ich dachte an seinen Aufschrei nach dem ekstatischen Gleichgewicht der Gefahr, seinen Hunger nach dem Ansturm großer Rösser, seinen Ruf zu den Waffen.
Nun, bei Johanna von Orleans gab es all das auch, nur erneut mit dem Unterschied, daß sie nicht bloß den Kampf lobte, sondern kämpfte. Wir wissen, daß sie keine Angst vor einer ganzen Armee hatte, während Nietzsche, nach allem, was wir wissen, sogar Angst vor einer Kuh hatte. Tolstoi lobte den Bauern bloß; sie war die Bäuerin. Nietzsche pries bloß den Krieger; sie war die Kriegerin.
Sie schlägt, gemessen an deren eigenen entgegengesetzten Idealen, beide. Sie war sanfter als der eine, gewaltsamer als der andere. Und dennoch war sie eine vollkommen praktische Person, die etwas vollbracht hat, während diese beiden sich nur wilden Spekulationen hingaben, aber nichts getan haben.
Und so war es einfach unmöglich, daß mir nicht der Gedanke in den Sinn gekommen wäre, daß Johanna und ihr Glaube vielleicht ein Geheimnis moralischer Einheit und Praktikabilität bargen, das uns verloren gegangen ist. (Kap. III. Der Selbstmord des Denkens)

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 22

An imbecile habit has arisen in modern controversy of saying that such and such a creed can be held in one age but cannot be held in another. Some dogma, we are told, was credible in the twelfth century, but is not credible in the twentieth. You might as well say that a certain philosophy can be believed on Mondays, but cannot be believed on Tuesdays. You might as well say of a view of the cosmos that it was suitable to half-past three, but not suitable to half-past four. What a man can believe depends upon his philosophy, not upon the clock or the century. If a man believes in unalterable natural law, he cannot believe in any miracle in any age. If a man believes in a will behind law, he can believe in any miracle in any age. (Ch. V, The Flag of the World)

In der modernen Auseinandersetzung hat sich die schwachsinnige Angewohnheit entwickelt, zu behaupten, man könne in einem Zeitalter an dieses oder jenes glauben, in einem anderen jedoch nicht. Manche Glaubenssätze, so wird uns erzählt, waren im 12. Jahrhundert glaubwürdig, im 20. Jahrhundert jedoch nicht.
 Genauso gut könnte man  sagen, dass man montags einer bestimmten Philosophie anhängen  könne, dienstags jedoch nicht. Ebenso gut könnte man von einer bestimmten Sicht des Kosmos sagen, daß sie für halb vier geeignet sei, für halb fünf jedoch nicht.
Was ein Mensch glauben kann, hängt von seiner Weltanschauung ab, nicht von der Uhrzeit oder vom aktuellen Jahrhundert. Wenn ein Mensch an unveränderliche Naturgesetze glaubt, kann er in keinem Zeitalter an Wunder glauben. Wenn ein Mensch an einen Willen hinter dem “Gesetz” glaubt, kann er in jedem Zeitalter an Wunder glauben. (Kap. V, Die Standarte der Welt)

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 21

For decoration is not given to hide horrible things; but to decorate things already adorable. A mother does not give her child a blue bow because he is so ugly without it. A lover does not give a girl a necklace to hide her neck. If men loved Pimlico as mothers love children, arbitarily, because it is theirs Pimlico in a year or two might be fairer than Florence. Some readers will say that this is a mere fantasy. I answer that this is the actual history of mankind. This, as a fact, is how cities did grow great. Go back to the darkest roots of civilisation and you will find them knotted round some sacred stone or encircling some sacred well. People first paid honour to a spot and afterwards gained glory for it. Men did not love Rome because she was great. She was great because they had loved her. (Ch. V, The Flag of the World)

Denn scheußliche Dinge werden nicht geschmückt, geschmückt wird, was bereits entzückend ist. Eine Mutter gibt ihrem Kind keine blaue Schleife, weil es ohne sie so häßlich ist. Ein Liebhaber schenkt einem Mädchen keine Halskette, um ihren Hals zu verbergen. Wenn es Menschen gäbe, die Pimlico liebten, wie Mütter ihre Kinder lieben, einfach so, ganz willkürlich, weil es ihres ist, könnte Pimlico in ein oder zwei Jahren schöner sein als Florenz. Einige Leser werden sagen, das sei reine Fantasie. Ich antworte, das ist die wahre Geschichte der Menschheit. So tatsächlich sind Städte groß geworden. Gehen Sie zurück zu den dunkelsten Wurzeln der Zivilisation und Sie werden sie um einen heiligen Stein geknotet oder um einen heiligen Brunnen gewickelt finden. Die Menschen erwiesen einem Ort zuerst Ehre und erst danach erlangten sie Ruhm für den Ort.
Rom wurde nicht geliebt, weil es groß war. Es wurde groß, weil es geliebt wurde.
(Kap. V, Die Standarte der Welt) 

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 20

I had always vaguely felt facts to be miracles in the sense that they are wonderful: now I began to think them miracles in the stricter sense that they were wilful. I mean that they were, or might be, repeated exercises of some will. In short, I had always believed that the world involved magic: now I thought that perhaps it involved a magician. And this pointed to a profound emotion always present and sub-conscious; that this world of ours has some purpose; and if there is a purpose, there is a person. I had always felt life first as a story: and if there is a story there is a story-teller. (Ch. IV, The Ethics of Elfland)

Ich hatte immer undeutlich empfunden, daß Fakten eigentlich ganz außergewöhnliche Begebenheiten  sind, Wunder in dem Sinne, daß sie wundervoll sind; jetzt fing ich an, sie im strengeren Sinne für Wunder zu halten, insofern, daß sie auch beabsichtigt waren. Damit meine ich, daß sie wiederholte Bekundungen eines Willens wären oder es jedenfalls sein könnten.
Kurz gesagt, ich hatte immer geglaubt, daß es in der Welt Magie gibt; jetzt fing ich an zu denken, daß es vielleicht auch einen Magier gibt.
Und das wies auf ein tiefes Gefühl hin, das  unterbewußt immer vorhanden ist; das Gefühl nämlich daß unsere Welt einen Zweck hat; und wenn es einen Zweck gibt, gibt es eine Person.
Ich hatte das Leben immer zuerst für eine Geschichte gehalten und als eine solche empfunden: und wenn es eine Geschichte gibt, dann gibt es einen Geschichtenerzähler. (Kap. IV, Die Ethik des Feenreichs)

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 19

The thing I mean can be seen, for instance, in children, when they find some game or joke that they specially enjoy. A child kicks his legs rhythmically through excess, not absence, of life. Because children have abounding vitality, because they are in spirit fierce and free, therefore they want things repeated and unchanged. They always say, „Do it again“; and the grown-up person does it again until he is nearly dead. For grown-up people are not strong enough to exult in monotony. But perhaps God is strong enough to exult in monotony. It is possible that God says every morning, „Do it again“ to the sun; and every evening, „Do it again“ to the moon. It may not be automatic necessity that makes all daisies alike; it may be that God makes every daisy separately, but has never got tired of making them. It may be that He has the eternal appetite of infancy; for we have sinned and grown old, and our Father is younger than we. (Ch. IV, The Ethics of Elfland)

Was ich meine, kann man zum Beispiel an Kindern beobachten, wenn sie ein Spiel oder einen Witz finden, der ihnen besonders gefällt. Ein Kind strampelt rhythmisch mit den Beinen, wenn es zu viel, nicht wenn es zu wenig Lebendigkeit hat.
Weil Kinder über eine überschäumende Vitalität verfügen, weil sie im Geist wild und frei sind, wollen sie, daß die Dinge wiederholt und unverändert bleiben. Sie sagen immer: „Mach es noch einmal“; und der Erwachsene tut es wieder und wieder, bis er fast tot ist.
Denn Erwachsene sind nicht stark genug, um sich an der Monotonie zu erfreuen. Aber vielleicht ist Gott stark genug, um in der Monotonie zu frohlocken. 

Es ist absolut möglich, daß Gott jeden Morgen zur Sonne sagt: „Geh noch einmal auf“; und jeden Abend zum Mond: „Erhebe dich noch einmal“. Vielleicht ist es eben kein Automatismus, keine Notwendigkeit, die alle Gänseblümchen gleich macht. Nein,  es kann sein, daß Gott jedes Gänseblümchen einzeln macht, aber nie müde wird, sie zu machen. Es kann sein, daß er über den ewigen Appetit der Kindheit verfügt; denn wir haben gesündigt und sind alt geworden, und so ist unser Vater jünger als wir.  (Kap. IV, Die Ethik des Feenreichs) 

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 18

I have first to say, therefore, that if I have had a bias, it was always a bias in favour of democracy, and therefore of tradition. Before we come to any theoretic or logical beginnings I am content to allow for that personal equation; I have always been more inclined to believe the ruck of hard-working people than to believe that special and troublesome literary class to which I belong. I prefer even the fancies and prejudices of the people who see life from the inside to the clearest demonstrations of the people who see life from the outside. I would always trust the old wives‘ fables against the old maids‘ facts. As long as wit is mother wit it can be as wild as it pleases. (Ch. IV, The Ethics of Elfland)

Ich muß also zunächst sagen, daß ich, wenn ich je eine Voreingenommenheit hatte, es immer eine Voreingenommenheit zugunsten der Demokratie und damit der Tradition war. Bevor wir also zu irgendwelchen theoretischen oder logischen Ansätzen kommen, bin ich erst einmal zufrieden damit, diese persönliche Gleichung aufzumachen: Ich war immer eher geneigt, der Masse der hart arbeitenden Menschen zu glauben, als jener besonderen und problematischen literarischen Klasse, zu der ich selbst gehöre.
Ich ziehe sogar die Spinnereien und Vorurteile der Menschen, die das Leben von innen sehen, den klarsten Darlegungen derjenigen Menschen vor, die das Leben stattdessen bloß von außen sehen. Ich würde den Fabeln der alten Frauen immer mehr vertrauen als den Tatsachen der alten Jungfern. Solange der Witz Mutterwitz ist, kann er so wild sein, wie er will. (Kap. IV, Die Ethik von Elfland)

PS: Wer hier nicht an den ‘Elfenbeinturm’ und die “Experten” samt ihren Claqueuren aus der Laptop-Class denkt, die wir in so fürchterlicher Weise in der Corona-Zeit kennenlernen müssen, dem könnte ich auch nicht mehr helfen.

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 17

Tradition means giving votes to the most obscure of all classes, our ancestors. It is the democracy of the dead. Tradition refuses to submit to the small and arrogant oligarchy of those who merely happen to be walking about. All democrats object to men being disqualified by the accident of birth; tradition objects to their being disqualified by the accident of death. Democracy tells us not to neglect a good man’s opinion, even if he is our groom; tradition asks us not to neglect a good man’s opinion, even if he is our father. I, at any rate, cannot separate the two ideas of democracy and tradition; it seems evident to me that they are the same idea. We will have the dead at our councils. The ancient Greeks voted by stones; these shall vote by tombstones. (Ch. IV, The Ethics of Elfland)

Tradition, das heißt, die obskurste aller Klassen, unsere Vorfahren, abstimmen zu lassen. Sie ist die Demokratie der Toten. Die Tradition weigert sich, sich der kleinen und arroganten Oligarchie derer zu unterwerfen, die gerade zufällig auf Erden herumlaufen. Alle Demokraten wenden sich dagegen, daß Menschen durch den Zufall der Geburt disqualifiziert werden; die Tradition wendet sich dagegen, daß sie durch den Zufall des Todes disqualifiziert werden. Demokratie heißt uns, die Meinung eines guten Menschen nicht zu ignorieren, auch wenn er unser Pferdeknecht ist; die Tradition verlangt von uns, daß wir die Meinung eines guten Mannes nicht ignorieren dürfen, selbst wenn er unser Vater ist. Ich jedenfalls kann die beiden Ideen von Demokratie und Tradition nicht trennen; es scheint mir offensichtlich, daß es dieselbe Idee ist. Die Toten werden an unseren Beratungen teilnehmen. Die alten Griechen haben mit Steinen abgestimmt; diese werden mit Grabsteinen abstimmen. (Kap. IV, Die Ethik von Elfland)

Der Chesterton-Adventskalender 2024, Tag 16

In short, the democratic faith is this: that the most terribly important things must be left to ordinary men themselves—the mating of the sexes, the rearing of the young, the laws of the state. This is democracy; and in this I have always believed.

But there is one thing that I have never from my youth up been able to understand. I have never been able to understand where people got the idea that democracy was in some way opposed to tradition. It is obvious that tradition is only democracy extended through time. It is trusting to a consensus of common human voices rather than to some isolated or arbitrary record. The man who quotes some German historian against the tradition of the Catholic Church, for instance, is strictly appealing to aristocracy. He is appealing to the superiority of one expert against the awful authority of a mob. It is quite easy to see why a legend is treated, and ought to be treated, more respectfully than a book of history. The legend is generally made by the majority of people in the village, who are sane. The book is generally written by the one man in the village who is mad. (Ch. IV, The Ethics of Elfland)

Kurz gesagt, besteht der Glaube an die Demokratie darin, dass die allerwichtigsten Dinge den einfachen Menschen selbst überlassen werden müssen – die Paarung der Geschlechter, die Erziehung der Jugend, die Gesetze des Staates. Das ist Demokratie, und daran habe ich immer geglaubt.

Aber es gibt eine Sache, die ich von Jugend an niemals verstehen konnte. Ich konnte nie verstehen, wie die Leute auf die Idee kamen, daß Demokratie in irgendeiner Weise im Gegensatz zu Tradition stehe.
Es ist doch offensichtlich, daß Tradition nichts anderes ist, als Demokratie erstreckt über die Zeit. Sie vertraut auf den Konsens, der aus gewöhnlicher menschlicher Äußerung entsteht, und nicht darauf, was isoliert oder willkürlich festgehalten wurde. Wer beispielsweise einen deutschen Historiker gegen die Tradition der katholischen Kirche zitiert, appelliert streng genommen an das Prinzip der Aristokratie. Er appelliert an die Überlegenheit des einen Experten gegenüber der fürchterlichen Autorität des Mobs.
Daher ist es ganz leicht zu verstehen, warum eine Legende respektvoller behandelt wird, und behandelt werden sollte, als ein Werk der Geschichtsschreibung. Denn die Legende wird im Allgemeinen von der Mehrheit der Menschen im Dorf erfunden, die bei Verstand sind. Das Buch hingegen wird im Allgemeinen von dem einen Mann im Dorf geschrieben, der verrückt ist. (Kap. IV, Die Ethik des Feenreichs)